Bei der Achtsamkeit spielt Transzendenz keine Rolle

Achtsamkeit heißt die aktuelle Antwort auf Burn-out und Stress. Die neu entdeckte Innerlichkeit soll Menschen dazu bringen, sich dem Wesentlichen im Leben zuzuwenden – ist aber oft nur der Esoterik-Chic einer erschöpften Leistungselite. Achtsamkeit ist das Wort der Zeit. So wie in Burn-out alles Bedrohliche einer anstrengend gewordenen Welt mitschwingt, so atmet Achtsamkeit bereits alles, was fehlt und doch ersehnt wird. Es geht um Dinge, die lange an allen möglichen Orten eine Rolle spielten, nur nicht im Job. Um Sinnsuche und Sinnfragen, um Meditation, Spiritualität und inneres Leid. Dinge, für die traditionell die Kirchen zuständig waren, Psychotherapeuten, Freunde und vielleicht der Barmann im Hotel. Aber bestimmt nicht der Chef. Das Wort Achtsamkeit ist eine Übersetzung aus der buddhistischen Literatur: Satipatthana oder Smrti-Upasthana.

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Die Aufklärung sucht nach einem Ausgleich zwischen „Kopf“ und „Herz“

Als literarische und philosophische Epoche, die vom Beginn des 18. Jahrhunderts bis zum Ausbruch der Revolution in Frankreich reicht, ist die Aufklärung keine einheitliche Bewegung, sondern lässt sich in verschiedene Phasen unterteilen. Gotthold Ephraim Lessing ist Fortführer der literarischen Aufklärung, die mit Johann Christoph Gottsched begonnen hatte, und ist zugleich ihr schärfster Kritiker. Auch die Stürmer und Dränger setzen eine Tradition fort, die Gotthold Ephraim Lessing, aufbauend auf Johann Christoph Gottsched, geschaffen hat; sie sind zugleich Begründer einer neuen Tradition, in der Genie und das Gefühl die beherrschende Rolle spielten. Der empfindsame Mensch hatte damals in der deutschen Sprache eine sehr edle Bedeutung gewonnen. Auch in Deutschland bildete sich eine neuartige literarische und soziale Strömung aus, für die sich der Begriff „Empfindsamkeit“ sehr schnell eingebürgert und bis in die Gegenwart gehalten hat.

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Die Natur ist weder Feind noch Lehrmeister

Beim Thema „Natur“ prallen zwei Meinungen hart aufeinander. Für die einen gilt uneingeschränkt: „Macht euch die Erde untertan.“ Sie wollen den Pfad der Technik weiterbeschreiten und die Natur so vollständig wie möglich beherrschen. Bernward Gesang fügt hinzu: „Natur erleben sie vorrangig als eine Grenze. Eine Grenze unserer Freiheit und unseres Körpers, die uns Krankheiten und Tod bringt.“ Die Menschheit hat die Natur in der Geschichte der Zivilisation enorm verändert, und in der westlichen Welt, also da, wo der Mensch die Natur konsequent beherrscht, geht es fast jedem besser als je zuvor. Das ist das Fazit: Keiner muss mehr hungern, viele Seuchen sind verschwunden und die Lebenserwartung steigt stetig. Hat der Wohlstand die Menschen nicht glücklicher gemacht? Professor Dr. Bernward Gesang lehrt Philosophie mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsethik in Mannheim.

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Der Traum ist der Königsweg zum Unbewussten

Sigmund Freud (1856 – 1939) nannte die Träume „den Königsweg zum Unbewussten“ – also eine der besten Möglichkeiten, verborgene Gedanken aufzuspüren. Die Dinge, die Menschen in Träumen sehen oder erleben, sind nicht das, was sie zu sein scheinen. Nigel Warburton erklärt: „Das ist das oberflächliche Traummaterial, aber die wahre Bedeutung des Traums findet man im latenten (verborgenen) Trauminhalt.“ Genau den versuchte der Psychoanalytiker Sigmund Freud zu verstehen. Die Dinge, auf die Menschen im Traum stoßen, sind Symbole. Sie stehen für die Wünsche, die sich im Unbewussten eines Menschen verstecken. Ein Traum, in dem eine Schlange, ein Schirm oder ein Schwert vorkommen, ist sehr häufig ein verdeckter sexueller Traum. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Sigmund Freud entdeckt das Unbewusste

