Eine Gewohnheit birgt sowohl Werte als auch Gefahren

Lebensgewohnheiten bilden ein Muster und sind voneinander abhängig. Die Arbeitsgewohnheiten hängen beispielsweise mit den Verpflegungsgewohnheiten und den Transportgewohnheiten zusammen. Die letztgenannten wiederum mit den Lesegewohnheiten, die ihrerseits wieder mit den Gesprächsgewohnheiten usw. zusammenhängen. Man könnte das Leben auch als ein Dominospiel bezeichnen. Clemens Sedmak nennt den Grund dafür: „Du baust dein Leben mit vielen Dominosteinen auf, und wenn ein Stein umfällt, gerät vieles in Bewegung. Wenn du viele Termine hast und zum ersten Termin zu spät kommst, wird sich die Verspätung den ganzen Tag hindurch fortsetzen.“ Das ist ein Dominoeffekt. Man kann auch aktiv versuchen, diesen Dominoeffekt auszulösen. Der deutsche Hirnforscher Wolf Singer berichtet in einem Interview, dass eine zehntägige Zen-Übungsperiode einige Veränderungen in seinem Leben herbeiführte. Der österreichische Philosoph Clemens Sedmak hat unter anderem eine Professur am Londoner King´s College inne.

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Das Kartell der Rohstoffhändler macht gigantische Gewinne

Der Zugang zu Rohstoffen ist für die Weltwirtschaft von zentraler Bedeutung. Schon heute machen die Rohstoffe nach Gewicht rund zwei Drittel des Welthandels aus. Umso bedrohlicher ist für Gerhard Schick die Konzentration wirtschaftlicher Macht in diesem sensiblen Bereich. Fast jeder kennt das Kartell der Ölproduzenten – es heißt OPEC und ist staatlich organisiert. Damit sichern sich die Exportländer gewaltige Gewinne. Doch nicht nur beim Öl, sondern auch bei anderen Rohstoffen lassen sich kartellartige Strukturen beobachten. Hier sind es in der Regel private Firmen, die den Markt unter sich aufteilen. Als Beispiel nennt Gerhard Schick das Eisenerz, den Rohstoff für Stahl: Hier wird der Markt von drei Firmen dominiert, den multinationalen Bergbaugesellschaften Vale, Rio Tinto und BHP Billiton. Diese drei Konzerne kontrollieren 57 Prozent des weltweiten Handels. Der grüne Politiker Gerhard Schick zählt zu den versiertesten Ökonomen im Deutschen Bundestag.

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Technische Revolutionen können die Menschheit retten

Die meisten Menschen haben vage Ahnungen von der Zukunft und doch besteht immer die Möglichkeit, dass ein schreckliches Ereignis alles hinwegfegt. Schon in den 1980er Jahren erkannte Shoshana Zuboff, dass die Einführung der Computer in Unternehmen dazu führen würde, dass die Hierarchien flacher werden. Daniel Goleman ergänzt: „Während Wissen früher Macht war und die Mächtigsten ihre Informationen horteten, eröffneten die neuen technischen Systeme für jedermann den Zugang zu den Daten. In der Gegenwart und sicherlich auch in der Zukunft fließen die Informationen immer freizügiger, und das nicht nur innerhalb einer Organisation, sondern auf der ganzen Welt. Das Zeitalter des Anthropozän, das mit der industriellen Revolution begann, ist die erste geologische Epoche, in der die Tätigkeit einer Spezies – der Menschen – unausweichlich die wenigen globalen Systeme zerrüttet, die das Leben auf der Erde ermöglichen.

