Der Naturmensch war schon immer eine Fiktion

Konrad Paul Liessmann stimmt der Aussage zu: „Der Naturmensch war immer schon eine Fiktion. Für den Menschen war seine eigene Natur nur das Ausgangsmaterial, das es erst zu gestalten galt.“ Eine prekäre Radikalisierung erfuhr dieser Sachverhalt durch die Überlegung, dass es nicht darum gehen sollte, den Menschen nach ethischen und ästhetischen Überlegungen zu formen, sondern zu verbessern. Dieser Gedanke hat die Einsicht in das Ungenügen des Vorhandenen ebenso zur Voraussetzung wie die normative Vorstellung, an der sich die nun einsetzenden Programme der Optimierung orientieren können. Das Konzept des „neuen Menschen“, der einen alten hinter sich lassen sollte, ist christlichen Ursprungs. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

Weiterlesen

Konrad Paul Liessmann begibt sich auf die Suche nach dem Selbst

Es kann sein, dass jemand nicht nur mit seinem Wissen, seinen Fähigkeiten, seinem Ich-Gefühl und seinem Affekthaushalt unzufrieden ist, sondern mit seinem Selbst insgesamt und es gezielt durch Bildung verändern will. Solch ein Mensch möchte ein Selbst vielleicht erst finden, herausfinden, wer er eigentlich ist, unter Umständen überhaupt ein anderer werden. Konrad Paul Liessmann warnt: „Die Gefahr ist groß, dass dieser Mensch in eine Situation gerät, die man das Kierkegaard-Paradoxon nennen könnte.“ Der dänische Philosoph Sören Kierkegaard hat in seinem epochalen Buch „Die Krankheit zum Tode“ die These entfaltet, dass Identitätskrisen prinzipiell die Form der Verzweiflung und der Verzweiflung prinzipiell die Form der Identitätskrise zukommt. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

Weiterlesen

Selbstveränderungen gelingen nur mithilfe anderer Menschen

Die Macht des Unbewussten in Frage zu stellen und zu leugnen, dass die Willensbildung eines Menschen auch über unbewusste Mechanismen auf vielfältige Weise beeinflussbar ist, wäre naiv. Joachim Bauer ergänzt: „Ebenso naiv wäre es, mit der Willensfreiheit die Vorstellung zu verbinden, der Mensch könne sich – qua freien Willen oder auf der Basis von neuen Vorsätzen – selbst neu erfinden.“ Zu den Kontexten, in denen sich die menschliche Willensbildung vollzieht, gehört die eigene, überaus facettenreiche innere Realität mitsamt ihren unbewussten Anteilen.“ Zum großen Projekt der Aufklärung gehörte auch die Erforschung der inneren Realität. Nur so können die Sphären der Vernunft und die von ihr ermöglichten Möglichkeiten der Steuerung auch nach innen hin erweitert werden. Der Neurobiologe, Arzt und Psychotherapeut Joachim Bauer lehrt an der Universität Freiburg.

Weiterlesen