Die Überforderung der Europäischen Union ist nicht zu übersehen

Die Finanz- und Staatsschuldenkrise, die der Europäischen Union (EU) noch immer sehr zusetzt, ist für Hans Hugo Klein nur ein Symptom der eigentlichen Krise Europas. Diese ist seiner Meinung nach eine Krise des Vertrauens in die Autorität des Rechts, eine Krise der Demokratie, letztlich eine Sinnkrise. Laut dem Juristen und Politiker Walter Hallstein ist die EU in ihrem Wesen nach eine Rechtsgemeinschaft. Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck erklärt: „Sie wird getragen von der Idee, dass Regeln eingehalten und Regelbrüche geahndet werden.“ Die mangelnde Treue bei Verträgen trifft die EU damit fundamental in ihren Grundsätzen. So wurde zum Beispiel bei der Aufnahme einiger Staaten wie Belgien, Italien und Griechenland in die Eurozone die Kriterien dieses Prozedere nicht beachtet, der verantwortungslosen Haushaltspolitik nicht weniger Staaten wurde tatenlos zugeschaut. Professor Dr. Hans Hugo Klein lehrte Öffentliches Recht in Göttingen, war CDU-Bundesabgeordneter und Richter des Bundesverfassungsgerichts.

Die Europäische Union verwandelt sich in eine Haftungsgemeinschaft

Die Europäische Union ist laut Hans Hugo Klein auf dem Weg zu einer Haftungsgemeinschaft. Die Krisenstaaten Südeuropas fordern Solidarität, wobei sie allerdings keine erkennbare Bereitschaft zeigen, ihre Finanzen zügig in Ordnung zu bringen. Hans Hugo Klein macht auf einen weiteren Rechtsbruch in der EU aufmerksam: „Das an die Adresse der Europäischen Zentralbank (EZB) gerichtete Verbot der Kreditvergabe an die Mitgliedsstaaten wird durch den Ankauf von Anleihen überschuldeter Staaten am Markt umgangen, der Charakter der Währungsunion als Stabilitätsgemeinschaft durch die politische Instrumentalisierung der EZB im Kern aufgegeben.“

Hans Hugo Klein vertritt die These, dass die europäische Krise eine Gefahr für die Demokratie darstellt, weil die EU mit Aufgaben und Zuständigkeiten in einer die Tragfähigkeit ihrer demokratischen Legitimität überfordernder Weise überfrachtet ist. Hans Hugo Klein fügt hinzu: „Zunehmend empfinden die Unionsbürger die Hoheitsgewalt der Union nicht als eine von ihnen selbst, sondern als eine fremdbestimmte.“ Die politische Herrschaft bedarf jedoch innerhalb einer Demokratie nicht nur der Verlässlichkeit des Rechts, sondern auch einer Akzeptanz, die von einem grundsätzlichen Vertrauen getragen wird.

Ein Scheitern der Europäischen Union wäre eine weltpolitische Katastrophe

Vorausgesetzt wird dabei ein gewisses Maß an Transparenz der Prozesse politischer Entscheidungen voraus. Diese ist jedoch für Hans Hugo Klein in der weitgehenden Ermangelung einer europäischen Öffentlichkeit unterentwickelt. Außerdem werden politische Entscheidungen auf europäischer Ebene in undurchsichtigen exekutiven Netzwerken verhandelt und beschlossen. Hans Hugo Klein ergänzt: „So ist die Krise der Union auch eine Legitimitätskrise ihres politischen Entscheidungssystems.“

Dennoch stellt Hans Hugo Klein klar, dass das vereinte Europa schon aus historischen Gründen die epochale politische Errungenschaft des 20. Jahrhunderts darstellt. Alle ursprünglichen und gegenwärtigen Mitgliedsstaaten haben seiner Meinung nach aus der Überwindung der Teilung des europäischen Kontinents – politisch und wirtschaftlich – unschätzbare Vorteile gezogen. Deshalb wäre für Hans Hugo Klein ein Scheitern der Europäischen Union eine politische Katastrophe weltgeschichtlichen Ausmaßes.

Von Hans Klumbies