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Immanuel Kant ist am revolutionärsten in seiner Ethik

Immanuel Kant, der von 1724 bis 1804 lebte, publizierte sein erstes epochales philosophisches Werk, die „Kritik der reinen Vernunft“, 1781 im Alter von 57 Jahren. Um seine Ideen auszuarbeiten, brauchte Immanuel Kant also viel Zeit. Er nahm sich die Zeit, die er brauchte, um seine Philosophie neu zu strukturieren und zu begründen. Vorher hatte er nur seine „Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und der Moral“, 1764 veröffentlicht, einen zweiten Preis der Berliner Akademie der Wissenschaften erhalten. Vittorio Hösle empfiehlt dem Anfänger in der Philosophie dringend das Studium der Schriften Immanuel Kants, zudem diese nicht nur den Scharfsinn schulen, sondern zudem jenen sittlichen Ernst vermitteln, ohne den Philosophie selten mehr ist als das Lösen von Puzzles. Vittorio Hösle ist Paul Kimball Professor of Arts and Letters an der University of Notre Dame (USA).

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Die Menschen lernen in erster Linie von ihren Vorbildern

Das Wissen und Können eines Menschen beruht auf der Dichte der Verschaltungen seiner neuronalen Netzwerke, da jeder Lernprozess eine Vielzahl neuer Verknüpfungen schafft, die durch Übung verfestigt werden. Rotraud A. Perner nennt als Beispiele das Erlernen der Muttersprache, oder von Fremdsprachen, Musikinstrumenten, Sportarten, aber auch für das sich aneignen der sozialen Handlungsmuster. Und die Menschen lernen in erster Linie von ihren Vorbildern, wobei Rotraud A. Perner die medialen ausdrücklich dazuzählt. In seiner phallischen Phase fragt das Kind nach den Geschlechtsunterschieden, nach körperlichen Verschiedenheiten, die ihm zu dieser Zeit auffallen. Rotraud A. Perner ist Juristin, Psychotherapeutin, Psychoanalytikerin und absolvierte postgraduale Studien in Soziologie und evangelischer Theologie. Ihr aktuelles Buch heißt  „Die reuelose Gesellschaft“ und ist im Residenz Verlag erschienen.

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Viele Menschen können zu einem richtig guten Leben kommen

In seinem neuen Buch „Warum nicht. Über die Möglichkeit des Unmöglichen“ stellt Uwe Böschemeyer folgende These auf: „In jedem von uns steckt so viel wartendes Leben, das darauf drängt, endlich leben zu dürfen!“ Für eine wahrhafte, sinnerfüllte und selbstbestimmte Existenz gibt es seiner Meinung nach zwei Voraussetzungen. Erstens müssen die Menschen begreifen, dass sie nicht auf Hilfe von außen warten dürfen, wenn sie ihr Leben verändern wollen. Und zweitens müssen sie erkennen, dass ihr Dasein nur von begrenzter Dauer ist. Uwe Böschemeyer gründete 1982 das Hamburger Institut für Existenzanalyse und Logotherapie. Er ist außerdem Direktor der Europäischen Akademie für Wertorientierte Persönlichkeitsentwicklung und Autor zahlreicher Bücher wie zum Beispiel „Du bist viel mehr“ und „Machen Sie sich bitte frei“, die im Ecowin Verlag erschienen sind.

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Friedrich Wilhelm Joseph Schelling ist der Philosoph der Natur

Vittorio Hösle sagt über Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775 – 1854), dass man seine Eigenart am treffendsten damit bezeichnet, dass dieser die vielleicht produktivste Phase seines Denkens bereits im Alter von 25 Jahren beendet hatte. Sein letztes wichtiges Buch veröffentlichte er mit 34. Doch noch bis zu seinem Tod hielt er bedeutende Vorlesungen. Dabei erkennt man immer mehr Kontinuitäten in seiner Entwicklung, auch wenn die sprunghafte Veränderung seiner Interessen und der Wandel seiner Positionen, von einem jugendlichen Pantheismus zu einer Form des Christentums, die der traditionellen Christologie eher entgegenkommt, unübersehbar ist. Vittorio Hösle erklärt: „Der Mythos faszinierte schon den Teenager, und die Spätphilosophie will die frühen Systementwürfe nur ergänzen, nicht ersetzen, Freiheit bleibt das Leben lang ein Hauptthema.“ Vittorio Hösle ist Paul Kimball Professor of Arts and Letters an der University of Notre Dame (USA).

