Der Kapitalismus kann auch ohne Wachstum überleben

Laut Tim Jackson gibt es Ökonomen, für die Wachstum und Kapitalismus wie eineiige Zwillinge zusammengehören. Wachstum ist für sie die Arbeitsgrundlage des Kapitalismus oder die notwendige Voraussetzung für eine kapitalistische Wirtschaft. Deshalb gilt die Vorstellung, ohne Wachstum auskommen zu wollen, bei diesen Wirtschaftswissenschaftlern als gleichbedeutend mit der Abschaffung des Kapitalismus. Tim Jackson ist fest davon überzeugt, dass diese Annahme grundlegend nicht zutrifft. Seiner Meinung nach verhalten sich nicht alle Varianten des Kapitalismus hinsichtlich des Wachstums gleich. Er schreibt: „Der Punkt ist aber, dass es kapitalistische Volkswirtschaften gibt und geben kann, die nicht wachsen. Ebenso gibt es nichtkapitalistische Volkswirtschaften, die wachsen.“ Tim Jackson ist Professor für Nachhaltige Entwicklung am Zentrum für Umweltstrategien der Universität Surrey.

 Drei Merkmale können das Wirtschaftswachstum verlangsamen

Laut Tim Jackson gibt es drei Merkmale bei einem neuen Wirtschaftsmodell, die tendenziell das Wachstum verlangsamen. Er schreibt: „Das erste sind die ökologischen Grenzen. Natürlich kommt es darauf an, wie streng diese Grenzen gezogen werden. Nimmt man diese Bedingung aber ernst, dann könnte die Auswirkung auf das Wachstum erheblich sein.“ Die zweite Kraft, die das Wachstum in seinem neuen Wirtschaftsmodell nach unten drückt, erwächst für Tim Jackson aus dem Übergang zu speziellen Formen der Dienstleistungen.

Die diesen Sektoren eigene Arbeitsintensität legt seiner Meinung nach nahe, dass sich frühere Wachstumsraten für die Produktivität nicht halten lassen und dadurch das Potential der Wirtschaft zu wachsen, erheblich beschnitten wird. Tim Jackson nennt noch einen Grund für eine Entschleunigung der Ökonomie: „Schließlich würde sich das Wirtschaftswachstum verlangsamen, wenn wesentliche Ressourcen in ökologische Investitionen flössen.  

Ökologische und ökonomische Stabilität sind wertvoller als reines Wachstum

Zu beachten ist dabei laut Tim Jackson, dass die niedrigere Arbeitsproduktivität und der Anstieg ökologischer Investitionen durch strukturelle Veränderungen in der Wirtschaft erfolgen, während die ökologischen Grenzen  der Wirtschaft von außen auferlegt werden. Auch eine Verringerung der Gesamtarbeitszeit würde gemäß Tim Jackson die Wirtschaftsleistung reduzieren. Er schreibt: „Dies würde auch das Gleichgewicht zwischen Arbeit und Leben verbessern. Soll dies aber nicht zu Arbeitslosigkeit führen, würde das bedeuten, die verbleibende Arbeit müsste durch Arbeitszeit- und Beschäftigungsregeln verteilt werden.“

Tim Jackson nennt noch einmal die drei wichtigsten makroökonomischen Eingriffe in seinem neuen Wirtschaftsmodell, durch die ökologische und ökonomische Stabilität erzeugt werden soll. Dazu zählen: „Struktureller Übergang zu Dienstleistungen, Investitionen in ökologisches Vermögen und Arbeitszeitpolitik als stabilisierendes Instrument.“ Grundsätzlich könnte es laut Tim Jackson durchaus dazu kommen, dass sein neues Wirtschaftsmodell weniger kapitalistisch ausfallen wird, als es in Volkswirtschaften der Fall ist, die der reinen Lehre des Kapitalismus anhängen.

Von Hans Klumbies