Thomas Rietzschel vertritt in seinem neuen Buch „Die Geschäfte des politischen Kartells“ die provokative These, dass die Demokratie zum Kuhhandel verkomme. Die Parteien haben seiner Meinung nach das demokratische System ausgehöhlt und die Bürger ihre politischen Rechte gegen haltlose Wahlversprechungen eingetauscht. Thomas Rietzschel schreibt: „Abgehoben agiert eine politische Kaste, der es nur mehr um den Selbsterhalt geht. Keiner braucht dafür mehr Verantwortung zu übernehmen. Das Volk darf nur noch zuschauen und für den eventuellen Schaden aufkommen, den ahnungslose Politiker verursacht haben. Munter wird mit der Demokratie im freien Europa Schindluder getrieben. Viele Bürger beschleicht inzwischen die ungute Ahnung, sie könnten womöglich als Untertanen missbraucht werden. Dr. phil. Thomas Rietzschel war eineinhalb Jahrzehnte Kulturkorrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und lebt heute als freier Autor in der Nähe von Frankfurt.
Manche Wahlgeschenke sind nichts anderes als dreister Betrug
Im Jahr 2012 stimmte die Hälfte von 1.000 Befragten der Behauptung zu, dass in Deutschland eigentlich keine echte Demokratie herrsche. Ganze acht Prozent wollen den Parteivorständen eine besondere Kompetenz zuerkennen. Das politische Geschäft ist für viele Menschen nur noch ein ganz großer Schwindel. Der politische Betrug hat die Anrüchigkeit verloren. Schlimmstenfalls wird er als Kavaliersdelikt angesehen und bestenfalls als taktische Finesse respektiert. Die politischen Verhältnisse sind einfach verlottert.
Um das Volk bei Wahlen zu bestechen, werden Wahlgeschenke in Aussicht gestellt, die für Thomas Rietzschel das reiste Bubenstück sind, wenn nicht sogar dreister Betrug. Thomas Rietzschel erläutert: „Denn alles, was man da zur Verlockung der Bürger aufbietet, muss den Beschenkten als Steuerzahlern wieder abgeknüpft werden, wenn es ihnen nicht schon vorher abgenommen wurde.“ Viele Bürger lassen sich von den Versprechungen einer politischen Kaste ködern, die schon jetzt das Vermögen der kommenden Generationen verschleudert.
Im Bereich Bildung und Freiheit kann der Westen der Welt etwas vormachen
Die Politiker unserer Tage haben sich in ihrer Macht verschanzt und mit dem, was sie im Kampf ihrer Parteien um die Macht verschleudern, das Maß des Erträglichen längst überschritten. Thomas Rietzschel erklärt: „Milliarden versinken im Strudel des politischen Aktionismus, in Baugruben, mit deren schierer Größe sich die öffentlichen Bauherren gegenseitig zu übertrumpfen versuchen, oder in Reformen, die nur angestrengt werden, um dem politischen Dasein Sinn zu verleihen.“ Gar nicht zu reden von den Kosten, die die Verwirklichung der europäischen Großmachtträume verursacht.
Für Thomas Rietzschel ist die Bewahrung der freiheitlichen Ordnung das Einzige, was dem Westen weltpolitische Bedeutung in der Zukunft sichern kann. Sobald sie im Lebensstandard aufgeschlossen haben, selbst im Wohlstand leben, werden sich die anderen Nationen daran orientieren wollen. Viele Länder tun das schon heute. Thomas Rietzschel betont: „Wer materiell ausgesorgt hat, den verlangt es nach mehr, nach Bildung und Freiheit. Da könnten wir der Welt etwas vormachen, dieser Wettbewerb lohnte jede Anstrengung.“
Geplünderte Demokratie
Die Geschäfte des politischen Kartells
Thomas Rietzschel
Verlag: Zsolnay
Gebundene Ausgabe: 189 Seiten, Auflage: 2014
ISBN: 978-3-552-05675-6, 16,90 Euro
Von Hans Klumbies