Die Redefreiheit ist in der gegenwärtigen Welt wichtiger denn je

Schon im Jahr 2011 hat Timothy Garton Ash eine Debatte über die Redefreiheit angestoßen. Teilnehmer aus der ganzen Welt diskutieren seitdem Konflikte, die aus der Kollision unterschiedlicher Überzeugungen entstehen. In seinem Buch „Redefreiheit“ hat er Prinzipien entwickelt, die das Recht auf Redefreiheit genauso wie die Würde Andersdenkender sichern sollen. Das Internet macht es leicht, mit der ganzen Welt Ideen und Meinungen auszutauschen. Doch nicht überall auf der Welt darf alles gesagt und gezeigt werden – was in den meisten Staaten Europas als legitime Meinungsäußerung gilt, kann beispielsweise in Ländern wie Russland oder China als schwerer Verstoß gegen politische oder kulturelle Regeln gelten. Timothy Garton Ash ist Professor für Europäische Studien an der Universität Oxford und Senior Fellow an der Hoover Institution der Stanford University.

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Die Meinungs- und Redefreiheit sind der „Lebenssaft“ der Demokratie

Auf der einen Seite gibt es für Timothy Garton Ash tatsächliche eine Explosion der Hassrede im weitesten Sinn; das meiste davon kann seiner Meinung nach getrost ignorieren. Auf der anderen Seite besteht die pathologische Bereitschaft, sich sofort verletzt zu fühlen, schon bei der allerkleinsten Kränkung. Timothy Garton Ash stellt fest: „Das ist eine Infantilisierung des öffentlichen Diskurses, die ich leider bei meinen Studenten in Oxford und Stanford beobachten kann. Die Universitäten sollten Tempel der Redefreiheit sein, in denen alles, auch die anstößigste Meinung, auf zivilisierte Weise diskutiert werden kann.“ Selbst anstößige Geschichten sind kein Grund, jemanden von der öffentlichen Debatte auszuschließen. Es gibt verschiedene Hypothesen, die sich allerdings teilweise widersprechen, woher die Überempfindlichkeit vieler Menschen in liberalen Gesellschaften kommt. Der britische Zeitgeschichtler Timothy Garton Ash lehrt in Oxford und an der kalifornischen Stanford University.

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Hinter Gefühlen verbergen sich oft vernünftige Überlebensstrategien

Eyal Winter zeigt in seinem Buch „Kluge Gefühle“, dass sich selbst hinter vermeintlich irrationalen Gefühlen wie Liebe und Hass vernünftige Überlebensstrategien verbergen. Dabei rehabilitiert der Autor auch negative Gefühle wie Neid und Angst, die produktiv sind, wenn man sie nicht leugnet. Eyal Winter erklärt mit Erkenntnissen aus den aus den Forschungsgebieten der Evolution, Neurologie und Spieltheorie sowie anhand von zahlreichen Fallgeschichten, warum Gefühle die meisten Menschen schnell und zuverlässig das Richtige tun lassen. Die emotionalen und rationalen Mechanismen eines Menschen arbeiten Hand in Hand und unterstützen sich gegenseitig. Bisweilen lassen sie sich überhaupt nicht voneinander trennen. Sehr häufig ist eine auf Emotion oder Intuition beruhende Entscheidung viel effizienter – und im Grunde viel besser – als eine Entscheidung, die nach einer gründlichen und genauen Beurteilung aller denkbaren Ergebnisse und Folgerungen getroffen wurde. Eyal Winter ist Professor für Ökonomie und Leiter des Zentrums für Rationalität an der Hebräischen Universität von Jerusalem.

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Die Bibel ist auch ein Denkraum für die Philosophie

In der neuen Sonderausgabe des Philosophie Magazins „Die Bibel und die Philosophen“ interpretieren berühmte Denker die zentralen Passagen des Alten Testaments. Dazu zählen unter anderem Immanuel Kant, Hans Blumenberg, Hannah Arendt, Baruch de Spinoza, Umberto Eco, Walter Benjamin und Søren Kierkegaard. Für die Chefredakteurin der Sonderausgabe, Catherine Newmark, steht fest: „Ohne Zweifel, die Bibel ist die einflussreichste Schrift unserer Geschichte; Malerei, Musik, Literatur, Film sind von ihr inspiriert bis zum heutigen Tag.“ Wenn Glauben archetypisch Passivität und Hingabe bedeutet, so steht die Philosophie umgekehrt für die Selbstermächtigung des Menschen durch Vernunft, hin zu Aktivität und Freiheit. Die in der Sonderausgabe versammelten philosophischen Betrachtungen zeigen: Das Alte Testament ist nicht nur eine Heilige Schrift für Gläubige oder eine Schatzkammer schöner Geschichten für Kulturhistoriker, sondern auch ein ungeheuer bezugsreicher Denkraum, ein Raum für Philosophie.

