Die permanenten Warnungen vor den Gefahren von Social Media und dem exzessiven Gebrauch von Handys stehen in keiner Relation zur tatsächlich größten Bedrohung für das Leben junger Menschen: Übergewicht kombiniert mit Bewegungsmangel. Andreas Salcher erklärt: „Vor allem bildungsferne Familien suchten in der Pandemie nach etwas, das ihnen schnelle Befriedigung verschaffte. Sie entdeckten eine verlockende Lösung: die Gier nach immer mehr süßem und billigem Essen.“ In der Isolation zu Hause wurden Unmengen an zuckerhaltigen Getränken, Fast Food und Tiefkühlkost konsumiert, und das noch in Kombination mit Bewegungsmangel. Die ohnehin schon schwergewichtigen Kinder wurden daher schwer adipös – mit erschreckenden Folgen. Dr. Andreas Salcher ist Mitgebegründer der „Sir Karl-Popper-Schule“ für besonders begabte Kinder. Mit mehr als 250.000 verkauften Büchern gilt er als einer der erfolgreichsten Sachbuchautoren Österreichs.
Weltweit sterben mehr Menschen an Übergewicht als an Hunger
Kardiologen berichten von Kindern, die in der Nacht an Geräte angeschlossen werden müssen, weil sonst die Gefahr bestünde, weil sonst ihr verfettetes Herz einfach zu schlagen anhört. Andreas Salcher nennt weitere Beispiele: „Sechsjährigen mit zehn Kilogramm Übergewicht können nicht mehr Stiegen steigen und Achtjährige erleiden Bandscheibenvorfälle.“ Kinder kämpfen selbst beim Gehen nach kurzer Zeit mit Atemproblemen. Psychologisch reagieren leider viele Betroffene mit der erlernten Hilflosigkeit, wie beispielsweise „Unsere Familie ist immer ein bisschen kräftiger gewesen“.
Diese Bagatellisierung verleugnet die gesundheitlichen Gefahren für Kinder und Eltern. Andreas Salcher kritisiert: „Das politisch korrekte Schönreden von extremem Übergewicht verharmlost die Lebensgefahr, die damit verbunden ist.“ Das betrifft nicht nur die westlichen Industrieländer. Weltweit sterben mehr Menschen an den Folgen von Übergewicht als an Hunger. Durch die Pandemie kippten auch Kinder aus funktionierenden Familien, die vorher nicht unter Depressionen oder Erschöpfung litten, in schwere Krisen.
Die Sorge um die Jugend ist offenbar nicht ganz neu
Diese Kinder fühlten sich alleingelassen, die Ängste ihrer Eltern übertrugen sich auf sie, dazu kam die Panik, das Schuljahr nicht zu schaffen. Außerdem zeigte sich bei ihnen das Phänomen der „erlernten Hilflosigkeit“. Egal was man tut, man ist den Umständen ausgeliefert. Andreas Salcher erläutert: „Erlernte Hilflosigkeit ist die aufgrund von negativen Erfahrungen entwickelte Überzeugung, die Fähigkeit zur Veränderung der eigenen Lebenssituation verloren zu haben und für diesen Zustand selbst verantwortlich zu sein.“
Der Begriff wurde von den US-amerikanischen Psychologen Martin E. P. Seligman und Steven F. Maier geprägt. „Die Jungend achtet das Altern nicht mehr, zeigt bewusst ein ungepflegtes Aussehen, sinnt auf Umsturz, zeigt keine Lernbereitschaft und ist ablehnend gegen übernommene Werte.“ Das Zitat stammt von einer Tontafel der Sumerer und wurde etwa 3.000 vor Christus geschrieben. Die Sorge um die Jugend ist offenbar nicht ganz neu. Andreas Salcher stellt fest: „Auch wenn man aus den beschriebenen Grünen nicht ganze Generationen etikettieren sollte, herrscht heute tatsächlich oft Verständnislosigkeit zwischen den digital affinen Jungen und den Älteren.“ Quelle: „Die große Erschöpfung“ von Andreas Salcher
Von Hans Klumbies