Sigmund Freud (1856 – 1939) war der Entdecker des Unbewussten. Er erkannte, dass vieles von dem, was ein Mensch tut, von versteckten Wünschen motiviert wird, zu denen man keinen direkten Zugang hat. Aber trotzdem beeinflussen sie die menschlichen Handlungen. Nigel Warburton erklärt: „Es gibt Dinge, die wir tun wollen, dies aber nicht erkennen. Diese Wünsche üben großen Einfluss auf unser Leben aus und auf unsere Art und Weise, die Gesellschaft zu organisieren. Sie sind die Quelle der besten und schlimmsten Aspekte der menschlichen Zivilisation.“ Sigmund Freud war verantwortlich für diese Entdeckung, auch wenn sich ähnliche Vorstellungen schon in einigen Schriften von Friedrich Nietzsche finden. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Johannes Gutenberg erfindet den Buchdruck

Zu den Voraussetzungen des Erfolgs der Reformation gehörte der Buchdruck, der neue Möglichkeiten der Verbreitung des Wortes geschaffen hatte, darunter die Herstellung preiswerter „Gebrauchsliteratur“. Die Antriebskräfte der umfassenden Veränderungen seit dem Spätmittelalter in Europa waren: psychologisch das zunehmende Streben nach Gewinn, ökonomisch die Beschleunigung der Produktion von Waren und des Umschlags der Produkte sowie technologisch und technisch das Aufkommen neuer Methoden der Produktion und innovativer Maschinen. Zu den wichtigsten Erfindungen der Epoche zählte der Buchdruck. Er teilte die Literatur- und Mediengeschichte der europäischen Zivilisation in zwei Hälften – vor und nach Johannes Gutenberg. Im Verlauf der nächsten Jahrhunderte vollzog sich die Umwandlung des Luxusgutes Buch hin zur Massenware. Als Erfinder des Buchdrucks in Europa gilt Johann Gensfleisch, mit dem Wohnort Gutenberg bei Mainz, daher auch kurz als „Gutenberg“ bezeichnet.

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Noch ist die Verbesserung des Menschengeschlechts Utopie

Das Bild, das der Mensch von sich entwirft, entspricht in der Regel dem, was der Mensch entwerfen kann. Modelle für die Selbstansichten des Menschen sind seit Anbeginn der Artefakte und Maschinen, die der Mensch selbst imstande war zu konstruieren und zu bauen. Konrad Paul Liessmann stellt fest: „In der Genetik schließlich skizzieren evolutionstheoretische und technizistische Pinselstriche ein Bild des Menschen, das diesen nun als Maschine zur Produktion und Streuung von Genen zeigt.“ Die Entzifferung des genetischen Codes des Menschen erschien vielen deshalb nicht nur als ein entscheidender Schritt zur Selbsterkenntnis, sondern auch als erster Schritt, um nun wirklich an der Verbesserung des Menschen arbeiten zu können. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

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Gute Gewohnheiten prägen ein gutes Leben

Gewohnheiten sind der Schlüssel zur persönlichen Entwicklung und Lebensgestaltung. Clemens Sedmak erklärt: „Ein gutes Leben ist ein solches, in dem man gute Gewohnheiten etabliert hat.“ Ähnlich wie man von Basisgütern eines guten Lebens spricht, könnte man von grundlegenden Gewohnheiten sprechen, wie etwa das frühe Aufstehen. Basisgewohnheiten sollen persönliches Wachstum ermögliche, verstanden als Weg zur Reife im Sinne eines wohlgeformten Charakters – mit den Elementen: gefestigte, einzigartige, integre Persönlichkeit. Die Einzigartigkeit ergibt sich aus der Realisierung de je einzigartigen Gaben; die Gefestigtheit hat mit stabilen Gewohnheiten zu tun; Integrität bedeutet: Aufrichtigkeit, Ernsthaftigkeit, Respekt – die ernsthafte und aufrichtige Anstrengung, mit respektvollem Blick auf andere aus dem eigenen Leben etwas zu machen. Der österreichische Philosoph Clemens Sedmak hat unter anderen Tätigkeiten eine Professur am Londoner King´s College inne.

