Im Jahr 1815, nach den Napoleonischen Kriegen und am Ende des Wiener Kongresses am 9. Juni, war Großbritannien zur Führungsmacht in der Welt aufgestiegen. Das britische Imperium reichte von Australien über Teile des heutigen Malaysia, Indien, dem Kap der Guten Hoffnung und Sierra Leone an der Westküste Afrikas bis nach Kanada. Thomas Seifert ergänzt: „Das britische Pfund war die globale Leitwährung, London der wichtigste Finanzplatz der Welt. In den 1870er Jahren überholten die Vereinigten Staaten Großbritannien wirtschaftlich, aber erst nach dem Ersten Weltkrieg übernahmen die USA die Führung der westlichen Welt.“ Nachdem der Zweite Weltkrieg Europa, Japan und weite Teile von China und Asien verwüstet hatte, war Japan geschlagen, Deutschland zerstört, Frankreich und Großbritannien erschöpft, und Osteuropa in den Einflussbereich der Sowjetunion geraten. Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur und Leiter der Außenpolitik bei der Wiener Zeitung.
Der Dollar wird zur Reservewährung der Welt
Die USA waren der dominierende Akteur bei der Neuordnung der Welt. In Bretton Woods wurde die Weltwirtschaft neu gestaltet, die Vereinten Nationen sollten das zentrale Forum der Weltpolitik werden. Der Dollar war ab diesem Zeitpunkt die Reservewährung der Welt. Von französischen Präsidenten wurde dieses Privileg wiederholt kritisiert. Denn wenn alle Welt Dollars halten muss, dann ist das wie ein zinsenfreier Kredit für die USA. In den Jahren von 1945 bis 1989 war das Weltfinanzsystem fragmentiert, Länder wie China und andere Schwellenländer waren nicht voll in das Finanzsystem eingebunden.
Das Jahr 1979 war in China das Datum der liberalen Wende. Der Wirtschaftsreformer Deng Xiaoping wurde damals zum neuen Machthaber bestimmt und beendete die selbstgewählte Isolation des Landes und legte damit den Grundstein für die wirtschaftliche Macht Chinas in der Gegenwart. Das Jahr 1989 bleibt als Zeitraum der Revolutionen und Umbrüche in Erinnerung. In Berlin fiel die Mauer, die Zäune zwischen Ost und West wurden durchtrennt. Der Osten konnte sich aus der Umklammerung der Sowjetunion lösen – es war die kurze Ära der Freiheit.
Russland erklärt 1998 den Staatsbankrott
Thomas Seifert schreibt: „Nach dem Mauerfall 1989 oder spätestens mit dem Ende des ersten Irakkriegs begann das unbeschwerte Zeitalter des Optimismus und für die USA die Jahre der unumschränkten Hypermacht. Die Sowjetunion – der Erzfeind des Westens – war 1991 kollabiert, im selben Jahr gliederte sich Indien in den globalen Markt ein.“ Das Zauberwort dieser Jahre lautete Globalisierung. Und selbst das Schlachten am Balkan konnte den Integrationsprozess in Europa, der in diesen Jahren mit Volldampf lief, nicht aufhalten.
Erste Risse im Wirtschaftssystem waren aber damals schon spürbar: Der Börsencrash vom 19. Oktober 1987 war der erste Börsenkrach nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Dow Jones fiel an diesem Montag um 22,6 Prozent. Danach folgten die Finanzkrisen mit immer rascherer Regelmäßigkeit. Zuerst platzte 1992 die japanische Immobilienblase, dann schlitterte 1994 Mexiko in eine schwere Wirtschaftskrise, dann Asien 1997/98, und schließlich erklärte Russland 1998 den Staatsbankrott. Der Kollaps des Hedgefonds Long-Term Capital Management (LTCM) 1998 hätte beinahe die Weltwirtschaft mit in den Abgrund gerissen. Quelle: „Die pazifische Epoche“ von Thomas Seifert
Von Hans Klumbies