Der Glaube an das Individuum ist ein kulturell tief verankerter

Thea Dorn betont, dass der Glaube ans Individuum und seine unveräußerlichen Rechte eben kein universeller, sondern ein kulturell tief verankerter und damit spezieller Glaube ist. Er nahm seine ersten Anfänge in der griechischen Philosophie und Kunst, entwickelte sich durch das Christentum und das Römische Recht, durch die Renaissance und den Protestantismus weiter, bis er in der Neuzeit, durch die hellen Köpfe der Aufklärung und die freiheitsliebenden Revolutionäre in England, Frankreich und Amerika, zum leitenden Welt- und Rechtsbild des Westens wurde. Wenn man für dieses Bild in der restlichen Welt werben will, bleibt einem nichts anderes übrig, als Ausschau nach Kulturen zu halten, in denen sich der Glaube an das Individuum und seine unveräußerlichen Rechte zumindest in Ansätzen entdecken lässt. Thea Dorn studierte Philosophie und Theaterwissenschaften. Sie schrieb eine Reihe preisgekrönter Romane, Theaterstücke und Essays.

Der Freiheitskampf der Menschen wird von brutalen Regimes unterdrückt

Der mögliche Blick nach möglichen Verbündeten im Kampf um Menschenrechte, der die Menschen in weltpolitischen Fragen lenken sollte, muss mehr noch die Einwanderungspolitik in Deutschland bestimmen. Thea Dorn hält wenig davon, wenn Deutschland sich bei einwanderungspolitischen Entscheidungen in erster Linie an den Bedürfnissen der Wirtschaft auf der einen Seite und an der sozialen Bedürftigkeit von Migranten auf der anderen Seite orientiert.

Das oberste Interesse aller europäischen und sonstigen westlich verfassten Staaten müsste darin liegen, ein sicherer Hafen für die Menschen auf der Welt zu sein, die mit ihren Freiheitskämpfen in ihren Herkunftsländern – einstweilen zumindest – scheitern, weil es ihnen nicht gelingt, sich gegen die brutal vorgehenden Regimes und die autoritär-reaktionären Kräfte in ihren jeweiligen Gesellschaften , die alte Regimes stützen, durchzusetzen.

Die Moralisierung der politischen Sphäre ist gefährlich

Eine Denkerin der Gegenwart, die mit Nachdruck dafür plädiert, das liberale Heil nicht im voreiligen Konsens zu suchen, ist die belgische Politikwissenschaftlerin Chantal Mouffe. In ihrem Buch „Über das Politische. Wider die kosmopolitische Illusion“ greift sie alle „postpolitischen Visionen“ an, die das wahrhaft Demokratische in der Überwindung von Antagonismen sehen. Das für Chantal Mouffes Denken zentrale Begriffspaar „antagonistische“ versus „agonistisch“ bedarf der Erklärung. Als „antagonistisch“ definiert die Politologin die Begegnung von Feinden, die letztlich darauf abzielt, den anderen zu vernichten.

Als „agonistisch“ hingegen bezeichnet sie die Auseinandersetzung zwischen politischen Gegnern, die, ganz gleich, wie heftig sie einander bekämpft haben, sich am Ende dennoch, wie Sportler nach einem Match, die Hände schütteln und dem Rückspiel entgegenfiebern. Die aktuelle Moralisierung der politischen Sphäre hält Chantal Mouffe aus zwei Gründen für gefährlich. Der erste lautet: „Wenn nun die Wir-Sie-Konfrontation zwischen Gut und Böse statt politisch zwischen „Gegnern“ formuliert wird, dann kann der Gegenspieler nur als zu vernichtender Feind wahrgenommen werden. Der zweite Grund lautet: „Um Leidenschaften für demokratische Entwürfe mobilisieren zu können, muss demokratische Politik einen parteilichen Charakter haben.“ Quelle: „deutsch, nicht dumpf“ von Thea Dorn

Von Hans Klumbies