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Wolfgang Kersting ist von der Marktwirtschaft begeistert

Für Wolfgang Kersting ist die Marktwirtschaft nicht nur das effizienteste System der Verwertung von Ressourcen und Versorgung mit Gütern, sondern auch eine Werte verwirklichende und eine moralische Ordnung. Der Markt ist seiner Meinung nach eine Schule der Selbstverantwortung und planenden Rationalität, der Anpassungsfähigkeit und der Erweiterung des Selbst. Er verlangt zudem eine stete Bereitschaft zum Umlernen und zur Weiterbildung, er fordert Offenheit für das Neue, prämiert aber auf der anderen Seite auch Zuverlässigkeit und Berechenbarkeit. Wolfgang Kersting erklärt: „Er fördert somit die Entwicklung fundamentaler menschlicher ethischer Einstellungen und kognitiver Kapazitäten.“ Wolfgang Kersting, emeritierter Professor für Philosophie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat sich vor allem mit den Themen Sozialstaat, Gerechtigkeit und Gesellschaftsordnung beschäftigt. Er veröffentlichte Bücher über Platon, Machiavelli, Thomas Hobbes, John Rawls sowie über Immanuel Kants Rechts- und Staatsphilosophie.

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Das Innenleben spiegelt sich in der Gestaltung der Umwelt

Für Alexander Mitscherlich ist die Art und Weise, wie die Menschen ihre Umwelt gestalten, ein Ausdruck ihrer inneren Verfassung. Schon Jakob von Uexküll sagte: „Die Umweltlehre ist eine Art nach außen verlegter Seelenkunde.“ In der Verfassung von Bayern heißt es beispielsweise, dass der Genuss der Naturschönheiten und die Erholung in der freien Natur, insbesondere der Zugang zu Wäldern und Bergweiden, das Befahren der Gewässer sowie das Pflücken wildwachsender Waldfrüchte jedermann gestattet ist. Der Bevölkerung sind die Zugänge zu Bergen, Seen und Flüssen freizuhalten, im Falle eines Konflikts von Privat- und Allgemeininteresse sogar durch Einschränkung des Eigentumsrechts freizumachen. Doch die Wirklichkeit sieht ganz anders aus. An vielen bayerischen Seen haben Verbotsschilder die Vorherrschaft übernommen: „Privatweg“, „Anlegen verboten“, „Baden verboten“ oder „Achtung, bissiger Hund“.

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Institutionen verursachen den Unterschied zwischen Zivilisationen

Der Historiker Niall Ferguson vertritt die These, dass die modernen historischen Ereignisse weniger von den Kräften der Natur, wie dem Wetter, der Geografie oder dem Auftreten von Krankheiten, sondern vielmehr von Institutionen bestimmt werden. Das ist seine Antwort auf die Frage, warum sich die westliche Zivilisation in den streitsüchtigen Kleinstaaten Westeuropas und in deren kolonialen Niederlassungen in der Neuen Welt seit etwa 1500 so viel besser entwickelt hat als andere Zivilisationen. Niall Ferguson fügt hinzu: „Vom Beginn des 16. Jahrhunderts an bis zu den 1970er Jahren gab es eine erstaunliche Divergenz des globalen Lebensstandards: Die Menschen im Westen wurden wesentlich reicher als die übrige Menschheit.“ Niall Ferguson ist Professor für Neuere Geschichte an der Harvard University mit dem Schwerpunkt Finanz- und Wirtschaftsgeschichte sowie Senior Research Fellow an der Oxford University.

