Die Bandbreite des Hochmuts reicht von harmlos bis extrem gefährlich

Im Hochmut steckt das Wort Mut. Das ist die positive Seite. Wer sich nicht einschüchtern lässt, sich etwas zutraut, wer neu denkt und dabei viel aufs Spiel setzt, der kann stolz auf sich sein und die Gesellschaft mit neuen Ideen und Lösungen beflügeln. Es gibt aber leider auch die negative Seite. Richtig gefährlich kann der Hochmut in der Gestalt von egomanischen Menschen sein. Aber am furchtbarsten wütet er in seiner kollektiven Form, wenn andere Länder überfallen und Genozide begangen werden. Lässt sich Hochmut sinnvoll eingrenzen, und wie kann man ihn in seinen diversen Steigerungsformen eingrenzen? Ulla Steuernagel erklärt: „Es gibt ihn von harmlos bis extrem gefährlich, von lächerlich bis Furcht einflößend.“ Im modernen Sprachgebrauch würde man überheblich, arrogant, eitel sagen. Hochmütig eher nicht. Ulla Steuernagel studierte Empirische Kulturwissenschaft, Kunstgeschichte und Pädagogik.

Die Geburt bestimmte jahrhundertelang das soziale Schicksal

Aus heutiger Sicht ist der Hochmut als Ursünde nicht mehr verständlich. Er ist zwar noch verbreitet, aber vor allem nervig, häufig leicht durchschaubar und damit auch lächerlich. Seine gebräuchlicheren Synonyme sind: Stolz, Überheblichkeit, Eitelkeit, Selbstgerechtigkeit, Dünkel, Angebertum, Snobismus, Egoismus, Narzissmus und Arroganz. In der Antike dagegen stand Hochmut oder Hybris für die Grenzüberschreitung schlechthin, für das Aufbegehren gegen die Autorität der Götter. Wer die Götter beleidigte oder sich ihrem Willen widersetzte, wurde mit dem Tode bestraft.

Hochmut als sozialer Dünkel gegenüber ganzen Bevölkerungsgruppen führt zu Unterdrückung, Ausbeutung und Diskriminierung von Menschen. Jahrhundertelang war es selbstverständlich, dass die Geburt das soziale Schicksal bestimmt. Die Grenze zwischen oben und unten in der Gesellschaft war unüberwindbar, sozialer Aufstieg so gut wie ausgeschlossen. Man war zum Diener oder zum Herrscher geboren. An der angeborenen und gottgegebenen Ungleichheit der Menschen war bis zur Aufklärung kaum zu rütteln.

Der Klassismus wertet arme oder von Armut bedrohte Menschen ab

Der herablassende Blick auf Menschen, die ökonomisch, sozial und kulturell abgehängt sind, ist heutzutage nun nicht allein der BILD-Zeitung oder den Boulevardmedien anzulasten. Ulla Steuernagel schreibt: „In der Gesellschaft nistet eine Bereitschaft zu dieser Art von Hochmut. Nicht zuletzt bei denjenigen, die selbst vom Abrutschen bedroht sind.“ Man nennt diese Stigmatisierung von Gruppen Klassismus, also die Abwertung von armen oder von Armut bedrohten Menschen. Der Klassismus ist begrifflich nicht immer klar von Rassismus und Sexismus abzugrenzen.

Ein Name, der auf Anhieb ins Spektrum von Hochmut passt, ist Elon Musk. Arroganz kann man ihm sofort bescheinigen, andererseits steht er auch für erfolgreiches Vordenkertum. Der reichste Mann der Welt ist eine eigene Supermacht. Er zeigt allerdings höchste Risikobereitschaft gepaart mit Erfindungskraft und Unternehmergeist. Sowohl bei Elon Musk als auch bei Greta Thunberg wurde das Asperger-Syndrom. Eine Form von Autismus, die möglicherweise ihre Besessenheit und Beharrlichkeit erklärt, nicht aber den Erfolg. Der Erfolg dürfte vielmehr ihrem Wagemut geschuldet sein, der Grenzen überschreitet.

Hochmut
Diese verdammte Überlegenheit
Ulla Steuernagel
Verlag: Hirzel
Broschierte Ausgabe: 120 Seiten, Auflage: 2024
ISBN: 978-3-7776-3354-1, 18,00 Euro

Von Hans Klumbies