Partnerschaften scheitern aus fünf wichtigen Gründen

Christian Thiel warnt: „Wer auch nur einen einzigen Tag vor dem Fernseher hinter sich hat, der hat mehr Unwahrheiten über die Liebe gelernt, als sich in einem Monat wieder verlernen lassen. Es ist ein unglaublich unrealistisches Bild der Liebe, das täglich über die Bildschirme flimmert. Ein Bild, dem jährlich viele Tausend Beziehungen zum Opfer fallen. Die Liebe ist für Christian Thiel zu wichtig, um sie den Quotenjägern des privaten Fernsehens und den auflagenheischenden Schlagzeilen der Skandalberichterstattung zu überlassen. Seiner Überzeugung nach sind auch heute noch Treue und Beständigkeit wichtige Voraussetzungen für eine langjährige Beziehung. Und ebenso das Wissen davon, was der Liebe Haltbarkeit verleiht und wie Paare schwierige Phasen bewältigen können. Christian Thiel ist freier Autor und Single- und Paarberater.

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Die Sophisten waren für Platon keine Lehrer der Weisheit

Das, was einst das Wesen einer Universität ausmachte, die Freiheit in Forschung und Lehre, ist laut Konrad Paul Liessmann zu einer lästigen Randerscheinung geworden, die den Betrieb nur noch stören, nicht mehr zu befördern vermag. Der Verdacht, dass die Wissenschaft und ihre Lehre nicht mehr frei, sondern auch an staatlichen Universitäten und Hochschulen an letztlich ökonomische Kriterien und Erwartungen gebunden sind, ist für Konrad Paul Liessmann nicht unbegründet: „Das mag im Trend einer Zeit liegen, in der Messbarkeit und wirtschaftliche Effizienz zu den obersten Maximen geworden sind, aber auch Menschen, die wenig dagegen haben, dass auf dieser Erde nahezu alles käuflich ist, beschleicht ein Unbehagen, wenn die Rede davon ist, dass die Wahrheit vor Gericht, die Wahrheit in der Politik und eben auch die Wahrheit in der Wissenschaft nur eine Frage des angemessenen Preises ist. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

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Emotionen haben in der Arbeitswelt nichts zu suchen

Emotionen am Arbeitsplatz lassen sich nicht verhindern, aber man kann sie verstehen. Grob geschichtlich betrachtet sagt Alexander Goebel, dass der Kapitalismus zu einer einseitigen Wahrnehmung der Emotionen gekommen ist und zwar aus folgenden Gründen: Der typischen Arbeiter an einen gewöhnlichen Arbeitsplatz zu Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert hat seine Arbeitsbedingungen grundsätzlich nur still erlitten, wiewohl er vielleicht innerlich wütend war. Damals gab es keine oder wenige emotionale Äußerungen, denn solche hätten zu Schwierigkeiten bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes geführt. Alexander Goebel fügt hinzu: „Die Arbeit an sich war emotional unentrinnbar mit Mühsal, Verachtung und Ungerechtigkeit verbunden. Negative Werte, die die Menschen stumm dienend solange erduldeten, bis der Leidensdruck einfach zu groß wurde und sich die aufgestauten Emotionen in Protest und Arbeitskampf entluden, zu Recht und mit Recht.“ Alexander Goebel ist seit 40 Jahren erfolgreich im Emotionsgeschäft unterwegs.

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Das deutsche Bürgertum kritisiert die Prinzipien des Liberalismus

Der Schock der sogenannten Gründerkrise von 1873 bis 1879 führte zu einer weitreichenden Umorientierung größerer Teile des deutschen Bürgertums. Die Kritik an den Prinzipien des Liberalismus wurde lauter – sie bezog sich auf die freie, vom Staat weitgehend unabhängige Marktwirtschaft, auf den Freihandel, aber auch auf die politischen Maximen der Liberalen. Ulrich Herbert fügt hinzu: „Lauter wurde vor allem der Ruf nach einem stärkeren Eingreifen des Staates in die Wirtschaft: Er sollte den nationalen Markt gegen die verstärkt zu spürende Konkurrenz aus dem Ausland schützen und die mit dem Industriekapitalismus verbundenen Risiken für die deutschen Produzenten vermindern.“ Ulrich Herbert zählt zu den renommiertesten Zeithistorikern der Gegenwart. Er lehrt als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