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Der Beruf hat seine Sicherheit und Schutzfunktion verloren

Die Bedeutung, die die Arbeit in den westlichen Industriegesellschaften gewonnen hat, ist in der Historie beispiellos. Dieser starke Einfluss entsteht möglicherweise auch daraus, dass die Arbeitskraft die Grundlage der Sicherung der Existenz und gerade auch der individualisierten Lebensführung ist. Ulrich Beck schreibt: „Erwerbsarbeit und Beruf sind im Industriezeitalter zur Achse der Lebensführung geworden. Zusammen mit der Familie bildet sie das zweipolige Koordinatensystem, in dem das Leben in dieser Epoche befestigt ist.“ Das Erwachsensein steht seiner Meinung nach völlig unter den Sternen der Erwerbsarbeit – nicht nur allein aufgrund der zeitlichen Beanspruchung durch die Arbeit selbst, sondern auch deren Verarbeitung oder Planung in der Zeit außerhalb, sei es davor oder danach. Ulrich Beck war bis 2009 Professor für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Seither ist er Gastprofessor für Soziologie an der London School of Economics and Political Science.

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Der spekulative Realismus vertritt die Existenz eines Absoluten

Der Herausgeber des Buchs „Realismus Jetzt. Spekulative Philosophie und Metaphysik für das 21. Jahrhundert“ Armen Avanessian stellt die vier bedeutendsten spekulativen Realisten vor. Er zählt dazu Quentin Meillassoux, Ray Brassier, Iain Hamilton Grant und Graham Harman. „Wenn man den neuen Realisten oder Materialisten folgt, sind die gegenwärtigen experimentellen Wissenschaften in der Lage, erstmals eine Welt und ein Universum zu beschreiben, das der Emergenz der menschlichen Intelligenz vorausgeht“, schreibt Armen Avanessian in seinem Editorial. Viele Aussagen der zeitgenössischen Physik übersteigen für Quentin Meillassoux schlichtweg die konzeptionellen Möglichkeiten der korrelationistischen Philosophie. Wissenschaftliche Aussagen erfordern seiner Meinung nach deshalb einen spekulativen Materialismus oder Realismus. Er vertritt die These, dass man sich eine Welt ohne Denken vorstellen kann, wodurch ein Absolutes existieren müsste, das nicht auf ein Denken angewiesen ist, sondern unabhängig von jeder kognitiven Bezugnahme existiert.

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Hugette Labelle bekämpft seit Jahren die Korruption auf der Welt

Seit siebeneinhalb Jahren ist Huguette Labelle (73) Vorstandsvorsitzende der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International. Jedes Jahr veröffentlicht die Organisation einen Index, der Bestechung auf dem ganzen Erdball misst. Sie selbst ist noch nie bestochen worden, aber es gibt Vorfälle, die sie wütend oder tieftraurig machen. Huguette Labelle nennt ein Beispiel: „Kinder sterben, weil ihre Eltern kein Schmiergeld haben. Sie müssen Leute bestechen, damit ihre Kinder medizinische Behandlung erhalten. Arme Leute bekommen ohne Schmiergeld oft keinen Zugang zu Wasser oder Schulen.“ Schrecklich findet es die Präsidentin von Transparency International auch, wenn Geld, das den Bürgern gehört, gestohlen und gewaschen wird, um Waffen zu kaufen und Konflikte zu schüren. Transparency International wurde vom früheren Direktor der Weltbank, Peter Eigen, gegründet und hat heute Büros in über hundert Nationen.

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Der Klimawandel bedroht massiv die menschliche Zivilisation

Manche Staaten halten sich noch immer in der Klimapolitik zurück, obwohl die meisten Länder inzwischen zugeben, dass es den von Menschen mit seinem Ausstoß von Treibhausgasen verursachten Klimawandel gibt. Dieser wird in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts erhebliche Auswirkungen auf die menschliche Zivilisation haben. Laut Ottmar Edenhofer befinden sich die Staaten allerdings in einem tragischen Dilemma. Sie haben die Wahl zwischen den gefährlichen Folgen des Klimawandels und den riskanten Auswirkungen der Reduktion von Emissionen. Außerdem muss man sich klarmachen, dass die Nutzung von fossilen Energieträgern in der Vergangenheit mit der Beseitigung von Armut und dem Erreichen von Wohlstand einherging. Ottmar Edenhofer ist Chefökonom und stellvertretender Direktor am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, einer der Vorsitzenden der Arbeitsgruppe III des Weltklimarats und Lehrstuhlinhaber für die Ökonomie des Klimawandels an der Technischen Universität Berlin.

