„Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ ist nicht das einzige Buch, in dem Hannah Arendt das Problem des Ausschlusses als eines von Unsichtbarkeit und Unwirklichkeit adressiert. In „Über die Revolution“ wird Unsichtbarkeit, ein Leben in Dunkelheit, als eine besonders weitreichende Form von Unfreiheit identifiziert. Juliane Rebentisch stellt fest: „Es ist bezeichnend, dass über Arendts ansonsten sehr positives Bild der Amerikanischen Revolution gerade in diesem Kontext ein gewaltiger Schatten fällt.“ Der relative Erfolg der Amerikanischen gegenüber der Französischen Revolution beruht für Hannah Arendt darauf, dass diese sich in einem positiven, durch Teilhabe an öffentlichen Belangen bestimmten Begriff politischer Freiheit orientiert habe. Dagegen sei die Französische ganz unter dem Eindruck der Not der Elenden gestanden und habe über deren Bekämpfung einen solchen positiven Begriff politischer Freiheit verloren. Juliane Rebentisch ist Professorin für Philosophie und Ästhetik an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main.
Amerika ist nicht „unter dem Fluch der Armut“ gestanden
In den USA hingegen habe der Prozess des „constitution making“ unter den Gründervätern bereits ein Moment einer durch Teilhabe an öffentlichen Belangen bestimmten Freiheit realisiert und die Aufgabe ihrer weiteren Institutionalisierung vorbereitet. Im Ergebnis seinen „die revolutionären Vorstellungen von öffentlichem Glück und politischer Freiheit ein unabdingbarer Teil der Struktur des republikanischen Gemeinwesens geworden und geblieben“.
Und als solche sind sie aus dem Bewusstsein amerikanischer Politik niemals ganz verschwunden. Juliane Rebentisch weiß: „Diesen Erfolg rechnet Arendt jedoch keineswegs nur der Umsicht der Gründerväter oder der Tradition der Selbstregierung zu, auf die diese sich stützen konnten.“ Entscheidend sei vielmehr, dass Amerika, anders als Europa, nicht derart „unter dem Fluch der Armut“ gestanden habe. Hier seien die arbeitenden Klassen zwar arm, aber nicht verelendet gewesen.
„Die im Dunklen sieht man nicht“
Ihre Not habe die Revolution entsprechend auch nicht so unter Druck gesetzt wie in Europa. So konnten sich die Gründerväter der Vereinigten Staaten auf den Prozess des Entwurfs, der Diskussion und schließlich der Verabschiedung der Verfassung konzentrieren. „Selbst wenn die Not des Elends gestillt ist“, so fasst Hannah Arendt die von John Adams ausdrücklich formulierte Einsicht zusammen, „bleibt es das Unglück der Armut, dass das Leben keine Folgen in der Welt hat, eine Spur hinterlässt“.
Das Leben in Armut ist vom Licht der Öffentlichkeit ausgeschlossen, in dem allein das Ausgezeichnete und Außerordentliche bestehen kann. Tatsächlich bestehe, referiert Hannah Arendt John Adams, in einer solchen Unsichtbarkeit „die eigentliche politische Not und das eigentliche politische Problem der Armut“. Jedoch vermutet Arendt, dass diese Einsicht nur denen zugänglich ist, die selber zu den Privilegierten gehören. „Die im Dunklen sieht man nicht“, zitiert Hannah Arendt aus Bertold Brechts „Dreigroschenoper“. Quelle: „Der Streit um Pluralität“ von Juliane Rebentisch
Von Hans Klumbies