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Die Philosophen sind von der Sprache verhext

Die meisten Menschen, die den Philosophen Ludwig Wittgenstein begegneten, hielten ihn für ein Genie. Sein Kollege Bertrand Russell beschrieb ihn als „leidenschaftlich, tiefsinnig und sehr bestimmend“. Er prägte seinen Studenten ein, keine Zeit mit dem Lesen von Philosophiebüchern zu vergeuden. Nigel Warburton ergänzt: „Wenn sie, die Studenten, diese Bücher ernst nähmen, sollten sie sie durch den Raum werfen und selbst über die Fragen weiter nachdenken, um die es in diesen Büchern geht.“ Sein erstes Buch „Tractatus logico-philosophicus“ (1921) bestand aus einzelnen nummerierten kleinen Abschnitten, von denen viele eher wie Gedichte klangen und weniger als philosophische Erörterungen. Seine zentrale Botschaft lautete, dass die wichtigsten Fragen über Ethik und Religion außerhalb der Grenzen des menschlichen Verständnisses lägen, und dass man, wenn man nicht sinnvoll darüber reden kann, lieber schweigen sollte. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Toleranz muss zur Anerkennung führen

Zu den massivsten und erfolgreichsten Kampagnen der Aufklärung zielt auf Religionsfreiheit und Toleranz. Religiöse Toleranz ist als Postulat und als Praxis nicht auf die Frühe Neuzeit und die Moderne und nicht auf Europa und Nordamerika beschränkt, wie eine eurozentrierte Aufklärungshistorie oft unterstellt. Gleichwohl findet sich hier ihre ausdifferenzierteste Form. Die Toleranzdebatte zielt auf religiöse Freiheit sowie auf individuelle Freiheits- und Menschenrechte, ganz im Sinne des französischen Philosophen und Theologen Sebastians Castellios (1515 – 1563), der gegen die Intoleranz geltend gemacht hatte: „Einen Menschen töten heißt nicht, eine Lehre verteidigen, sondern einen Menschen töten.“ Sie verschränkt naturrechtliche, vertragstheoretisch akzentuierte, oft skeptisch getönte, und pragmatische oft ökonomische Überlegungen und richtet sich gegen die Vertreter religiöser Orthodoxie, die eine auf Einheit gerichtete Autorität im kirchlichen und staatlichen Bereich durchsetzen wollen.

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Der Geist ist kein rein biologisches Phänomen

Markus Gabriel möchte in seinem Buch „Ich ist nicht Gehirn“ durch die Darstellung einiger zentraler Grundbegriffe der Philosophie des Geistes die geistige Landschaft der menschlichen Selbsterkenntnis kartographieren. Er stellt sich dabei die Frage, wie die Begriffe Bewusstsein, Selbstbewusstsein, Ich, Wahrnehmung und Denken zusammenhängen und wie sie überhaupt in das Vokabular des Menschen gekommen sind. Außerdem geht es ihm um die positive Selbsterkenntnis, also um die Frage, wer der Mensch eigentlich ist. Seine positive Hauptthese lautet, dass der menschliche Geist eine offene Vielzahl von Vermögen hervorbringt, die allesamt geistig sind, weil der Geist sich über diese Selbstdeutungen ein Bild von sich selbst verschafft. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Der Traum ist der Königsweg zum Unbewussten

Sigmund Freud (1856 – 1939) nannte die Träume „den Königsweg zum Unbewussten“ – also eine der besten Möglichkeiten, verborgene Gedanken aufzuspüren. Die Dinge, die Menschen in Träumen sehen oder erleben, sind nicht das, was sie zu sein scheinen. Nigel Warburton erklärt: „Das ist das oberflächliche Traummaterial, aber die wahre Bedeutung des Traums findet man im latenten (verborgenen) Trauminhalt.“ Genau den versuchte der Psychoanalytiker Sigmund Freud zu verstehen. Die Dinge, auf die Menschen im Traum stoßen, sind Symbole. Sie stehen für die Wünsche, die sich im Unbewussten eines Menschen verstecken. Ein Traum, in dem eine Schlange, ein Schirm oder ein Schwert vorkommen, ist sehr häufig ein verdeckter sexueller Traum. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Gute Freunde halten Körper und Seele gesund

