Die Tatsache, dass Sex sehr lustvoll sein kann, ist ein überzeugender Hinweis darauf, dass er biologisch nützlich ist. Thomas Junker erklärt: „Denn wenn wir etwas als angenehm empfinden oder wenn das Gegenteil der Fall ist, dann ist dies ein sehr präzises Abbild dessen, was sich in vielen Millionen Jahren der Evolution als vorteilhaft bzw. als schädlich erwiesen hat.“ Da die Fortpflanzung zu den biologisch wichtigsten Verhaltensweisen gehört, ist schon von daher zu erwarten, dass Sex mit positiven Gefühlen belohnt wird – ähnlich wie man es genießt zu essen oder zu schlafen, weil man nur so überleben kann. Das erklärt aber noch nicht, warum die Lust beim Sex so besonders groß ist und warum ein Mensch bei Liebeskummer so verzweifelt sein kann. Thomas Junker ist Professor für Biologiegeschichte an der Universität Tübingen.
Sex ohne Anstrengung ist kaum möglich
Die Stärke der mit dem Sex und der Liebe verbundenen Emotionen lassen für Thomas Junker nur einen Schluss zu: „Es muss sich um etwas biologisch ausgesprochen Wichtiges handeln, das zugleich mit Anstrengungen und Gefahren verbunden ist.“ Letzteres ist tatsächlich oft der Fall. Bei vielen Tierarten kommt es nur zum Sex, nachdem die Männchen in einem Kampf auf Leben und Tod erfolgreich waren. Auch beim Menschen endet sexuelle Rivalität nicht selten tödlich. Ähnlich erbittert können die Rivalitäten von Frauen ausfallen.
Der Sex mit einem begehrten Partner muss nicht immer mit Gefahren verbunden sein, aber ohne Anstrengung geht es kaum. Hat man es ins Bett geschafft, ist das noch lange keine Garantie auf die besondere Lustprämie, den Orgasmus. Diese gibt es nur, wenn die Situation richtig und der Partner geeignet ist. Andernfalls bleibt es nur bei einer Enttäuschung. Starke Emotionen, wie sie beim Sex entstehen, werden fast immer von entsprechenden Lautäußerungen begleitet. Treten die Laute beim Sex mehr oder weniger automatisch auf, werden sie unvermeidlich zum Signal.
Viele Menschen sind beim Sex laut
Thomas Junker erläutert: „Adressat ist zunächst der Sexualpartner, der aus der Art und Stärke auf den Erregungszustand und die empfundene Lust schließen kann.“ Sowohl Männer als auch Frauen legen großen Wert darauf, beim Gegenüber die richtigen Gefühle zu erzeugen. Und Lautäußerungen sind eine Möglichkeit zu überprüfen, wie gut das gelingt. Insofern haben die deutlich hörbaren Anzeichen des sexuellen Höhepunkts eine wichtige kommunikative Funktion. Allgemein gilt: Sobald Menschen sich ihren Gefühlen hingeben, werden sie fast zwangsläufig laut.
Und da der sexuellen Höhepunkt zu den intensivsten Emotionen überhaupt gehört, ist zu erwarten, dass die Geräusche entsprechend deutlich ausfallen. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass Menschen beim Sex laut sind, sondern es ist eher erklärungsbedürftig, warum sie oft auch leise sind. Die Tatsache, dass viele Paare beim Sex eher leise und unauffällig sind, passt dazu, dass sie sich dabei ins Private zurückziehen, um nicht gestört zu werden. Hinzu kommt, dass Gefühlsausbrüche schon in der Kindheit durch die Erziehung unterdrückt werden. Quelle: „Die verborgene Natur der Liebe“ von Thomas Junker
Von Hans Klumbies