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Die Liebe macht viele Menschen demütig

Wenn man heute von „Gemeinsinn“ spricht, stellt man sich darunter jemanden vor, der Petitionen, Demonstrationen und Proteste organisiert und der seine Stimme zum Wohl der Allgemeinheit erhebt. David Brooks ergänzt: „Aber in früheren Epochen war damit eine Person gemeint, die ihre Leidenschaften gezügelt und ihre Meinungen gemäßigt hat, um einen umfassenden Konsens zu erreichen und unterschiedlichste Menschen zusammenzubringen.“ Viele Menschen stellen sich Gemeinsinn als Durchsetzungskraft vor, aber früher verstand man darunter die Fähigkeit zu Selbstbeherrschung. Dabei lernt man eine innere Struktur zu entwickeln, um die chaotischen Impulse im Innern zu kontrollieren. Sündhaftigkeit wird dabei indirekt durch uneigennütziges Verhalten bekämpft. Damit führt man das Leben von den schlimmsten Tendenzen weg. David Brooks arbeitet als Kommentator und Kolumnist bei der New York Times. Sein Buch „Das soziale Tier“ (2012) wurde ein internationaler Bestseller.

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Computer können keine Subjektivität herstellen

Mit Philosophen wie John Searle, Thomas Nagel und Colin McGinn ist David Gelernter der ketzerischen Meinung, dass Computer nicht in der Lage sind, Subjektivität herzustellen – die Welt im Kopf eines Menschen, ein eigenes Seelenleben, eine eigene private geistige Landschaft, durch die kein anderer wandern kann. Ein Computer beziehungsweise Roboter hat kein Bewusstsein für Glück. Es gibt keinen Geist in der Maschine, keine menschliche Geistesgegenwart. Dennoch übersteigt die Leistungsfähigkeit des Computers die menschliche Vorstellungskraft. David Gelernter stellt fest: „Wir glauben, mit der künstlichen Intelligenz der Schöpfung eines übernatürlichen Geistes beizuwohnen und den Stein der Weisen gefunden zu haben. In Wirklichkeit verstehen wir bis heute das Bewusstsein nicht. Wir können Subjektivität nicht erklären, vielleicht werden wir es nie können.“ David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University.

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Die Menschen sind von Natur aus gut

Der große Schweizer Denker und Schriftsteller Jean-Jacques Rousseau, der von 1712 bis 1778 lebte, vertrat die Meinung, dass die wahre Religion vom Herzen komme und keiner religiösen Zeremonien bedürfe. Die Kirche hatte mehrere seiner Bücher verboten, da sie religiösen Ideen verbreiteten, die sich mit der offiziellen Lehre nicht vereinen ließen. Doch den größten Aufruhr verursachten seine politischen Ideen. „Der Mensch ist frei geboren und liegt doch überall in Ketten“, erklärte er zu Beginn seines Buchs „Der Gesellschaftsvertrag oder die Grundsätze des Staatsrechtes“. Für Nigel Warburton ist es nur allzu verständlich, dass Revolutionäre diese Worte zu ihrem Kampfruf machten, etwas Maximilien Robespierre und andere Anführer der Französischen Revolution. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Die Politik hat ihre Vorherrschaft an die Wirtschaft verloren

Die Welt erlebt nun seit einigen Jahren eine dreifache Krise. Thomas Seifert nennt sie beim Namen: „Eine Krise des Kapitalismus, die mit dem Beinahe-Kollaps der Weltwirtschaft nach dem Lehman-Pleite am 15. September 2008 offenbar geworden ist, eine Krise der westlichen (Parteien-) Demokratie, die die Probleme nicht lösen kann, und – durch die Verschiebung des Schwerpunkts des Globus von West nach Ost – eine Krise der Weltordnung, des Global Governance Systems.“ Die drei Krisen sind miteinander verwoben, bedingen und verstärken einander, und ein Ende ist nicht in Sicht. Die Wirtschaft hat die zentrale Funktion der Steuerung der Gesellschaft übernommen, die Vorherrschaft der Politik ist längst verloren. Die Wähler haben verstanden, dass die Politik das Gesetz des Handelns an die Ökonomie abgetreten hat, und strafen die politischen Akteure mit Ignoranz, Misstrauen, Totalverweigerung oder Anti-Politik. Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur und Leiter der Außenpolitik bei der Wiener Zeitung.