Gute Freunde helfen nicht nur Hindernisse zu meistern, sie halten außerdem gesund. Denn gegen Übergewicht und Bluthochdruck helfen sie offenbar besser als Sport und gesunde Ernährung. Wer kaum freundschaftliche Kontakte pflegt, schläft nicht nur schlechter und ist öfter gestresst. Er hat auch ein höheres Risiko, früher zu sterben. Professor Franz Neyer, Direktor des Instituts für Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena, erklärt: „Ohne soziale Beziehungen können Menschen überhaupt nicht existieren.“ Was ihn an dieser Tatsache besonders fasziniert, dass der Mensch freiwillig enge Bande zu Fremden knüpft. Das ist der Unterschied zu vielen Tieren, die ohne ihr Rudel kaum überleben könnten. Seit mehr als 20 Jahren untersucht Franz Neyer was Menschen abseits von Verwandtschaft, Sexualität und oberflächlichem Nutzen aneinander bindet.

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Der Rechtspopulismus ist eine Gefahr für die Demokratie

Der Rechtspopulismus denkt partikularistisch. Solidarität, Gerechtigkeit und Gleichheit gelten für Rechtspopulisten nur innerhalb der eigenen Gruppe: der Nation, der Steuerzahler, des Abendlandes. Kulturen und Identitäten sollen sich nicht vermischen. Das Fremde soll draußen bleiben, gerade weil die Welt so befremdlich geworden ist: der Fremde, die fremde Religion oder Lebensweise, der fremde Gedanke. Die mal latente, mal aggressive Ausländerfeindlichkeit der rechtspopulistischen Bewegung ist das auffälligste Symptom der Sorge um den Verlust der Identität. Sie muss in Abgrenzung zum Anderen gesichert und neu hergestellt werden. Der neue Rechtspopulismus ist keine konservative Bewegung. Er setzt im Gegenteil auf die Veränderung der Gesellschaft; darauf weist der Münchner Soziologe Armin Nassehi hin. Zwar stehen im Programm der AfD viele Forderungen aus dem klassischen Repertoire des Konservatismus. Wenn man die Forderungen aber zu Ende denkt, geht es bei ihnen weder um die Bewahrung des Bestehenden noch um die Wiedergewinnung des Verlorenen.

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Friedrich Nietzsche postuliert: „Gott ist tot.“

„Gott ist tot“. Das ist der berühmteste Satz des deutschen Philosophen Friedrich Nietzsche (1844 -1900). Wörtlich genommen, wollte er nicht sagen, Gott habe zu einer bestimmten Zeit gelebt oder lebe jetzt nicht mehr, sondern eher, dass der Glaube an Gott nicht mehr vernünftig ist. Ganz anders als zum Beispiel bei Immanuel Kant, der seine Gedanken zu einem strengen System ordnete, stürmen die Gedanken bei Friedrich Nietzsche von allen Seiten auf den Leser ein. Nigel Warburton erklärt: „Viele seiner Schriften sind in der Form von kurzen, bruchstückhaften Absätzen und Aphorismen, also Merksätzen, verfasst, einige ironisch, andere ernst, viele deutlich provokant. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Das Internet trägt wesentlich zur Verbreitung des Narzissmus bei

Die moderne Gesellschaft scheint sich einig, dass Narzissmus zu verurteilen ist: als ein Macke, wenn nicht als ein Geistesstörung. Aber nicht jeder, der stört, ist auch gestört. Der amerikanische Schriftsteller Jonathan Franzen erklärt: „Das Netz ist so ziemlich das größte Instrument zur Förderung von Narzissmus, das je gebaut wurde.“ Lange Zeit war narzisstisches Verhalten ein Privileg der Reichen und Einflussreichen, zu deren Jobprofil es gehörte, auf dicke Hose zu machen. Nur sie konnten sich öffentliches Gepolter erlauben, um ihr Ego aufzuplustern, nur sie fanden damit Gehör. Auf Facebook, Instagram, Pinterest ruft der Narzisst der Welt zu: „Schaut her! Hier bin ich! Was haltet ihr davon? Wie findet ihr mich? Antwortet mir!“ Die Selfiestange heißt im englischen Sprachraum nicht umsonst „Narcistick“.

