Die höchste Form des Mitgefühls ist die Theory of Mind

Mitgefühl ist eine im Lauf der Evolution des Menschen entstandene mehrschichtige Fähigkeit. Manfred Spitzer erläutert: „Sie ist klar zu unterscheiden von der automatisch ablaufenden und auch im Tierreich zu beobachtenden sozialen und emotionalen Ansteckung: Ein Vogel schreit aufgeregt, und der ganze Vogelschwarm hebt ab. Ein Mensch sieht, dass jemand Schmerzen hat, und verspürt daraufhin selbst ein ganz unangenehmes Gefühl.“ Dieses Phänomen wird als Sympathie bezeichnet. Sympathie bedeutet wörtlich genommen „mit-leiden“, das Wort hat allerdings im Laufe der Zeit einen Bedeutungswandel vollzogen. Diese Form des Mit-Fühlens läuft automatisch ab und ist nicht auf den Menschen beschränkt, sondern beispielsweise auch bei Mäusen und Ratten eindeutig nachweisbar. Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer leitet die Psychiatrische Universitätsklinik in Ulm und das Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen.

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Erinnerungen an schöne Erlebnisse verursachen Glücksgefühle

Ein Erlebnis zählt erst durch die Erinnerung. Rolf Dobelli nennt dieses Phänomen das „Erinnerungskonto“. Je länger man mit einer Erinnerung lebt, desto mehr Wert wird dem Erlebnis zugeschrieben. Wenn eine positive Erinnerung bis zum Ende des Lebens Bestand hat, wird das Erlebnis rückwirkend am höchsten bewertet. Rolf Dobelli ergänzt: „Reicht sie nur bis zur Hälfte des restlichen Lebens, wird ihr nur der halbe Wert zugeschrieben – und so weiter bis zum Nullpunkt: Ohne Erinnerung wird das Erlebnis als komplett wertlos empfunden.“ Das ist überraschend und unsinnig. Es ist doch wohl besser, etwas Fabelhaftes zu erleben – Erinnerung hin oder her. Der Bestsellerautor Rolf Dobelli ist durch seine Sachbücher „Die Kunst des klaren Denkens“ und „Die Kunst des klugen Handelns“ weltweit bekannt geworden.

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Martha Nussbaum beschreibt wichtige Facetten des Ekels

Martha Nussbaum schreibt: „Ekel ist eine starke Abneigung gegenüber Aspekten oder Teilen des Körpers, die als „animal reminders“ bezeichnet werden – das heißt Aspekten von oder Seiten an uns selbst, die uns daran erinnern, dass wir sterbliche und animalische Wesen sind.“ Seine primären Objekte sind Fäkalien und andere körperlichen Ausscheidungen, die Verwesung und Tiere oder Insekten, die schleimig, schmierig oder übelriechend sind bzw. anderweitig an die abgelehnten Körperflüssigkeiten oder -ausscheidungen erinnern. Der Kerngedanke des Ekels ist der an eine (potenzielle) Verunreinigung durch Kontakt oder Nahrungsaufnahme: Wer das Unedle, das Niedrige zu sich nimmt, zieht in das auf sein Niveau hinunter. Martha Nussbaum ist Philosophin und Professorin für Rechtswissenschaften und Ethik an der University of Chicago. Sie ist eine der einflussreichsten Philosophinnen der Gegenwart.

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Aristoteles erfindet die wissenschaftliche Psychologie

Als Erfinder der wissenschaftlichen Psychologie gilt der griechische Philosoph Aristoteles. Er analysiert nicht nur unterschiedliche Funktionen der menschlichen Seele, sondern untersucht daneben auch das Ernährungsvermögen der Pflanzen sowie das Wahrnehmungsvermögen der Tiere, die beide im Menschen in höherer Form wiederkehren. Hinter dieser Unterscheidung verschiedener Stufen des Seelischen steht die Überzeugung, dass die Seele innerhalb der Natur insgesamt als dasjenige Prinzip fungiert, wodurch sich Leben gegenüber dem Unbelebten auszeichnet. Die Verbindung von Leib und Seele dokumentiert sich vor allem in den Affekten des Menschen. Aristoteles reagierte mit „De anima“ auf eine breite Tradition von Seelenvorstellungen, die er teils aufnimmt, teils kritisch zu berichtigen sucht. Einige behielten ihre Bedeutung auch in der weiteren Wirkungsgeschichte. Auf Sokrates geht die Auffassung zurück, die wichtigste Aufgabe des Menschen bestehe darin, für seine Seele zu sorgen.