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Ulrich Beck stellt die Gefahren einer Risikogesellschaft vor

Für Ulrich Beck handelt es sich auch in der Risikogesellschaft um eine Form der Verelendung, die vergleichbar ist und doch auch wieder überhaupt nicht mit der Verelendung der Arbeitermassen in den Zentren der Frühindustrialisierung. Ulrich Beck schreibt: „Hier wie dort sind von der Mehrheit der Menschen als verheerend erlebte Konsequenzen mit dem gesellschaftlichen Industrialisierungs- und Modernisierungsprozess verbunden.“ Beide Male handelt es sich seiner Meinung nach um drastische und bedrohliche Eingriffe in die Lebensbedingungen der Menschen. Die Konsequenzen mögen möglicherweise jeweils anders gewesen sein: damals handelte es sich um materielle Verelendung, Not, Hunger und Enge. Heute sind die Menschen von der Zerstörung der natürlichen Grundlagen des Lebens bedroht. Ulrich Beck war bis 2009 Professor für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Seither ist er Gastprofessor für Soziologie an der London School of Economics and Political Science.

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Herbert Marcuse wagt eine Neubestimmung der Kultur

Zur Neubestimmung der Kultur nimmt Herbert Marcuse eine Definition von Webster zum Ausgangspunkt, wonach Kultur als der Komplex spezifischer Anschauungen des Glaubens, Errungenschaften, Traditionen und so weiter zu verstehen ist, die den Hintergrund einer Gesellschaft bilden. In den Mittelpunkt seiner Analyse stellt Herbert Marcuse das Verhältnis von Hintergrund und Grund einer Gesellschaft. Er schreibt: „Kultur erscheint so als der Komplex moralischer, intellektueller und ästhetischer Ziel, die eine Gesellschaft als den Zweck der Organisation, Teilung und Leitung ihrer Arbeit betrachtet – das Gut, das durch die von ihr eingerichtete Lebensweise erlangt werden soll.“ Herbert Marcuse betrachtet nur dann eine Kultur als existent, wenn die repräsentativen Ziele und Werte erkennbar in die gesellschaftliche Wirklichkeit übersetzt wurden. Das heißt, die Beziehungen zwischen den Mitgliedern der jeweiligen Gesellschaft müssen eine nachweisbare Affinität zu den verkündeten Werten aufweisen.

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Die Menschheit kann die Zivilisation nicht mehr aufrechterhalten

Das Hyperwachstum auf der Erde stößt an die Grenzen der endlichen Biosphäre. Die Regenerationsfähigkeit des Planeten hält nicht mehr mit dem Bedarf Schritt. Serge Latouche kritisiert: „Der Mensch verwandelt die Ressourcen schneller in Abfall, als die Natur diesen Abfall wieder in neue Ressourcen umwandeln kann.“ Die Fläche des Planeten Erde ist begrenzt. Sie umfasst rund 51 Milliarden Hektar beziehungsweise 510 Millionen Quadratkilometer. Die für die Reproduktion der Menschen nutzbare Fläche macht lediglich einen Bruchteil dessen aus, nämlich etwa 17 Milliarden Hektar. Das ergibt nach dem heutigen Stand der Weltbevölkerung circa 1,6 Hektar pro Kopf. Serge Latouche ist ein französischer Ökonom und Philosoph, Professor a.D. der Universität Paris-XI und gilt als einer der Vertreter des Konzepts der Rücknahme des Wirtschaftswachstums.

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Das schlechte Gewissen ist die Angst vor dem Liebesverlust

Wenn sich eine Gesellschaft verändert, unterliegt auch die Gefühlskultur einem Wandel. Ulrich Greiner erklärt: „Zwar ist das Schamgefühl generell ein Merkmal menschlicher Zivilisation, doch seine Empfindlichkeit und die Anlässe seiner Erregung bleiben abhängig vom jeweiligen historischen und sozialen Umfeld.“ Die Wissenschaft hat versucht, diese Felder begrifflich zu fassen und sie einer „Schamkultur“ oder einer „Schuldkultur“ … Weiterlesen

Erhard Oeser nennt die Wurzeln des Fremdenhasses

Eines der meistgebrauchten Worte der vergangenen Tage ist Fremdenfeindlichkeit. Wenn Flüchtlinge in Ungarn mit Gewalt festgehalten werden oder Staaten der Europäischen Union (EU) sich weigern, Heimatvertriebene aufzunehmen, steckt dahinter Angst – vor dem Fremden, dem Eindringling, dem Migranten. Erhard Oeser erklärt, warum so viele Menschen Angst vor dem Fremden haben: „Das geht weit in die Menschheitsgeschichte zurück. Fremdenangst ist ein Schutzmechanismus. Man weiß ja nicht, welche Absichten der Fremde verfolgt. Ist er feindlich? Ist er freundlich? Da ist es gut, erst einmal vorsichtig zu sein.“ Dabei handelt es sich um ein weltweites Phänomen und eine genetische Disposition. Denn es ist schon vorhanden, ehe man schlechte Erfahrungen gemacht hat. Der Philosoph Erhard Oeser studierte in München und Wien Philosophie und Psychologie. War lange bis zu seiner Emeritierung Professor an der Universität Wien.

