Den Menschen ist ihre Unfreiheit in der Freizeit nicht bewusst

Das Wort Freizeit ist relativ jüngeren Ursprungs. Früher sagte man Muße, die ein Privileg unbeengten Lebens bezeichnete. Sie war laut Theodor W. Adorno deshalb auch dem Inhalt nach wohl etwas qualitativ anderes, etwas Glückvolleres. Der Begriff Freizeit dagegen weist auf eine spezifische Differenz hin, auf die von der nicht freien Zeit, die von Arbeit ausgefüllt ist, und zwar, fügt Theodor W. Adorno hinzu, der fremdbestimmten. Freizeit ist also an den Gegensatz von Arbeit gekettet. Dieser Gegensatz prägt ihr selbst ganz wesentliche Züge ein. Ganz prinzipiell darüber hinaus hängt die Freizeit auch sehr vom gesellschaftlichen Gesamtzustand ab. Theodor W. Adorno, geboren am 11. September 1903 in Frankfurt am Main, gestorben am 6. August 1969, lehrte in Frankfurt als ordentlicher Professor für Philosophie und Direktor des Instituts für Sozialforschung an der Johann Wolfgang Goethe-Universität.

Selbst in der Freizeit ist der Wille der meisten Menschen fremdbestimmt

Die gesellschaftlichen Umstände sind es, die den Menschen unter ihrem Bann halten. Weder in ihrer Arbeit noch in ihrem Bewusstsein verfügen die meisten Menschen frei über sich selbst. Schon der von der Soziologie vom Theater entlehnte Rollenbegriff ist für Theodor W. Adorno ein Beleg dafür, dass die den Menschen von der Gesellschaft aufgenötigte Existenz nicht identisch ist mit dem, was sie an sich sind oder was sie sein könnten. Theodor W. Adorno ergänzt: „Freilich wird man keine einfache Teilung zwischen den Menschen an sich und ihren sogenannten sozialen Rollen vornehmen dürfen.“

Die sozialen Rollen reichen in die Eigenschaften der Menschen selber, bis tief in ihre innere Zusammensetzung hinein. Im Zeitalter beispielloser sozialer Integration fällt es Theodor W. Adorno schwer, überhaupt auszumachen, was an den Menschen anders wäre als funktionsbestimmt. Selbst in der Freizeit, in der die Menschen wenigstens subjektiv davon überzeugt sind, nach ihrem eigenen Willen zu handeln, ist dieser Wille fremdbestimmt von eben dem, was sie in den Stunden ohne Arbeit loswerden wollen.

Die Freizeit entwickelt sich zu ihrer eigenen Parodie

Theodor W. Adorno stellt sich die Frage, was aus der Freizeit bei steigender Produktivität der Arbeit, aber unter fortdauernden Bedingungen der Unfreiheit wird, also unter Produktionsverhältnissen, in welche die Menschen hineingeboren werden und die ihnen heute wie damals die Regeln ihres Daseins vorschreiben. Theodor W. Adorno erläutert: „Suchte man die Frage ohne ideologische Beteuerungen zu beantworten, so ist unabweislich der Verdacht, Freizeit tendiere zum Gegenteil ihres eigentlichen Begriffs, werde zu dessen Parodie.“

In der Freizeit verlängert sich dann Unfreiheit, den meisten der unfreien Menschen so unbewusst wie ihre Unfreiheit selbst. Schon ist die Ironie im Ausdruck Freizeitgeschäft so gründlich vergessen, dennoch ist es nicht weniger wahr, dass spezifische Freizeitphänomene wie Tourismus, Sport Unterhaltung und vieles mehr um des Profit willens erdacht und organisiert werden. Zugleich ist dem Bewusstsein und Unbewusstsein der Menschen laut Theodor W. Adorno der Unterschied zwischen Arbeit und Freizeit als Norm eingebrannt worden.

Von Hans Klumbies