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Große Kulturen haben niemals autochthone oder nationale Wurzeln

Wie kein anderes Volk der Antike suchten die Griechen nach Erkenntnis und versahen die Dinge mit Namen. Schon das Wort „Philosophie“, „Weisheitsliebe“, entstammt der griechischen Sprache. Bernd Roeck erläutert: „Mit der ionischen Naturphilosophie zeigt sich das Fragen und Forschen, die Erkundigung, „historie“, erstmals als systematisches Unterfangen.“ Zur kommunikationsfreudigen Geografie des Mittelmeers, zu politischen und sozialen Umständen kam ein weiterer, das Gespräch bereichernder Faktor: die Beziehungen zum Orient. Große Kulturen haben niemals autochthone oder nationale Wurzeln. Sie entstehen durch Austausch und fruchtbaren Streit. So verdankt griechischer Geist dem Orient mehr, als das Geschichtsbild des humanistischen Gymnasiums wahrnahm. Die griechische Skulptur zum Beispiel nimmt mit Kulturtransfers aus Ägypten ihren Anfang. Bernd Roeck ist seit 1999 Professor für Neuere Geschichte an der Universität Zürich und einer der besten Kenner der europäischen Renaissance.

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Menschen gehen gerne längerfristige Beziehungen ein

Das Leben der meisten Menschen hat seinen Schwerpunkt in einer Zweierbeziehung. Die Paarbindung wurde kritisiert und geschmäht, man hat die notwendigen Kompromisse beklagt und die drohende Langeweile beschworen – und doch hat sie sich als überraschend widerstandsfähig erwiesen. Schon vor zwei Jahrhunderten hielt Charles Fourier die Ehe für einen Irrweg, der „alle Keime der Zwietracht und des Überdrusses“ enthält. Thomas Junker schreibt: „Es ist richtig, dass der Staat mehr oder weniger sanften Druck ausübt, um die Ehe zu zementieren, so wie es in frühen Zeiten die Kirchen getan haben.“ Das würde aber nicht so gut funktionieren, wenn Menschen nicht von sich aus bereit wären, längerfristige Bindungen einzugehen. Leben Menschen also in einer dauerhaften Zweierbeziehung, weil es ihrer Natur entspricht? Thomas Junker ist Professor für Biologiegeschichte an der Universität Tübingen.

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Hilal Sezgin fordert ein gemeinsames Handeln für eine bessere Welt

Die Philosophin Hilal Sezgin plädiert in ihrem neuen Buch „Nichtstun ist keine Lösung“ für eine Ethik, in der nicht Rechthaben, Konkurrenz und Verzicht im Vordergrund stehen, sondern gemeinsames Handeln für eine bessere Welt. Anders gesagt: Sie macht den Menschen Mut, sich auf ihre eigene Courage zu besinnen. Denn die Welt braucht ihrer Meinung nach mehr Gut-sein als weniger: „Wenn wir das Gute nicht tun, wird das Schlechte überhandnehmen und uns in den Abgrund reißen.“ Deshalb versucht sie herauszufinden, warum das Gute gegenwärtig einen so schlechten Leumund hat und warum es so viele Menschen verunsichert. Die Verunsicherten brauchen ein Verständnis des Guten, dass sie nicht abschreckt. Sie müssen den Stimmen nachgehen, die ihnen vorgaukeln, wenn wir das Gute nicht täten, ginge es uns besser. Die Philosophin Hilal Sezgin ist Buchautorin und freie Journalistin.