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Islamisten leiden unter selektiver Wahrnehmung

Vor der islamischen Revolution im Jahr 1979 war der Iran offener als viele andere in der Region. Damals war die Führung nationalistisch eingestellt und die Religion spielte eine wesentlich geringere Rolle als heute. Der Islam-Experte und Psychologe Ahmad Mansour erklärt: „Aber es war dennoch ein autokratisches System, das da geherrscht hatte. Also genau so undemokratisch wie jetzt – nur im Namen des Nationalismus.“ Die Entwicklungen in den letzten Jahren haben für den Islam-Experten viel mit der Rolle Saudi-Arabiens und anderer Golfstaaten zu tun. Die haben Milliarden investiert, um Moscheen zu bauen und um zu missionieren. Sie beherrschen die Länder der Region mit ihrer Ideologie. Dabei darf man allerdings nicht vergessen, dass der Nationalismus im Kampf gegen die westliche Kultur vor allem gegen Israel immer wieder Niederlagen einstecken musste.

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Niall Ferguson nennt fünf Gründe für den Populismus

Der in diesen Tagen um sich greifende Populismus versetzt die Regierungen in Europa und den USA in Alarmstimmung. Der Duden beschreibt dieses Phänomen „als eine von Opportunismus geprägte, volksnahe, oft auch demagogische Bewegung, die das Ziel hat, durch Dramatisierung der politischen Lage die Gunst der Massen zu gewinnen“. Im Klartext wird den Politikern die Bereitschaft abgesprochen, dem Volk zu dienen. Sie hätten keine Antworten auf die großen Probleme der Zeit. Die Populisten sind daher tief davon überzeugt, dass nur sie die wahren Interessen der schweigenden Mehrheit mit ihrem gesunden Menschenverstand vertreten. Wie konnte es überhaupt zu so einer, die repräsentative Demokratie gefährdenden Entwicklung kommen? Der amerikanische Historiker Niall Ferguson von der Harvard-Universität macht dafür fünf Faktoren verantwortlich.

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Gelungene Integration von Migranten umfasst auch soziale Aspekte

Der niederländische Soziologe Ruud Koopmans definiert Integration wie folgt: „Integration bedeutet, dass sich die Lebensverhältnisse von Zuwanderern an die der Mehrheitsgesellschaft angleichen.“ Das heißt, dass die Arbeitslosenquoten von Migranten nicht höher sind, ihre Kinder die gleichen Bildungsabschlüsse haben und die Einkommen – entsprechend ihrer Qualifikation – nicht niedriger sind als die der Gesamtbevölkerung. Dieser Teil ist in der Wissenschaft unstrittig. Für Ruud Koopmans umfasst gelungene Integration auch soziale Aspekte: Leben die Migranten in Parallelwelten oder werden sie ein Teil der aufnehmenden Gesellschaft? Nicht integriert in diesem Sinne sind Zuwanderer, die weitgehend unter sich bleiben, die keine Freundschaften zur deutschen Bevölkerung knüpfen, vorwiegend Zeitungen und Fernsehsendungen in ihrer Heimatsprache nutzen. Der niederländische Soziologe Ruud Koopmans leitet seit 2007 die Abteilung Migration, Integration und Transnationalisierung im Wissenschaftszentrum Berlin (WBZ).

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Im 18. Jahrhundert beginnt die moderne Zeit

Das 18. Jahrhundert ist von den Zeitgenossen und später von Historikern als eine Epochenwende und als Beginn der modernen Zeit empfunden worden. Das Deutsche Reich war seit dem Dreißigjährigen Krieg in eine Vielzahl von kleinen und kleinsten Territorien zersplittert und war in seiner Form weit von einem modernen Staat entfernt. Neben über dreihundert souveränen Territorien gab es eine Fülle von halbautonomen Gebieten und Städten, die eine kaum zu entwirrende Parzellierung des Reichsgebietes bewirkt hatten. Die Reichsgewalt des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation lag zwar bis zum Jahr 1806 beim deutschen Kaiser, sie war aber auf ganz wenige Rechte beschränkt und hatte eine mehr symbolische Bedeutung. Die wichtigen politischen Entscheidungen lagen bei den Territorialstaaten, die ihre Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit, Landesverteidigung, Polizeigewalt und so weiter unabhängig von der Reichsgewalt ausübten.