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Ziele reduzieren die Komplexität des menschlichen Lebens

Das Titelthema des neuen Philosophie Magazins August/September Nr. 05/2015 heißt: „Braucht mein Leben ein Ziel?“ Kaum ein Mensch kann sich dem Druck dieser Frage entziehen. Denn sie trifft das Zentrum jeglicher menschlicher Existenz, offenbart geheimste Wünsche und Hoffnungen und nicht zuletzt auch verborgene Ängste. Chefredakteur Wolfram Ellenberger weist auf einen Gegensatz hin: „In der Frage nach dem Lebensziel prallen zwei menschliche Sehnsüchte aufeinander. Die nach einem tätigen Leben in dauerhaft sinnvoller und zielgerichteter Selbstbestimmung. Und die nach einer tief entspannten Existenz in lustvoller Gelassenheit.“ Die Hauptfunktion eines Zieles besteht darin, dass es einen Sinnbezug herstellt. Denn jede sinnvolle Handlung hat ein Ziel, sonst ist sie keine. An Zielen kann ein Mensch wachsen, sie reduzieren die Komplexität des Lebens, geben Halt und Struktur.

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Ärger mit dem Partner gehört zum Alltag in einer Beziehung

Wenn Paare, der Beziehung schon sehr lange gehalten hat, immer wieder streiten, ist das noch lange kein Grund, dass sich die Partnerschaft dem Ende zuneigt, im Gegenteil. Die regelmäßige Auseinandersetzung ist vielmehr ein gutes Zeichen. Solche Ehen halten lange. Immer wieder vom Partner genervt zu sein, beweist schließlich, dass sich beide noch längst nicht gleichgültig sind. Mann und Frau empfinden immerhin noch Gefühle füreinander, auch wenn es momentan gerade ziemlich negative Emotionen sind. Es erfordert ja einen ziemlichen Aufwand, sich über den Partner zu ärgern und sich dann auch noch mit ihm auseinanderzusetzen. Wäre einem der andere egal, würde man die Energie zum Streit ja gar nicht mehr aufbringen. Die roten Alarmleuchten für eine Partnerschaft sollten also erst dann angehen, wenn aus einer lautstarken Beziehung eine leise wird und sich keiner mehr über den anderen aufregt.

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Klaus Hurrelmann erforscht die Befindlichkeiten der Jugend

Der 71-Jährige Klaus Hurrelmann reist durch Deutschland, um den Menschen ihren Nachwuchs zu erklären. Er ist der bekannteste Jugendforscher der Republik und seine Ansichten sind gefragter denn je. Der Soziologe Klaus Hurrelmann ist Fachmann für Bildungsthemen – Pädagogikstudenten müssen zum Beispiel seine Modelle für ihre Prüfungen lernen. Der Bildungsexperte ist Mitherausgeber der Shell-Jugendstudie, die im Auftrag des Mineralölkonzerns seit 1953 alle paar Jahre die deutsche Jugend durchleuchtet. Außerdem ist er mitverantwortlich für eine Finanzstudie über die Alterssicherung junger Leute und für eine Ausbildungsstudie im Auftrag von McDonald´s. Daneben ist Klaus Hurrelmann einer von acht Wissenschaftlern im Expertenbeirat Demografie, der sich dreimal im Jahr mit Innenminister Thomas de Maizière trifft, um ihn bei der Lösung eines der größten Probleme Deutschlands zu beraten – die Überalterung der Gesellschaft.

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Risiken spiegeln menschliche Handlungen und Unterlassungen

Die Risikogesellschaft ist für den renommierten Soziologen Ulrich Beck im Gegensatz zu allen früheren Epochen wesentlich durch einen Mangel gekennzeichnet: nämlich der Unmöglichkeit externer Zurechenbarkeit von Gefahrenlagen. Die Gesellschaft von heute ist im Umgang mit Gefahren mit sich selbst konfrontiert. Ulrich Beck schreibt: „Risiken sind historisches Produkt, das Spiegelbild menschlicher Handlungen und Unterlassungen, Ausdruck hochentwickelter Produktivkräfte.“ Wo Risiken die Menschen beunruhigen, liegt der Ursprung der Gefahren nicht mehr im Äußeren, sondern in der historisch gewonnenen Fähigkeit der Menschen zur Selbstvernichtung der Reproduktionsbedingungen allen Lebens auf dieser Erde. Die Quellen der Gefahren sind nicht länger Nichtwissen, sondern Wissen. Ulrich Beck war bis 2009 Professor für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Seither ist er Gastprofessor für Soziologie an der London School of Economics and Political Science.