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Der Mensch beherrscht die Erde wie keine ander Spezies

Alles was die Menschen tun und sind, ist in der einen oder anderen Weise das Resultat der evolutionären Prägungen, die sie zu der Spezies gemacht hat, die den Planeten Erde beherrscht wie keine andere. Matthias Horx ergänzt: „Was uns von allen anderen Tierarten unterscheidet, ist die extreme Empfindlichkeit und Hilfsbedürftigkeit unserer Brut. Keine andere Spezies muss einen derart komplexen Aufwand treiben, damit ihre Babys überleben.“ Dazu zählen unter anderem Zuneigung, Ernährung, Schutz, Wärme, Erkennen, Berühren, Wickeln, Spielen, Erziehen, Ermahnen. Zwar gibt es auch im Tierreich Fürsorge – Ratten, Katzen, Hunde lecken und „groomen“ ihre Brut, Vögel bauen Nester, die sie auskleiden und warten geduldig, bis ihre Kinder flügge sind. Aber der Aufwand für den menschlichen Nachwuchs ist so gigantisch, dass er das ganze Leben fordert. Matthias Horx ist der profilierteste Zukunftsdenker im deutschsprachigen Raum.

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Die Menschen sind lediglich Teil der Natur

Als das Werk „Über die Entstehung der Arten“ von Charles Darwin (1809 – 1882) im Jahr 1859 veröffentlicht wurde, sorgte es nicht nur in England für großen Wirbel. Fortan war es nicht mehr möglich, die Menschen völlig losgelöst vom übrigen Tierreich zu betrachten. Nigel Warburton erklärt: „Die Menschen waren nicht mehr etwas Besonderes, sondern lediglich Teil der Natur, wie jedes Tier. Vielleicht erscheint uns das heute nicht mehr überraschend, aber für die meisten Zeitgenossen des Viktorianischen Zeitalters war diese Theorie ein Skandal.“ Heute fällt es einem Menschen leicht, seine Ähnlichkeit mit den Affen zu erkennen. Dazu braucht er lediglich ein paar Minuten in der Gesellschaft eines Schimpansen oder Gorillas verbringen. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Jeder Mensch hat das Recht auf Liebe

Das Titelthema des neuen Philosophie Magazins 04/2017 dreht sich um das schönste Thema der Welt: die Liebe. Die Liebe ist vielleicht das stärkste Gefühl, das der Mensch kennt: magisch, mitreißend, buchstäblich unbeschreiblich. Chefredakteur Wolfram Eilenberger schreibt in seinem Editorial: „Zu keinen Zeitpunkt der Existenz erfahren wir uns als verletzlicher, unsicherer, ausgesetzter, machtloser als in dem Moment, indem wir einem anderen Menschen anvertrauen, ihn zu lieben, ohne dessen Antwort bereits zu kennen.“ Die Liebe hat das Potential – ob als romantisches Glück oder freundschaftliche Tiefe – die Menschen vor dem zu retten, was sie derzeit am meisten bedroht: Vereinzelung, Effizienzdenken und Identitätswahn. Das romantische Liebesideal der absoluten Einheit beruhte auf extremer Intensität und schloss Risiken bis hin zum Liebestod nicht aus. Heutzutage entsteht im Zeichen einer Schmalspurromantik der Dating Portale ein destruktiver Erwartungsdruck, die die Liebe erstickt, ja zur völligen Beziehungslosigkeit führen kann.

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In Zukunft kann es zu weitreichenden Pandemien kommen

Zika, Eboloa, Grippe: Viren lösen immer wieder Seuchen aus, die tausende Menschen bedrohen. Auf die Frage wie groß die Gefahr ist, die von ihnen ausgeht, antwortet Christian Drosten: „Früher hat man sich Gedanken über Pocken und Kinderlähmung gemacht, heute herrschen andere Probleme vor – Infektionen wie HIV, die relativ lange unauffällig verlaufen und sich sehr langsam verbreiten. Gerade der langsame Krankheitsverlauf ist gefährlich bei solchen Krankheiten.“ Außerdem geht seiner Meinung nach eine große Gefahr von Viren aus, die ihren Ursprung im Tierreich haben, besonders von solchen, die über die Atemwege aufgenommen werden. Dazu zählt der Experte Influenzaviren, die sicherlich immer wieder kommen werden, und auch Coronaviren. Durch die verbesserte Mobilität in der globalisierten Welt verbreiten sich solche Viren natürlich noch stärker. Christian Drosten ist seit Anfang März Leiter des Instituts für Virologie an der Berliner Charité.

