Die Hetze gegen die Juden begann schon vor 1933

Die Nationalsozialisten hatten schon in den Jahren vor der Machtübernahme 1933 keinen Zweifel daran gelassen, dass sie die kleine jüdische Minderheit in Deutschland für einen Großteil aller Probleme verantwortlich machten, denen sich die Deutschen gegenübersahen. Zwar hatte die NSDAP-Führung die Zahl der extrem judenfeindlichen Ausfälle in den Wahlkämpfen der Jahre 1930 bis 1933 etwas reduziert, um auch Wähler über die antisemitisch Eingestellten hinaus zu gewinnen.“ Ulrich Herbert fügt hinzu: „Aber es war doch für jedermann offensichtlich, dass wer die Hitlerpartei wählte oder mit ihr sympathisierte, damit die am stärksten antijüdische Gruppierung unterstützte, die in Deutschland je aufgetreten ist.“ Ulrich Herbert zählt zu den renommiertesten Zeithistorikern der Gegenwart. Er lehrt als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

Die Nationalsozialisten wollten vor allem das Vermögen der Juden an sich reißen

In der Anhängerschaft des Nationalsozialismus bestand nach der Übernahme der Macht die feste Erwartung, dass nun scharf gegen die Juden vorgegangen würde. Das befürchteten auch die Juden selbst. Viele von ihnen hatten die Bedeutung des 30. Januar 1933 zunächst unterschätzt, aber in der „Jüdischen Rundschau“ wurde in diesen Tagen die Tragweite des Geschehens klar erkannt: „Der Nationalsozialismus ist eine judenfeindliche Bewegung, er ist programmatisch in einem Maße antisemitisch, wie es noch keine Partei war, der verdankt der skrupellosen Judenhetze einen großen Teil seiner agitatorischen Erfolge.“

In der Tat nahm der antisemitische Furor schon seit den ersten Februartagen überall im Reich zu, und verstärkt nach dem Brand des Reichstags mehrten sich auch die Meldungen über gewalttätige Übergriffe auf einzelne Juden. Die Nationalsozialisten waren sich darin einig, die Juden zu demütigen, sie aus einflussreichen Positionen zu verdrängen, sie durch Gewalt und Drohungen zur Ausreise zu veranlassen, vor allem aber: ihr Vermögen an sich zu reißen. Welcher längerfristigen Perspektiven sich daraus ergaben, blieb vorerst unklar.

Noch im Jahr 1933 verließen 37.000 Juden Deutschland

Bereits in den ersten Wochen und Monaten nach der NS-Machtübernahme ergoss sich eine Flut diskriminierender Verordnungen und sonderrechtlicher Vorschriften über die jüdische Bevölkerung. Ulrich Herbert erklärt: „Ziel der Diskriminierungen und Gewalttaten war die Vertreibung der Juden – und diese Strategie erwies sich als wirksam. Noch im Jahr 1933 verließen 37.000 Juden das Land. Bis Ende 1937 waren insgesamt 125.000 mithin ein Viertel der in Deutschland lebenden Juden emigriert.“

Die auf Initiative Adolf Hitlers im September 1935 in aller Eile beschlossenen Nürnberger Gesetze trugen diesem Drängen Rechnung. Durch sie wurde die staatsbürgerliche Gleichheit der jüdischen Deutschen beendet. „Reichsbürger“ konnten fortan nur noch „deutschblütige“ Menschen sein. Eheschließung und sexueller Verkehr zwischen unverheirateten Juden und Nichtjuden standen unter Strafe. Allerdings blieb auch nach diesem Gesetz zunächst weiter unklar, wer genau als Jude zu gelten habe und wer nicht. Quelle: „Das Dritte Reich“ von Ulrich Herbert

Von Hans Klumbies