Sinnerleben ist immer etwas Individuelles

Für das Thema Zuversicht ist laut Ulrich Schnabel das Erleben von Sinn von zentraler Bedeutung. Die Frage ist nur: Wie findet man den persönlichen Lebenssinn? Anders als so vieles andere in der unerschöpflichen Warenwelt kann man sich einen Sinn ja nirgendwo kaufen. Man kann noch nicht einmal, im Unterschied zur käuflichen Liebe, sich einen Sinn borgen oder sich eine Art Pseudosinn zulegen. Ulrich Schnabel weiß: „Denn eine echte Sinnerfahrung ist vor allem eines: eine Erfahrung und kein Gedankenkonstrukt. Sinn wird erlebt, nicht intellektuell erfasst.“ Entweder ein bestimmtes Tun fühlt sich sinnvoll für einen Menschen an – oder eben nicht. Und dieses Gefühl lässt sich nicht betrügen. Das bedeutet auch, dass ein Sinnerleben immer etwas Individuelles ist. Ulrich Schnabel ist seit über 25 Jahren Wissenschaftsredakteur bei der ZEIT.

Sinn ist nicht mit Glück gleichzusetzen

Vorgegebene Antworten in Ratgebern oder Philosophiebüchern mögen einen Menschen zwar inspirieren. Doch ob man einen Sinn für sich als gültig und motivierend erfährt, hängt letztlich nur an seinem eigenen, persönlichen Erleben. Ein weiteres Charakteristikum des Sinns is die Tatsache, dass er nicht an das Erreichen eines bestimmten Ziels gekoppelt ist. Sondern wichtiger ist das Darauf-Zustreben. Denn Sinn hat vor allem mit einer Bewegungsrichtung zu tun, nicht mit dem Ankommen.

Das Erleben von Sinn hat also mehr mit der Tatsache des Unterwegsseins und einem angestrebten Ideal zu tun als mit dem Ankommen. Paradoxerweise kann das Ankommen einen vorher erfahrenen Sinn sogar geradezu zerstören. Weiterhin ist zu beachten, dass sich Sinn und Glück unterscheiden, auch wenn für viele Menschen die beiden Begriffe synonym sind. „Sinn“ bedeutet für sie, so viele Glückserfahrungen wie möglich zu machen, Spaß zu haben und das Leben zu genießen.

Glückhafte Zustände sind sehr kurzlebig

Ihr „Glücks-Sinn“ ist also vor allem an das Erleben positiver Emotionen gekoppelt und an die Abwesenheit negativer. Leider sind solche glückhaften Zustände bekanntermaßen recht kurzlebig. Das Glück der Verliebtheit, die Freude über den neuen Job, der Spaß im Vergnügungspark: Sie alle teilen den bedauernswerten Nachteil, dass sie in der Regel allzu schnell vorbeigehen. Eine Sinnerfahrung hingegen ist dauerhafter und kann einen ein ganzes Leben begleiten.

Eine Erfahrung von Sinn vermittelt vielleicht keine ekstatischen Gefühle, geht aber tiefer als das oberflächliche Glück. Die wichtigste Unterscheidung ist jedoch: Sinn hängt nicht an positiven Emotionen. Im Gegenteil: Eine Sinnerfahrung kann auch negative Gefühle einschließen und sie in eine sinnvolle Erfahrung verwandeln. Generell gilt: Sinnerfahrungen führen auf Dauer zu größerer Zufriedenheit als kurzfristige Glückserlebnisse. Zunehmend wird auch vielen Psychologen klar, dass die Fokussierung auf Glück, Freude und Genuss alleine nicht zu einem gelingenden Leben führt. Quelle: „Zuversicht“ von Ulrich Schnabel

Von Hans Klumbies