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Hans-Peter Nolting sucht nach den Wurzeln der Gewalt

Die Suche nach einer gemeinsamen Wurzel von menschlicher Aggression und Gewalt weckt immer großes Interesse. Es ist faszinierend, wenn man eine breite Vielfalt auf ein einziges Grundprinzip zurückführen kann. Von solchen Bemühungen war auch die Aggressionspsychologie lange Zeit geprägt. Hans-Peter Nolting erklärt: „Ein angeborener Aggressionstrieb, Aggression als Reaktion Frustrationen oder Aggression als erlerntes Verhalten – das sind drei Grundideen von bekannten Theorien.“ Inzwischen hat sich die wissenschaftliche Debatte von der Suche nach einer generellen Aggressionserklärung für die Gattung Mensch weitgehend verabschiedet und sich stattdessen vielfältigen Ausschnitten aus dem breiten Spektrum zugewandt. „Ausschnitte“ können vor allem sein: spezielle Erscheinungsformen oder Typen hochaggressiver Menschen oder einzelne Kontextbereiche wie die Familie, die Arbeitswelt, der Sport, die Politik und so weiter. Dr. Hans-Peter Nolting beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Themenkreis Aggression und Gewalt, viele Jahre davon als Dozent für Psychologie an der Universität Göttingen.

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Serge Latouche geißelt die Maßlosigkeit des Wirtschaftssystem

Laut Professor Dominique Belpomme (französischer Krebsforscher) sind fünf Szenarien denkbar, wie die Menschheit aussterben könnte: Erstens durch einen gewaltsamen Selbstmord wie etwa einem Atomkrieg. Zweitens durch den Ausbruch extrem schwerer Krankheiten, wie zum Beispiel einer Pandemie oder Unfruchtbarkeit aufgrund eines nicht reversiblen demografischen Verfalls. Drittens durch die Erschöpfung der natürlichen Ressourcen. Viertens durch die Zerstörung der Artenvielfalt und fünftens durch die extremen physikalisch-chemischen Veränderungen der anorganischen Umwelt wie das Verschwinden des stratosphärischen Ozons und den zunehmenden Treibhauseffekt. Für Serge Latouche gehen solche Überlegungen an dem Hauptproblem vorbei: „Der Logik der Maßlosigkeit unseres Wirtschaftssystems.“ Serge Latouche ist ein französischer Ökonom und Philosoph, Professor a.D. der Universität Paris-XI und gilt als einer der Vertreter des Konzepts der Rücknahme des Wirtschaftswachstums.

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Philipp Hübl begibt sich auf die Spur des unbewussten Denkens

Der niederländische Psychologe Ap Dijksterhuis hat in einem vieldiskutierten Experiment die Vernunft des Abwägens in Frage gestellt. Seine provokante These lautet: Bei komplexen Entscheidungen wie einem Autokauf hilft bewusstes Nachdenken nicht weiter. Besser sei, sich keinen Kopf zu machen, eine Nacht darüber zu schlafen und dann spontan zu entscheiden. Ap Dijksterhuis erklärt dies damit, dass dem unbewussten Denken mehr Kapazitäten zur Verfügung stünden und es daher dem bewussten Abwägen überlegen sei. Seinen Ansatz nennt er „Theorie des unbewussten Denkens.“ Philipp Hübl hält diese Theorie für fragwürdig. Denn es gibt etwa ein Dutzend Experimente anderen Forschern, die den Annahmen des Niederländers widersprechen. Denn in der Regel entscheidet derjenige am besten, der bewussten Zugriff auf alle verfügbaren Informationen hat. Philipp Hübl ist Juniorprofessor für Theoretische Philosophie an der Universität Stuttgart.