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Robert J. Shiller fordert ein menschlicheres Finanzsystem

Mit seinem neuen Buch „Märkte für Menschen“ will Robert J. Shiller seinen Lesern das System des Finanzkapitalismus erklären, mit dem jeder jetzt und möglicherweise noch jahrzehntelang leben muss, ungeachtet welchen Beruf eine Person ausübt. Robert J. Shiller fordert, dass das Finanzsystem erweitert, demokratisiert und humanisiert werden muss, damit die positiven Effekt der Finanzinstitute besser zur Geltung kommen. Er schreibt: „Voraussetzung dafür ist, dass die Menschen gleichberechtigt am Finanzsystem teilhaben können, mit umfassenden Zugang zu Informationen und mit den menschlichen und elektronischen Ressourcen, die sie brauchen, um ihre Chancen aktiv und sinnvoll zu nutzen.“ Robert J. Shiller lehrt Wirtschaftswissenschaften an der Yale University und zählt zu den einflussreichsten Vordenkern in der globalen Wirtschaft. Seit Jahren wird er als einer der Topanwärter für den Wirtschaftsnobelpreis gehandelt.

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Der Grat zwischen Macht und Machtmissbrauch ist sehr schmal

Die meisten Bürger, die Politiker und Wirtschaftsmanager für korrupt halten, finden in der Tat für diese Einschätzung fast täglich in den Medien eine Bestätigung. Michael Schmitz, der Psychologie und Management an der Lauder Business School in Wien lehrt, weist als Beispiel auf den Fall des Politikers Stefan Mappus hin, der sich mit einem großen Coup als Ministerpräsident von Baden-Württemberg an der Macht halten wollte. Er pokerte dabei um den Rückkauf von Anteilen am Energieunternehmen EnBW, ohne die vorgeschriebene Wirtschaftlichkeitsprüfung anzuordnen. Er verspekulierte sich – für 800 Millionen Euro muss jetzt der Steuerzahler aufkommen. Als zweites Beispiel nennt Michael Schmitz den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff, der zurücktreten musste, als bekannt wurde, dass er Sonderkredite zur Finanzierung seines Privathauses angenommen hatte.

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Dr. Gunnar Beck hält den Rettungsfonds ESM für rechtswidrig

Heute entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsmäßigkeit des Europäischen Stabilitätsmechanismus, kurz ESM genannt. Der ESM soll Schuldenstaaten der Eurozone Kredite gewähren und Staatsanleihen direkt aufkaufen. Die Bundesregierung weist immer darauf hin, dass der ESM eine Obergrenze der Haftung von 700 Milliarden Euro vorsieht und der deutsche Anteil daran 190 Milliarden Euro beträgt. Dr. Gunnar Beck, der EU-Recht an der University of London lehrt, empören solche Aussagen. Er kritisiert: „Offenbar lasen unsere Politiker den Vertrag nicht oder sie verstehen ihn nicht. Denn der ESM ist eindeutig rechtswidrig.“ Erstens ist das Fondskapital nicht auf den Nominalwert von 700 Milliarden Euro begrenzt, sondern auf den Ausgabewert, der den Nennwert übersteigen darf. Zweitens haften solvente Mitgliedsstaaten wie Deutschland für Fehlbeträge, die entstehen, wenn andere Mitglieder des ESM ihrer Einzahlungspflicht nicht mehr nachkommen können.