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Beständigkeit ist nur selten ein Charakteristikum von Klima

Auf der einen Seite lieben die Menschen ihr Klima, auf der anderen Seite fürchten sie es auch. Manche bewundern auch seine Macht, um in sich starke Gefühle wachzurufen. Andere wiederum jammern über seine Unberechenbarkeit oder ängstigen sich vor seinem Verhalten in der Zukunft. Viele Menschen erwarten, dass das jeweilige Klima etwas für sie leistet, ihnen das Wetter bietet, bei dem sie arbeiten und etwas erschaffen, in dem sie sich entspannen und erholen können. Mike Hulme fügt hinzu: „Doch wir wissen auch, dass Klima launisch ist, mit einem eigenen Willen. Es bietet uns nicht nur Tage der Gelassenheit und Ruhe, sondern auch Stürme und Gefahren, denen schon unsere Vorfahren über unzählige Jahrhunderte hinweg entgegentraten und die uns auch heute noch plagen.“ Seit September 2013 ist Mike Hulme Professor für Geographie am King`s College in London.

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Herbert Marcuse erörtert das Verhältnis von Ethik und Revolution

Herbert Marcuse lässt sich von der Frage leiten, ob man eine Revolution als angebracht, vielleicht sogar als notwendig rechtfertigen kann, und zwar nicht nur im politischen Sinne, sondern auch im ethischen. Unter Rechtmäßigkeit versteht Herbert Marcuse etwas, was dazu dient, Freiheit und Glück der Menschen in einem Gemeinwesen, von welcher Form der Regierung auch immer, herzustellen, zu befördern oder zu erweitern. Herbert Marcuse sieht den Zweck einer Regierung darin, nicht nur die größtmögliche Freiheit der Menschen zu garantieren, sondern auch das maximale Glück, das heißt ein Leben ohne Angst und Elend, ein Dasein in Frieden. Denn dass menschliches Glück individuell und Sache selbst sei und bleiben müsse, lässt sich nicht verteidigen, wenn man auch nur einen Augenblick darüber nachdenkt.

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Die Philosophie wird mit der Wissenschaft verknüpft

Philosophie bedeutet nach Hans-Georg Gadamer theoretische Interessen verfolgen und eine Lebensführung, die die Fragen nach der Wahrheit und nach dem Guten so stellt, dass dabei weder auf den eigenen Gewinn, noch auf den öffentlichen Nutzen reflektiert wird. Die Philosophie ist mit der europäischen Zivilisation aufs engste verknüpft und hat in der allgemeinen Bedeutung von Theoria lange den Sammelbegriff für Wissenschaft überhaupt gebildet. Hans-Georg Gadamer schreibt: „Noch Isaac Newtons berühmte „Grundlagen der Naturwissenschaft“, durch die er der Begründer der modernen Physik geworden ist, hießen Philosophiae naturalis pricipia mathematika, die Elemente und Grundlagen der Naturerkenntnis.

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Diogenes war der erste Performance-Künstler der Menschheit

Wir schreiben das Jahr 360 vor Christus. Damals wird ein Mann in Athen, der keinen Wohnsitz hat, dafür aber einen ausgeprägten Sinn für die Provokation besitzt, zur Legende. Wie hat er das geschafft? Eigentlich nur mit so guten Geschichten, die jeder gleich weitererzählen wollte. Die Rede ist von Diogenes von Sinope, dem Philosophen, der in einer Tonne aus Keramik gelebt haben soll. Bis heute gilt er als Urahn der Hippies, als der erste Aussteiger, als Prototyp eines Menschen, der die Normen der Gesellschaft ablehnt und sich über sie lustig macht. Man kann Diogenes auch als ersten Performance-Künstler betrachten, der den öffentlichen Raum für seine gesellschaftskritischen Aufführungen nutzte. Wie sehr Diogenes die Zivilisation auch kritisierte, so war er doch auf sie angewiesen.