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Philipp Hübl stellt den Vertrautheitseffekt vor

Auf die Frage, warum man sich zu Hause besonders geborgen fühlt, antwortet der amerikanische Psychologe Robert Zajonc: „Durch bloße Wiederholung.“ Alles, was ein Mensch mehrmals sieht, hört und erlebt, bekommt allein dadurch einen positiven Wert, sofern er damit keine Gefahr oder andere negative Dinge verbindet. Robert Zajonc nennt dieses Phänomen „Mere-Expose-Effekt“, also in etwa „Effekt durch bloßen Kontakt“ oder kürzer „“Vertrautheitseffekt“. Vorlieben oder Präferenzen, wie die Psychologen sagen, können sich auf vielen Wegen formen. Einige sind angeboren, wie die Lust auf Süßes oder die Abneigung gegenüber bitteren Speisen. Andere werden erlernt. Philipp Hübl erklärt: „Das wiederholte Lob der Eltern beispielsweise verstärkt in Kindern die Neigung, alles aufzuessen. Wieder andere entstehen durch Nachahmung oder Gruppenzwang, man denke dabei an Modesünden aus der eigenen Jugend.“ Philipp Hübl ist Juniorprofessor für Theoretische Philosophie an der Universität Stuttgart.

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Emotionen dienen der sozialen Kommunikation

Der Rolle der Gefühle hat als einer der Ersten Antonio Damasio erkannt. Der Neurologe, der fast sein ganzes Forscherleben dem Zusammenspiel zwischen Fühlen und Denken gewidmet hat, belegte, was Philosophen wie David Hume schon im 18. Jahrhundert postuliert hatten: Erst die Emotionen geben dem Verstand eine Richtung und dem Handeln einen Sinn. Ulrich Schnabel fügt hinzu: „Wer keinen Zugang zu seinen Gefühlen hat, dem fällt auch das sogenannte vernünftige Denken enorm schwer.“ Antonio Damasio ist fest davon überzeugt, dass ein Leben ohne Gefühle zwar theoretisch möglich, aber nicht von langer Dauer wäre. So sind Gefühle aus Sicht der Biologie entscheidende Instrument des Überlebens. Sie vermitteln wichtige Informationen, die man oft gar nicht bewusst zur Kenntnis nimmt, die einen aber dennoch leiten und steuern, weil man sie körperlich spürt. Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „Zeit“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.

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Antibiotika helfen zuverlässig gegen Borreliose

Schätzungen zufolge erkranken in Deutschland pro Jahr 100.000 Menschen an Borreliose, einer von Zecken übertragenen Infektion mit Bakterien. Der Neurologe Dr. Tobias Rupprecht, der im Helios-Klinikum München West eine Spezialambulanz für Borreliose leitet, kann die meisten seiner Patienten beruhigen: „Der Verdacht erweist sich bei mehr als zwei Drittel als falsch. Gerade wegen der vielen möglichen Symptome vermuten Patienten und Ärzte manchmal auch bei unklaren Beschwerden: Das könnte eine Borreliose sein. Nicht selten zu Unrecht. Dr. Tobias Rupprecht erklärt allerdings: „Die Erkrankung muss man immer ernst nehmen. Ein darin erfahrener Arzt kann sie in den meisten Fällen gut erkennen.“ Antibiotika helfen zuverlässig, auch dann, wenn sich die Borrelien – so die Bezeichnung der Erreger – schon im Körper verteilt haben. Die Zecken schlagen fast immer im Grünen zu.