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Friedrich Nietzsche bringt die Aphorismenform zur Vollendung

Für Vittorio Hösle ist die mittlere Schaffensperiode des außergewöhnlichen Denkers Friedrich Nietzsches seine philosophisch fruchtbarste, weil er in ihr einerseits schon fast alle seine bedeutenden Einsichten formuliert, freilich noch im Vertrauen auf die Wissenschaft und ohne die späte Aggressivität, andererseits weil er die ihm kongeniale Aphorismenform zur vorher und nachher in der deutschen Philosophie nicht erreichten Vollendung bringt. Aphorismen finden sich in seinen Werken „Menschliches, Allzumenschliches – Ein Buch für freie Geister“ (1878 – 1880), „Morgenröte. Gedanken über die moralischen Vorurteile“ (1881) und „Die fröhliche Wissenschaft“ (1882). Vittorio Hösle erklärt: „Die Aphorismensammlung ist die Gegenform zum System, weil sie pointierte, oft paradoxe Einsichten ausdrückt und sich nicht darum zu kümmern braucht, ob diese einzelnen Einsichten einander folgen oder auch nur konsistent sind.“ Vittorio Hösle ist Paul Kimball Professor of Arts and Letters an der University of Notre Dame (USA).

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Ein freier Wille ist für Paracelsus ein Ding der Unmöglichkeit

Der Naturphilosoph Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus, der von 1493 bis 1541 lebte, führte schon im Jahr 1527 an der Basler medizinischen Fakultät Vorlesungen in der deutschen Sprache ein. Paracelsus lehrt in seinem “Buch Paragranum” vier Säulen der Medizin: Philosophie, Astronomie, Alchemie und „proprietas“, so etwas wie eine Ethik der Medizin. Laut Vittorio Hösle sind darin Zukunftsweisendes und nach modernen Kriterien Unwissenschaftliches miteinander verwoben: „Neben der Forderung nach einer Begründung der Medizin durch Chemie Mineralogie findet sich der Gedanke, dass der menschliche Mikrokosmos, also etwa einzelne Organe den Planeten entsprechen.“ Wichtig ist für Paracelsus die Suche nach einem Grund der Medizin und das Streben nach Gewissheit. Vittorio Hösle ist Paul Kimball Professor of Arts and Letters an der University of Notre Dame (USA).

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Bertrand Russell überprüft den Wert der Philosophie

Wenn die Beschäftigung mit der Philosophie überhaupt einen Wert hat, dann kann er für Bertrand Russell nur indirekt zustande kommen, durch ihren Einfluss auf das Leben derer, die sich mit ihr beschäftigen. Dennoch sind die Güter des Geistes mindestens ebenso wichtig wie die materiellen Güter. Bertrand Russell stellt fest: „Der Wert der Philosophie ist ausschließlich unter den Gütern des Geistes zu finden; und nur Menschen, denen diese Güter nicht gleichgültig sind, können davon überzeugt werden, dass die Beschäftigung mit der Philosophie keine Zeitverschwendung ist.“ Das Ziel aller Philosophie ist Erkenntnis. Eine Erkenntnis, die Einheit und System in die Gesamtwissenschaften bring und die sich aus einer kritischen Überprüfung der Gründe für die Überzeugungen, Vorurteile und Meinungen der Menschen ergibt.

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Wissen sind wahre und gerechtfertigte Überzeugungen

In der Gegenwartsphilosophie ist es laut Herbert Schnädelbach weitgehend unumstritten, das Wissen als den Inbegriff wahrer und gerechtfertigter Überzeugungen aufzufassen, die unhintergehbar sprachliche Gestalt besitzen, da sie nur so kommunizierbar sind. Herbert Schädelbach ergänzt: „Eine zweite Bedingung ist, dass sie propositional verfasst sind, also in Satzform geäußert werden können, denn nur Aussagesätze können wahr oder falsch sein; es gibt keine falschen Eigennamen oder Begriffe.“ Wenn ein solcher Aussagesatz der Wahrheit entspricht, könnte es allerdings auch purer Zufall sein. Also muss man gute Gründe haben, die einen dazu erheben, einen Wahrheitsanspruch zu postulieren, und genau dies meint Herbert Schnädelbach mit dem Begriff „gerechtfertigt“. Herbert Schädelbach war vor seiner Emeritierung Professor für Philosophie an den Universitäten Frankfurt am Main, Hamburg und der Humboldt-Universität zu Berlin.

