Staaten dürfen nur in Ausnahmefällen Schulden machen

Der tschechische Wirtschaftswissenschaftler Tomáš Sedláček ist Chefökonom der größten Bank in Tschechien, der CSOB, und untersucht in seinen Büchern wie dem Bestseller „Die Ökonomie von Gut und Böse“ nach Antworten für die heutige Weltwirtschaftskrise. Dass Griechenland ganz nahe am Abgrund steht sollte seiner Meinung nach eine Warnung für die anderen Länder sein. Er erklärt: „Wenn ihr weiter solche Schulden anhäuft, endet ihr wie Griechenland. Deutschland etwa kann vielleicht noch zehn, zwanzig Jahre mit einem Budgetdefizit leben.“ Irgendwann wird es laut Tomáš Sedláček in der Bundesrepublik ähnliche Probleme wie im heutigen Griechenland geben, wenn mit der maßlosen Verschuldung nicht Schluss gemacht wird.

Staatsschulden ermöglichen nur ein geliehenes Wachstum

Die Regierungen bräuchten laut Tomáš Sedláček weder Ratingagenturen noch Banken, wenn sie nicht so hohe Schulden hätten, die für die Beschränkung der Freiheit verantwortlich sind. Der tschechische Ökonom gibt allerdings zu, dass Staaten in Ausnahmefällen Schulden machen dürfen, aber nur in begrenztem Maß. Tomáš Sedláček sagt: „Im Moment praktizieren wir eine Art Bastard-Keynesianismus: Wir verschulden uns im Sinne Keynes`, vergessen aber seine Maßgabe, in guten Jahren Reserven anzulegen.“ Selbst in den sieben guten Jahren zwischen 2001 und 2008 haben die meisten Länder neue Schulden angehäuft.

Für Tomáš Sedláček sind Staatsschulden vor allem deswegen so gefährlich, weil sie zwar Wachstum ermöglichen, das aber nur geliehen ist. Die Staaten stehlen Reserven aus der Zukunft. Tomáš Sedláček sieht nicht nur in der enormen Verschuldung einen Grund für die Finanzkrise, sondern auch an einem Weltbild, in dem das Paradies immer nur in der Zukunft existiert. Er erklärt: „Und der Weg dahin führt über Wachstum. Deshalb ist Wachstum für uns so wichtig und die Krise so etwas wie eine religiöse Enttäuschung.“ Allerdings glaubt Tomáš Sedláček nicht daran, dass der Kapitalismus sich generell in einer Krise befindet, sondern nur der Kapitalismus des Wachstums.

Auch in einer Gesellschaft ohne Wachstum ist ein gutes Leben möglich

Tomáš Sedláček hält überhaupt nicht von der These, dass ohne Wachstum keine neuen Jobs entstehen würden. Er behauptet: „Eine Gesellschaft kann wenig Arbeitslose haben, selbst wenn die Wirtschaft nicht wächst.“ Auch in einer Wirtschaft ohne oder geringem Wachstum ist seiner Meinung nach ein gutes Leben möglich. Die Menschen müssten nur die Effizienzgewinne nicht in materiellen Wohlstand investieren, sondern in Arbeitspausen, in die Umwelt oder die eigene Bildung.

Laut Tomáš Sedláček sollen Technologien den Menschen nicht nur die Arbeit erleichtern, sondern auch Zeit sparen. Seiner Meinung nach würde es vollkommen ausreichen, nur noch ein bis zwei Tage in der Woche zu arbeiten, wenn die Menschen mit dem Wohlstand zufrieden wären, wie er vor 20 Jahren geherrscht hat. Tomáš Sedláček sagt zwar nicht, dass dies die beste Lösung wäre, aber die Wirtschaft sollte dem Menschen dienen und nicht umgekehrt. Er sagt: „Nicht umsonst leisten sich ärmere Länder oft mehr Muße. Wir Reichen dagegen fürchten den Zusammenbruch, wenn wir nicht jedes Jahr reicher werden.“

Von Hans Klumbies