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Das pure Vergnügen ist der einzige Lebenszweck

Der griechisch-lybische Philosoph Aristippos, der von 435 bis 356 vor Christus lebte, schrieb einst: „Die Kunst zu leben liegt darin, die an uns vorüberziehenden Freuden zu ergreifen. Die größten Freuden sind nicht die geistigen, und moralisch sind sie auch nicht immer.“ Daniel Klein erinnert sich noch gut daran, was er fühlte, als er sich diesen Sinnspruch notierte: „Herausfordernd! Gewagt!“ Die sechziger Jahre mit ihrem Ethos totaler Freiheit begannen aufzudämmern, und er fühlte sich auf die Probe gestellt. Plötzlich kam ihm Epikurs vorsichtiger Hedonismus wie der Bluff eines schüchternen Mannes vor. Aristippos war der echte Stoff – ein war ein ungezügelter Hedonist. Daniel Klein, Jahrgang 1939, studierte Philosophie in Harvard. Zusammen mit Thomas Cathcart schrieb er „Platon und Schnabeltier gehen in eine Bar“, das in 26 Sprachen übersetzt wurde.

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Gute Freunde halten Körper und Seele gesund

Gute Freunde helfen nicht nur Hindernisse zu meistern, sie halten außerdem gesund. Denn gegen Übergewicht und Bluthochdruck helfen sie offenbar besser als Sport und gesunde Ernährung. Wer kaum freundschaftliche Kontakte pflegt, schläft nicht nur schlechter und ist öfter gestresst. Er hat auch ein höheres Risiko, früher zu sterben. Professor Franz Neyer, Direktor des Instituts für Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena, erklärt: „Ohne soziale Beziehungen können Menschen überhaupt nicht existieren.“ Was ihn an dieser Tatsache besonders fasziniert, dass der Mensch freiwillig enge Bande zu Fremden knüpft. Das ist der Unterschied zu vielen Tieren, die ohne ihr Rudel kaum überleben könnten. Seit mehr als 20 Jahren untersucht Franz Neyer was Menschen abseits von Verwandtschaft, Sexualität und oberflächlichem Nutzen aneinander bindet.

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Nur durch die Kultur lässt sich das Dasein ertragen

Der amerikanische Psychologe Sheldon Solomon hat sich fast sein ganzes Berufsleben lang mit der Angst vor dem Tod beschäftigt. Er hat erforscht, wie die Furcht vor dem Tod das menschliche Leben bestimmt. Das Großhirn erlaubt es den Menschen, abstrakt und symbolisch zu denken, aber zugleich ist es auch fähig zu begreifen, dass das Leben der Menschen endlich ist, wie dasjenige aller Lebewesen. Das erzeugt einen tiefen, lähmenden Schrecken. Jeder muss damit leben. Wie das gelingen kann, hat der Kulturanthropologe Ernest Becker beschrieben: „Um die Last des Daseins ertragen zu können, verankern wir uns in einem Glaubenssystem, das wir Kultur nennen. Kultur gibt unserem Leben einen Sinn, sie gibt uns einen Wert – und zwar, indem sie uns eine Vision von Unsterblichkeit liefert.“

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Philipp Hübl dringt in den Untergrund des Denkens vor

Ein großes Thema unserer Zeit ist der unvernünftige und verführbare Mensch, der der Macht des Unbewussten hilflos ausgeliefert ist. Philipp Hübl klärt in seinem neuen Buch „Der Untergrund des Denkens“ darüber auf, dass das nicht immer so war: „Von der antiken griechischen Philosophie über die europäische Aufklärung bis in die Moderne galt eigentlich die Vernunft als dasjenige Merkmal, das uns Menschen von Tieren unterscheidet.“ Die Vernunft zeigt sich in der Art und Weise, wie Menschen etwas tun, nämlich wenn sie gründlich nachdenken und bewusst handeln. In der Kulturgeschichte konkurrieren also, grob gesprochen, zwei Bilder über die Natur des Menschen. Das klassische Bild stellt den Menschen als selbstbestimmte Person dar, die bewusst über sich und die Welt nachdenken und vernünftige Entscheidungen treffen. Philipp Hübl ist Juniorprofessor für Theoretische Philosophie an der Universität Stuttgart.