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Die Schuld ist ein unheimliches Phänomen

Über Schuld reden Menschen normalerweise nicht gerne. Doch Schuld ist allgegenwärtig. Auch ein psychisch kranker Mensch kann schuldig werden. Manfred Lütz erläutert: „Unser Rechtsordnung hat sich nach dem Prinzip „Im Zweifel für den Angeklagten“ entschieden, Menschen, denen einen halluzinierte Stimme befohlen hat, einen anderen Menschen zu töten, für schuldunfähig zu erklären, wenn er dieser Stimme folgt.“ Doch niemand weiß genau, inwieweit dieser Mensch sich dem Befehl doch hätte widersetzen können. Schuld ist ein unheimliches Phänomen. Die meisten Menschen sind sich ganz gewiss, dass es sie gibt, denn sie beeinträchtigt ihr Leben Tag für Tag, sie umgibt sie, sie sind ihr ausgeliefert, sie verstricken sich selbst in ihr, aber sie können die Schuld nicht fassen. Manfred Lütz leitet eine Klinik für psychisch Kranke in Köln.

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Die Menschen sind von Natur aus gut

Der große Schweizer Denker und Schriftsteller Jean-Jacques Rousseau, der von 1712 bis 1778 lebte, vertrat die Meinung, dass die wahre Religion vom Herzen komme und keiner religiösen Zeremonien bedürfe. Die Kirche hatte mehrere seiner Bücher verboten, da sie religiösen Ideen verbreiteten, die sich mit der offiziellen Lehre nicht vereinen ließen. Doch den größten Aufruhr verursachten seine politischen Ideen. „Der Mensch ist frei geboren und liegt doch überall in Ketten“, erklärte er zu Beginn seines Buchs „Der Gesellschaftsvertrag oder die Grundsätze des Staatsrechtes“. Für Nigel Warburton ist es nur allzu verständlich, dass Revolutionäre diese Worte zu ihrem Kampfruf machten, etwas Maximilien Robespierre und andere Anführer der Französischen Revolution. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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David Hume stellt die Existenz Gottes infrage

Der schottische Philosoph David Hume, der von 1711 bis 1776 lebte, stellte in seinem Werk „Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand“ aus dem Jahr 1748 die Existenz Gottes infrage. Er schrieb, es sei ziemlich unvernünftig, jahrhundertealten Zeugenberichten über Wunder Glauben zu schenken. Auf die Frage, ob das Gestaltungsargument die Existenz Gottes beweist, antwortet David Hume mit nein. Nigel Warburton erklärt: „Das Gestaltungsargument begründet auf der Tatsache, dass die Welt den Anschein erweckt, nach einem Plan entstanden zu sein.“ Aber David Hume wendet ein, dass aus der Vermutung, sie sei gemäß einem Plan geschaffen worden, nicht folgert, dass es tatsächlich so ist. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Bertrand Russell stellt die moderne Ungewissheit an den Pranger

Bertrand Russell vertritt die These, dass es in der Weltgeschichte vier Arten von Zeitaltern gegeben hat. Epochen, in denen alle dachten, sie wüssten alles, Zeitalter, in denen niemand dachte, er wüsste etwas, Zeiten in denen kluge Leute dachten, sie wüssten viel, und dumme Leute, sie wüssten wenig, und Zeitalter, in denen dumme Leute dachten, sie wüssten viel, und kluge, sie wüssten wenig. Bertrand Russel fügt hinzu: „Die erste Art von Zeitalter zeichnet sich durch Stabilität aus, die zweite durch langsamen Verfall, die dritte durch Fortschritt, die vierte durch Katastrophen.“ Alle primitiven Epochen sind von der ersten Sorte, da niemand an der Stammesreligion, an der Weisheit alter Bräuche oder am Nutzen des Erntezaubers zweifelt. Deshalb sind alle glücklich, solange es keinen fassbaren Grund, als Beispiel nennt Bertrand Russell eine Hungersnot, zum Unglücklichsein gibt.

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Die Aufklärung steht im Zeichen der Menschenrechte

Unter Aufklärung wird jene Epoche verstanden, in der sich in Europa beziehungsweise in den USA die Auffassung durchsetzte, dass weder die Ständeordnung noch das Gottesgnadentum der Monarchie auf Dauer durchsetzbar waren. Die Theorie der Gewaltenteilung setzte sich durch und die Menschenrechte wurden in die amerikanische Verfassung von 1776 aufgenommen. Ebenso bedeutsam war die Déclaration des droits de l´homme et du citoyen von 1789, die einer auf Freiheit, politischer Gleichheit und Selbstständigkeit der Individuen abhebende Weltsicht Platz schaffte. Die Aufklärung war sich ihrer geschichtlichen Besonderheit durchaus bewusst. Dies erhellen ihre Selbstthematisierung und die Wahl der Bildlichkeit beziehungsweise Begrifflichkeit für das eigene Tun. So beginnt beispielsweise für Alexander Pope mit Isaac Newtons wissenschaftlicher Revolution in der Physik eine Epoche des Lichts.