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Beatrice Weder di Mauro erörtert die Chancen des Wachstums

Die Weltwirtschaft hat in den vergangenen zwanzig Jahren einen sehr schellen Wandel durchlebt. Das weltweite Wirtschaftswachstum beschleunigte sich deutlich und hatte zunehmend auch eine neue Qualität. Laut Beatrice Weder di Mauro traten ärmere Länder nicht nur verstärkt als Teilhaber, sondern sogar als Treiber der wirtschaftlichen Expansion auf. Eine Gruppe von Schwellenländern konnte in dieser Zeit gegenüber den Industriestaaten deutlich aufholen und selbst als hoffnungslos geltende Länder haben in kurzer Zeit dynamische Wirtschaftsentwicklungen durchlaufen. Beatrice Weder die Mauro schreibt: „Vieles an dieser Veränderung ist ohne Zweifel positiv. So brachte das Wachstum für Millionen von Menschen die Chance, sich aus der Armut zu befreien und ihren Kindern den Zugang zu Bildung und Gesundheitsleistungen zu ermöglichen.“ Die schweizerisch-italienische Wirtschaftswissenschaftlerin gehört dem Verwaltungsrat der Großbank UBS an. Zwischen 2004 und 2012 war sie Mitglied im sogenannten Rat der Wirtschaftsweisen.

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Seneca unterscheidet die Weisheit von der Philosophie

Wer den Wunsch hat Weisheit zu erlangen, muss laut Seneca auf etwas ganz Notwendiges achten. Und zwar auf die Einteilung der Philosophie und die Gliederung ihres umfangreichen Ganzen nach Teilbereichen. Seneca schreibt: „Die Umwege über diese Teilbereiche erleichtern uns nämlich den Zugang zum Ganzen. So wie sich unseren Blicken ein Gesamtbild des Weltgebäudes erschließt, so müsste auch eine Begegnung mit der Philosophie als Ganzes möglich werden.“ Dieser Anblick wäre seiner Meinung nach nur mit dem Anblick des Weltalls vergleichbar. Nützlich ist allerdings nur die Gliederung der Philosophie, nicht deren Zerstückelung. Lässt sich doch Übergroßes ebenso schwer begreifen wie übermäßig Kleines.

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Eliten beeinflussen die gesellschaftliche Entwicklung

Das Wort Elite entstand laut Daniel Goeudevert im nachrevolutionären, merkantilistischen Frankreich. Es bedeutet Auswahl oder Auslese und bezeichnete einen Gegenentwurf zu den überkommenen Herrschaftsstrukturen. Platons Gedanke und schöne allerdings nicht demokratische Idee, wonach der Weise führen und herrschen und der Unwissende ihm folgen soll, hat sich in der Realität nicht durchgesetzt. Jede Herrschaft begründete sich bis weit in die Neuzeit hinein entweder aus dem Gottesgnadentum oder aus der Abstammung und dem Besitz. Doch dies sollte sich ändern. Daniel Goeudevert erklärt: „Dagegen begehrte das Bürgertum unter Berufung auf Tugend, Leistung und eben Chancengleichheit auf: Die Zugehörigkeit zur Elite sollte in freier und offener Konkurrenz erworben werden und nicht länger angeboren oder von vornherein zugeschrieben sein.“ Der Topmanager Daniel Goeudevert war Vorsitzender der deutschen Vorstände von Citroën, Renault und Ford sowie Mitglied des Konzernvorstands von VW.

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Tim Jackson stellt seine Vorstellung vom Wohlstand vor

Die Grundlage für die Vorstellung von Wohlstand ist laut Tim Jackson die Fähigkeit des Menschen zu gedeihen, und zwar innerhalb der ökologischen Grenzen eines endlichen Planeten Erde. Er gibt zu, dass diese Vorstellung zweifellos materielle Aspekte beinhaltet. Denn es wäre seiner Meinung nach absurd zu behaupten, alles sei bestens, wenn es an Essen und Obdach mangelt. Milliarden von Menschen in den Entwicklungsländern müssen immer noch auf diese Grundbedürfnisse verzichten. Zugleich ist für Tim Jackson unschwer zu erkennen, dass die einfache Gleichsetzung von Quantität mit Qualität, von mehr ist besser, grundsätzlich falsch ist. Er schreibt: „Dinge allein lassen uns nicht gedeihen. Manchmal stehen sie uns dabei sogar im Weg.“ Tim Jackson ist Professor für Nachhaltige Entwicklung am Zentrum für Umweltstrategien der Universität Surrey.