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Führungspersonen müssen heutzutage fast ideale Menschen sein

Herausragende Führungspersönlichkeiten hatten schon immer ihre moralischen Schattenseiten. Eine Abstimmung, die von der BBC initiiert worden war, hat zum Beispiel Winston Churchill, der die Demokratie und Zivilisation während des Zweiten Weltkriegs in Europa gerettet hat, zum bedeutendsten Briten aller Zeiten erkoren. Obwohl allgemein bekannt ist, dass er ein starker Whiskytrinker war, sehr spät aufstand und seinen Urlaub gerne auf der Yacht des griechischen Milliardärs Aristoteles Onassis verbrachte. Nicht nur große Staatsmänner, sondern auch bedeutende Unternehmer und Manager, die große Leistungen vollbracht und den Wohlstand der Gesellschaft wesentlich gemehrt haben, führten nicht unbedingt ein vorbildliches Privatleben. Und wenn man an Künstler denkt, erweist sich der heutzutage praktizierte rigorose Moralismus endgültig als unbrauchbar und wird für diese Kreativen auch nicht angewendet.

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Die moderne Zivilisation wäre ohne Religion nicht entstanden

Die Anfälligkeit des Menschen für Übernatürliches steckt in seinem Erbgut. Einige Psychologen vertreten die Ansicht, dass jeder eine Art versteckter Kamera in sich trägt, die ihn von selbstsüchtigen Verhalten abhält. Gläubige sind friedfertig, lenkbar, helfen Fremden und sind sehr gut geeignet für Arbeiten in großen Gruppen. Lauter Eigenschaften, die eine zivilisierte Gesellschaft benötigt. Die Anthropologin Katrin Schäfer erklärt: „Sobald der Mensch fähig war nachzudenken, hat er sich mit dem Rätsel, wo komm ich her, wo gehe ich hin, beschäftigt.“ Als sich die Wissenschaft um Religionsfragen zu kümmern begann, wurde es kompliziert. Je nach Fachgebiet gibt es unterschiedliche Erkenntnisse über den Glauben. Katrin Schäfer fügt hinzu: „Soziologen und Psychologen meinen, dass, wer glaubt, einen persönlichen Vorteil hat, zum Beispiel bessere Gesundheit. Evolutionsbiologen gehen von einem Vorteil auf Gruppen-Niveau aus. Man hält zusammen, unterstützt einander und stärkt so die Gemeinschaft.“

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Das Leben ist heute nicht besser oder schlechter als früher

Auch im Binnenraum der technischen Zivilisation, der ihn mehr und mehr als sekundäre Ersatznatur umgibt, bleibt der Mensch doch immer der primären Natur verhaftet. Die Anpassungsfähigkeit des Menschen ist zwar außerordentlich, aber dabei wird häufig übersehen, dass offenbar nur unter Einhaltung bestimmter Minimalbedingungen die Kümmerform seines Existierens überschritten wird. Alexander Mitscherlich erklärt: „Die Geschichte der Menschheit ist, wie die Ethnologie lehrt, voll von Beispielen unproduktiver, eben kümmerlicher Gesellungsformen, deren mentales Niveau sehr bescheiden blieb.“ Er macht dafür vornehmlich die unzureichende oder einseitige Ernährungsbedingungen, klimatische Extreme oder natürliche Feinde verantwortlich. In der industrietechnischen Natur wirken andere feindliche Belastungsfaktoren, die eine freie Entwicklungsmöglichkeit der Menschen schleichend, aber deshalb nicht weniger gravierend hemmen und zu typischen Verkümmerungen führen können.

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Alexandre Lacroix dringt in das Gedankenreich der Inka vor

Alexandre Lacroix hat in der Inkastadt von Ollantaytambo das Denkuniversum dieser Zivilisation erforscht. In seiner klassischen Form hat das Inkareich nur von 1400 bis 1533 bestanden, bevor es von den Truppen Francisco Pizarros zerschlagen wurde. Betrachtet man aber, welche Bauten die Inka errichtet haben, spürt man deutlich, dass es da technische Kenntnisse und, mehr noch, eine verblüffende Vernunft am Werk gegeben haben muss. Alexandre Lacroix fügt hinzu: „Nur handelt es sich dabei offensichtlich nicht um die griechische Rationalität. Was wir im Abendland recht bald getrennt haben, findet sich hier noch vereint, als befände ich mich diesseits aller für unsere Weltsicht konstitutiven Dualismen.“ Es gibt zum Beispiel weder einen Gegensatz zwischen Landwirtschaft und Architektur noch zwischen Natur und Kultur. Der Wirtschaftswissenschaftler und Philosoph Alexandre Lacroix ist Chefredakteur des französischen Philosophie Magazine.

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