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Das Glück gibt es nicht als allgemeines Ideal

Manfred Lütz enthüllt in seinem neuen Buch „Wie Sie unvermeidlich glücklich werden“ die Einsichten der klügsten Menschen der Welt über das Glück. Er ist davon überzeugt, dass eine Verbindung von Psychologie, Philosophie und spiritueller Tradition ganz neue Horizonte eröffnet und zu erstaunlichen Ergebnissen führt. Aber vor allem sieht der Autor in seinem Werk ein Aufklärungsbuch, das seine Leser gut unterhalten und zum Selberdenken anregen soll. Aber das Buch von Manfred Lütz ist keinesfalls ein Ratgeber: „Im Gegenteil, es it geradezu ein Anti-Ratgeber, eine Befreiung vom professionellen Besserwissertum und damit eine Anleitung zum selbstbewussten eigenen Leben und zu einem Glück, das es nicht als allgemeines Ideal gibt, sondern nur höchstpersönlich. Der Psychiater und Psychotherapeut Manfred Lütz ist seit 1997 Chefarzt des Alexianer-Krankenhauses in Köln.

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Rudolf Eucken beantwortet Fragen zu Ewigkeit und Zeit

Der Mensch untersteht laut Rudolf Eucken als reines Naturwesen zunächst ganz und gar der Zeit und ihrer Veränderung, wie ein regelloser Strom fließt ihm das Leben dahin. Sobald es aber irgendeine Selbstständigkeit gewinnt, möchte es der bloßen Zeit überlegen werden, da es die Bindung an sie als einen Schaden und Schmerz empfindet. Und da entwickelt sich ein Verlangen nach einem dauerhaften Bestehen, ja nach Ewigkeit, wie Platon es in seinem Gastmahl in den herrlichsten Farben geschildert hat. Rudolf Eucken ergänzt: „So sucht der Einzelne, da er selbst bald vom Schauplatz abtreten muss, irgendwelche Spuren seines Daseins zu hinterlassen, große Könige errichten Denkmäler ihrer Taten und schreiben ihre Namen in Felswände ein.“ Im Jahr 1908 erhielt Rudolf Eucken den Nobelpreis für Literatur.

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Augustinus fragt warum Gott das Böse in der Welt zulässt

Augustinus, der von 354 bis 430 lebte, war getrieben von der Frage nach der Wahrheit. Als Christ glaubte er an Gott. Trotzdem ließ sein Glaube viele Fragen offen. Er verbrachte den größten Teil seines Leben über folgende Fragen nachzudenken und darüber zu schreiben: „Was soll ich nach Gottes Willen tun? Wie soll ich leben? Was soll ich glauben?“ Zudem zermarterte er sich den Kopf über die Frage, warum Gott das Böse in der Welt zuließ. Auch in der Gegenwart ist seine Antwort unter den Gläubigen immer noch weit verbreitet. Nigel Warburton erklärt: „Im Mittelalter, dass etwa vom 5. Bis zum 15. Jahrhundert reicht, waren Philosophie und Religion eng verknüpft.“ Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Yuval Noah Harari erforscht den Sinn des Lebens

Nicht alle Forscher sind der Ansicht, dass Glück allein eine Funktion der Biochemie ist. Yuval Noah Harari erklärt: „Zwar regulieren unsere Gene und Chemikalien gemeinsam Lust und Leid, doch Glück ist mehr als nur ein angenehmes Gefühl.“ Glück besteht eben nicht darin, unterm Strich mehr glückliche als unglückliche Momente zu haben. Glück bedeutet vielmehr, das Leben als Ganzes als sinnvoll und lohnend zu erleben. Friedrich Nietzsche sagt: „Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie.“ Ein sinnvolles Leben kann ausgesprochen befriedigend sein, und wenn es noch so hart ist, und ein sinnloses Leben kann eine schreckliche Qual sein, auch wenn es noch so angenehm ist. Yuval Noah Harari ist Professor für Geschichte an der Hebrew University of Jerusalem.

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