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Ralf Dahrendorf philosophiert über die Lebenschancen

Ralf Dahrendorf zitiert den Philosophen Karl Popper, der einmal gesagt hat, dass die Geschichte keinen Sinn hat, aber der Mensch kann, ja muss ihr einen Sinn geben. Für ihn selbst ist ein geregelter Konflikt mit Freiheit gleichzusetzen, denn er bedeutet, dass niemand seine Ansichten zum Dogma erheben kann. Ralf Dahrendorf schreibt: „Es gibt Institutionen, die es erlauben, nein zu sagen, und mehr, die jeweils Regierenden abzulösen. Die Freiheit von Willkür und Tyrannis ist nicht gering zu schätzen.“ Für Max Weber war es der Begriff der Chance, der über die bloß formalen Bedingungen des Handels hinaus nötig ist, um die freie, die offene Gesellschaft zu begründen. Für ihn waren Chancen mehr als Voraussetzungen des Handelns und doch weniger als tatsächliche Handlungsweisen.

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Die Schmerztherapie in Deutschland hinkt hinterher

Laut Professor Hajo Schneck, Anästhesist und Schmerztherapeut im Landkreis Ebersberg, kommt es in Deutschland sehr häufig vor, dass Menschen unnötig Schmerzen erleiden. Er sagt: „Was Schmerztherapie angeht, war Deutschland jahrelang Schlusslicht im Vergleich mit anderen Ländern. Im Opiat-Verbrauch pro Kopf der Bevölkerung liegen wir inzwischen im unteren europäischen Mittelfeld, im Vergleich zum Jahr 2000 haben wir etwas aufgeholt.“ Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass rund 80 Prozent der Weltbevölkerung keinen oder nicht genügend Zugang zu Schmerzmitteln haben. Hajo Schneck vertritt die Auffassung, dass sowohl praktische als auch emotionale Gründe dafür verantwortlich sind, dass in Deutschland die Schmerztherapie so ein Schattendasein führt. Er erklärt: „Schmerztherapie wird in den Köpfen oft mit Palliativmedizin und der Sterbehilfe assoziiert.“

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Die Kooperation ist die Triebfeder der Evolution

Der österreichische Biomathematiker Martin Nowak von der Harvard University hat zusammen mit dem Wissenschaftsjournalisten Roger Highfield in dem Buch „Supercooperators“ dargelegt, dass Zusammenarbeit in der Natur allgegenwärtig ist, nicht nur bei den Menschen, sondern auch bei den Tieren, den Pflanzen, den Mikroben und sogar bei den Urmolekülen des Lebens. Martin Nowak schreibt: „Kooperation ist die Triebfeder der Evolution – ohne sie wäre die Erde nie über eine Ursuppe voller RNA-Moleküle hinausgekommen.“ Diese Botschaft ist schon seit langem in der Philosophie, der Religion und der Dichtkunst bekannt. Sie heißt: sei edel, hilfreich und gut.

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Die Illusion des dauerhaften wirtschaflichen Wachstums

Hans Diefenbacher und Roland Zieschank stellen in ihrem Buch „Woran sich Wohlstand wirklich messen lässt“ aktuell diskutierte Alternativen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) vor und zeigen am Beispiel des von ihnen vorgelegten Wohlfahrtsindex Ansätze zur Entwicklung eines nachhaltigen Inlandsprodukts. Die Autoren halten das Bruttoinlandsprodukt für die heilige Kuh der herrschenden Ökonomie. Zudem misst die Politik ihre Erfolge an seinen Wachstumsraten. Er gilt seit Jahren als die Norm für die Kraft der Wirtschaft und des Wohlstands in Deutschland. Doch die Dinge, die das Leben der Deutschen bereichern, wie ehrenamtliche Leistungen, gesunde Umwelt, gerechte Verteilung der Chancen oder ein Zugang zur medizinischen Versorgung für alle, fließen nicht in das Bruttoinlandsprodukt mit ein.

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