Thomas Damberger skizziert Platons Höhlengleichnis

Platon, der im 4. Jahrhundert vor Christus lebte, hat im 7. Buch seines wohl bekanntesten Werkes, der „Politeia“, das Höhlengleichnis festgehalten. Thomas Damberger skizziert es kurz: „Die Ausgangssituation ist folgende: In der Höhle sitzt ein Mensch, an einen Stuhl gefesselt und mit dem Gesicht zur Wand gerichtet. Der Höhlenbewohner sieht an der Wand Schatten und hält diese für das Eigentliche, das Wahre.“ In einer solchen Lage hat der Gefesselte keine Chance zu erkennen, dass es sich bei den Schatten ja tatsächlich nur um Schatten von den eigentlichen Dingen handelt. Damit er zu einer solchen Erkenntnis gelangen kann, muss er bereit werden. Diese Befreiung ist übrigens eine Zwangsbefreiung, denn der Gefesselte erlebt sich ja nicht als gefesselt. Dr. Thomas Damberger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Erziehungswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Der Befreite erblickt die Idee

Der befreite Bewohner der Höhle wird nun dazu gebracht, sich umzudrehen, und er erkennt, dass sich hinter ihm ein Feuer und eine Mauer befinden sowie Menschen, die Gegenstände umhertragen. Es handelt sich dabei um die Dinge, von denen er zuvor nur die Schatten gesehen hat. Der Höhlenbewohner ist also zu einer höheren Stufe der Erkenntnis vorgedrungen. Damit aber noch nicht genug. Er wird aus der Höhle hinausgeführt und sieht dort zuerst die realen Dinge, später dann die Sonne, die Licht und Leben spendet.

Es kommt der Zeitpunkt, an dem der Befreite in der Lage ist, direkt ins Licht hineinzuschauen. Er erblickt also die Idee. Und nun kommt eine sehr merkwürdige Stelle. Thomas Damberger erklärt: „Man könnte ja nun annehmen, der Erkenntnis- beziehungsweise Bildungsweg sei mit dem Blick auf die Ideenwelt abgeschlossen. Für Platon ist das allerdings keineswegs der Fall. Im Gegenteil: Der Mensch muss zurück in die Höhle und den anderen von seinen Erkenntnissen berichten. Für die Rückkehr in die Höhle gibt es verschiedene Erklärungen.“

Der Mensch kann nicht ganz und gar vollkommen werden

Eine Erklärung besagt, dass eine Idee etwas ist, das praktisch werden muss und eben nicht bloß geschaut werden darf. Eine andere besagt, dass der Mensch ein soziales Wesen ist und ihn das Mitleid mit den vielen Unwissenden dazu treibt, diese aufzuklären. Eine dritte ist für die Überlegungen von Thomas Damberger von besonderem Interesse und schließ an Platons Anthropologie (also Platons Lehre vom Menschen) an. Der menschliche Körper ist dieser Lehre nach die Höhle, und der Höhlenbewohner steht für die Seele.

Damit ist der Mensch – solange er lebt – beides: ein körperliches Wesen mit einer unsterblichen Seele. Weil nun der Mensch beides ist, kann er nicht in der reinen Anschauung der Idee verharren. Es zieht ihn zwar zur Idee, aber er kann nicht eins mit der Idee werden, sondern bleibt von der völligen Identität mit der Idee zeitlebens getrennt. Platon zeigt in diesem 2400 Jahre alten Gleichnis, das der Mensch über Bildung eine höhere Stufe der Erkenntnis erreicht und hin zur Vollkommenheit (hin zur Idee) strebt – aber ganz und gar vollkommen werden, das kann er nicht. Quelle: „Neue Menschen!“ von Konrad Paul Liessmann (Hrsg.)

Von Hans Klumbies