Früher hatten allein die Medien das Sagen

In der frühen Vorstellung der Medienwissenschaft war das Massenmedium eines, das waffenähnlich funktionierte. Es folgte einem simplen Stimulus-Response-Modell, bei dem die kommunikative Einbahnstraße auch eine Hierarchie betonierte. Ulf Poschardt erklärt: „Hier der Sender, dort der Empfänger und dazwischen das Medium, das nicht nur Gatekeeper war, sondern auch Pacemaker oder Deeskalierer.“ Der Konsument war eine leere Leinwand, die ganz in der Intension des Senders und der Medien bekritzelt und bemalt werden konnte. Die Medien hatten das Sagen, der Nutzer und Konsument das Nachsehen. Diese Idee selbst hatte einen idealistischen Unterbau. Die Sehnsucht der Massenmedien war auch mit der Vorstellung einer Demokratisierung der freien Gesellschaft verbunden. Seit 2016 ist Ulf Poschardt Chefredakteur der „Welt-Gruppe“ (Die Welt, Welt am Sonntag, Welt TV).

Die Medien nehmen die Rolle einer vierten Gewalt ein

Die Allgegenwart und Erschwinglichkeit der Medien sollten die Wissenspyramiden schleifen. Jeder sollte gleich viel wissen. Diese Illusion hielt nicht lange. Denn die Mediennutzer profitierten sehr unterschiedlich von der sich im 20. Jahrhundert ausbreitenden Demokratisierung von Wissen. Ulf Poschardt bringt es auf den Punkt: „Die Intelligenten und Gebildeten konnten signifikant mehr davon profitieren, die Ungebildeten und im Zweifel Prekären weniger. Die Unterschiede wurden durch Massenmedien nicht kleiner, sondern größer.“

In der politischen Nachkriegsordnung des freien Westens nahmen die Medien eine wichtige Rolle ein. In Deutschland billigte man ihnen sogar die Rolle einer vierten Gewalt zu, in Anspielung auf die klassische Gewaltenteilung. Der „Spiegel“ als Sturmgeschütz der Demokratie wurde Teil der politischen Mechanik der Bonner Republik. Ebenso wie „Bild“, „BamS“ und Glotze, die der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder als Pfeiler seines Machterhalts verstand. Die Macht der Medien ging zum Teil enge Verbindungen mit der Macht der Politik ein.

Die Idee des unmündigen Konsumenten hat sich überholt

Der Niedergang der Medien ist auch der Verlust jener Idee von einer Hierarchie der Kommunikation als Grundvoraussetzung für gelingende Vermittlung. Mit den neuen digitalen Medien sind Ende des 20. Jahrhunderts wirklich basisdemokratische Diskursmöglichkeiten entstanden. Diese forderten die anderen Medien unterschiedlich stark heraus. Spätestens mit dem Erfolg der sozialen Medien verschieben sich die Machtverhältnisse in den Medien.

Ulf Poschardt stellt fest: „Die klassischen Medienhäuser stehen vor der Entscheidung, mitzugehen oder sich zu verweigern. Überleben werden nur diejenigen, die sich der Gegenwart und der Zukunft radikal öffnen.“ Die Idee des unmündigen Konsumenten von Medien war schon im 20. Jahrhundert falsch, im 21. Jahrhundert wird sie fatal. Die Überheblichkeit der klassischen Medien kommt an ihr zügiges Ende. Aus den kommunikativen Einbahnstraßen, aus der klassischen Hierarchie, entwickelt sich eine rasant schnelle Dialogsituation. Der Leser und Zuschauer wird zu Feedbackschleife in „real time“. Quelle: „Mündig“ von Ulf Poschardt

Von Hans Klumbies