Katholische Sexualmoral gilt weltweit als verklemmt. Doch das war nicht immer so. Papst Alexander VI. (1492 – 1503) hatte mehr als ein Dutzend leibliche Nachkommen; den letzten zeugte er siebzigjährig während seines Pontifikats. Volker Reinhard erklärt: „Zu dieses Zeit lebten viele Kardinäle mit ihren Mätressen in eheähnlichen Gemeinschaften zusammen. Für diejenigen, die mehr Abwechslung liebten, standen in den größeren Städten Kurtisanen mit einem breiten Spektrum an Dienstleistungen bereit.“ In diesem Klima konnte sich an den Fürstenhöfen Italiens eine erotische Kultur entfalten, die mit der Katholischen Reform ab etwa 1550 zurückgedrängt und überdeckt wurde. Ihre eindrucksvollsten Zeugnisse haben sich im Palazzo del Tè erhalten, den der große Allroundkünstler Giulio Romano ab 1525 für den Marktgrafen von Mantua errichtete und mit Fresken verzierte. Volker Reinhardt ist Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg. Er gehört international zu den führenden Italien-Historikern.