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Menschen brauchen soziale Resonanz

Eine passende Rückmeldung der Umwelt ist nicht nur in den ersten Lebensjahren essenziell für einen Menschen. Ulrich Schnabel erklärt: „Auch in späteren Jahren sind wir auf „Resonanz“ von außen angewiesen.“ Zwar reagieren Menschen mit zunehmenden Alter weniger labil auf äußere Einflüsse, weil sich die Persönlichkeit ausgeformt und an Stabilität gewinnt. Dennoch bleibt man ein soziales Wesen, das bis ins hohe Alter offen ist für den Austausch von Liebe und Zuneigung, das Teilen von Trauer und Trost und die Auseinandersetzung über unterschiedliche Standpunkte. Diese Resonanz mit der Außenwelt ist umso ausgeprägter, je mehr man sich mit den jeweiligen Mitmenschen verbunden fühlt und je mehr Zeit man mit ihnen verbringt. Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „Zeit“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.

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Ulrich Schnabel beschreibt den Zirkel der Freude

Das anfängliche emotionale Leben eines Kindes ist einem ständigen Wechselspiel zwischen Erfahrung und Entwicklung unterworfen. Ulrich Schnabel erläutert: „Zwar ist die nötige genetische Grundausstattung in uns allen angelegt, doch die einzelnen Funktionen müssen erst durch die konkrete Erfahrung aktiviert werden.“ Fehlt eine Rückmeldung von außen, verschalten sich zum Beispiel im Gehirn die einschlägigen Neuronen und Areale nicht richtig, sodass sich die entsprechenden Fähigkeiten sich nicht entwickeln können. Zugleich wird in den ersten Tagen und Wochen der emotionale „Grundton“ gesetzt, der für das Gefühlsleben eines Kindes entscheidend wird. Denn das innere Erleben eines Kleinkindes wird vor allem über die emotionalen Reaktionen seiner Bezugspersonen definiert. Wird es babygerecht angesprochen und angelächelt, erlebt sich das Kind selbst als freudeerzeugendes Wesen, das Liebe hervorruft. Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „Zeit“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.

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Menschen brauchen Raum zur Entfaltung

John Stuart Mill (1806 – 1873) war ein Vorkämpfer und Ungerechtigkeit und einer der ersten Verfechter des Feminismus. Er war tätig als Politiker und Journalist sowie außerdem einer der größten Philosophen des 20. Jahrhunderts. John Stuart Mill war Utilitarist und stand unter starkem Einfluss von Jeremy Bentham. Nigel Warburton erklärt: „Obwohl Mill mit Bentham darin einer Meinung war, dass die richtige Handlung immer die ist, die am meisten Glück bewirkt, glaubte er, dass die von seinem Lehrer vorgebrachte Darstellung des Glücks als bloße Luststeigerung zu unausgereift sein.“ Also entwickelt John Stuart Mill seine eigen Version der Theorie, die zwischen höherer und geringerer Lust unterschied. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Erfindungen fördern die Bewegung der Aufklärung

Die Bewegung der Aufklärung wurde beflügelt durch die großen Erfindungen der Neuzeit wie Buchdruck, Seekompass, Schiffsuhr, Fernglas, Mikroskop und so weiter. Diese Innovationen trugen direkt oder indirekt zur Verbesserung der Erfahrungserkenntnis bei. Entdeckungsreisen erweiterten die Kenntnis der Erde und der auf ihr lebenden Menschen, Tiere und Pflanzen in ungeheurem Ausmaß. Die Weltumsegelungen von James Cook, der von 1728 bis 1779 lebte, bildeten das eindrucksvollste Beispiel. Sein wissenschaftlicher Begleiter Georg Forster schrieb: „In einem gleichen Zeitraum hat niemand je die Grenzen unseres Wissens in gleichem Maße erweitert.“ Mithilfe von Fernrohr und Mikroskop eröffneten sich neue Makro- und Mikrowelten. Die Grenzen dieser Instrumente ließen aber auch ahnen, wie viele Dinge im Universum weiter verborgen bleiben müssen. Eine besondere Leitbildfunktion hatte die wissenschaftliche Revolution des 17. Jahrhunderts.

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