Theodor W. Adorno macht sich Gedanken über den Fortschritt

Theodor W. Adorno ist fest davon überzeugt, dass man den Begriff Fortschritt gar nicht grob genug verwenden kann. Denn Pedanterie in seinem Gebrauch betrügt seiner Meinung nach nur um das, was er verheißt, Antwort auf den Zweifel und die Hoffnung, dass es endlich besser werde, dass die Menschen einmal aufatmen dürfen. Theodor W. Adorno schreibt: „Schon darum lässt nicht genau sich sagen, was sie unter Fortschritt sich vorstellen sollen, weil es die Not des Zustandes ist, dass jeder diese fühlt, während das lösende Wort fehlt. Wahrheit haben nur solche Reflexionen über den Fortschritt, die in ihn sich versenken und doch Distanz halten, zurücktreten von lähmenden Fakten und Spezialbedeutungen.“ Theodor W. Adorno, geboren am 11. September 1903 in Frankfurt am Main, gestorben am 6. August 1969, lehrte in Frankfurt als ordentlicher Professor für Philosophie und Direktor des Instituts für Sozialforschung an der Johann Wolfgang Goethe-Universität.

Mangel und Unterdrückung unterscheiden sich nicht

Die Möglichkeit des Fortschritts sieht Theodor W. Adorno nur noch in der Abwendung des äußersten, totalen Unheils. Alles andere am Fortschritt müsste daran sich anschließen. Der physische Mangel, der lange dem Fortschritt zu spotten schien, ist seiner Meinung nach potentiell beseitigt. Nach dem Stand der technischen Produktivkräfte brauchte kein Mensch auf der Erde mehr zu darben. Theodor W. Adorno schreibt: „Ob weiter Mangel und Unterdrückung sei – beides ist eines –, darüber entscheidet einzig die Vermeidung der Katastrophe durch eine vernünftige Einrichtung der Gesamtgesellschaft als Menschheit.

Theodor W. Adorno zitiert Immanuel Kants Entwurf einer Fortschrittslehre, die an der Idee des Menschen festgemacht war. Der Bergriff von Geschichte, in dem Fortschritt seinen Ort hätte, ist empathisch. Die Angewiesenheit des Fortschritts auf die Gesamtsituation kehrt einen Stachel wider ihn. Bleibt die Menschheit eingefangen von der Totalität, die sich selbst bildet, so hat laut Franz Kafka ein Fortschritt noch gar nicht stattgefunden, während doch bloß Totalität erlaubt, ihn zu denken.

Den Fortschrittsbegriff prägen wachsende Fertigkeiten und Kenntnisse

Historisch war die Konzeption von Menschheit bereits vorhanden in der Theorie der mittleren Stoa vom Universalstaat, der zumindest objektiv auf Fortschritt hinauslief, wie fremd auch dessen Idee der vorchristlichen Antike auch sonst gewesen sein mag. Theodor W. Adorno schreibt: „Dass jenes stoische Theorem sogleich zur Begründung der imperialen Ansprüche Roms sich schickte, verrät etwas davon, was dem Fortschrittsbegriff durch seine Identifikation mit den anwachsenden Fertigkeiten und Kenntnissen widerfuhr.“

Das war der Prototyp der Vorstellung von Fortschritt bis zu Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Karl Marx. Die Idee des Fortschritts soll auch beim dualistischen Ansatz von Immanuel Kant, nach ihrem eigenen Prinzip, ihrer Natur fortschreiten. Theodor W. Adorno kritisiert: „In solcher Aufklärung aber, die überhaupt erst den Fortschritt zur Menschheit in deren Hände legt und damit seine Idee als zu verwirklichende konkretisiert, lauert die konformistische Bestätigung dessen, was bloß ist.“

Von Hans Klumbies