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Herbert Schnädelbach stellt die Evidenztheorie der Wahrheit vor

Die Evidenztheorie der Wahrheit versteht das Wahrsein laut Herbert Schnädelbach als unmittelbare Präsenz eines bestimmten Sachverhalts, bei der sich wie bei einer Farbwahrnehmung die Frage gar nicht mehr stellt, ob er so ist, wie er sich zeigt oder nicht. Herbert Schnädelbach zitiert Martin Heidegger, der die Wahrheit als Evidenz als „Seinswahrheit“ bestimmt und behauptet, dass sie der Urteilswahrheit vorausliege. Demnach verstand Martin Heidegger, der von 1889 bis 1976 lebte, phänomenologisches Philosophieren als ein Die-Phänomene-von-ihnen-selbst-her-sehenlassen. Diese Konzeption kann man gemäß Herbert Schnädelbach als exemplarische Charakterisierung des Ideals phänomenologischen Philosophierens ansehen. Vor seiner Emeritierung war Herbert Schnädelbach Professor für Philosophie an den Universitäten Frankfurt am Main, Hamburg und an der Humboldt-Universität zu Berlin.

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Pisa und andere Tests konstruieren nur Bildungskatastrophen

Konrad Paul Liessmann behauptet in seiner Streitschrift „Geisterstunde“, dass niemand mehr weiß, was Bildung ist, aber alle ihre Reform fordern. Was sich aktuell in Klassenzimmern und Unihörsälen, in Seminarräumen und Redaktionsstuben vollzieht, unterzieht Konrad Paul Liessmann einer scharfen und pointierten Kritik. Trotz seines Tadels verfolgt der Autor aber ein ernstes Anliegen: der Bildung und dem Wissen wieder eine Chance zu geben. Gleich in seinem Vorwort erklärt Konrad Paul Liessmann warum Bildung nicht glücklich macht. Dazu wählt er drei Varianten von Bildung aus und fragt nach deren Glückspotential. Schon Friedrich Nietzsche schrieb: „Der Gebildete entwickelt einen veritablen Ekel vor den Falschheiten dieser Welt.“ Glück sieht anders aus als täglich vom Ekel geschüttelt zu werden. Konrad Paul Liessmann ist Professor am Institut für Philosophie der Universität Wien, Essayist und Publizist.

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Kurt Tucholsky rechnet schonungslos mit dem Militär ab (4.Teil)

Kurt Tucholsky kehrt psychisch und physisch angeschlagen aus dem Ersten Weltkrieg zurück. Anfang November 1918 tritt er die Stelle des Chefredakteurs der Zeitschrift „Ulk“ an. Der „Ulk“ teilt seine Schläge in erster Linie gegen die Ewiggestrigen, gegen die Schieber und Kriegsgewinnler und die verschlafenen Bürger aus. Aber schon bald richtete sich die Kritik auch gegen den Militarismus. Kurt Tucholsky fordert permanent während dieser Zeit eine geistige Revolution und die Einlösung der Versprechen der Französischen Revolution. Kurt Tucholskys Ideal vom freiheitlichen Verfassungsstaat, getragen von aufgeklärten Bürgern, kann seiner Meinung nach nur durch das richtige Bewusstsein geschaffen werden. „Gegen Gewalt den Geist!“ heißt seine Devise. Und er fügt hinzu: „Alle positiven Vorschläge nützen nichts, wenn nicht die rechte Redlichkeit das Land durchzieht.“

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Militär und Krieg sind Kurt Tucholskys wichtigste Themen (1.Teil)

Kurt Tucholsky war äußerst vielseitig begabt. Er war nicht nur Journalist, sondern auch Satiriker, Essayist, Literatur- und Theaterkritiker, Erzähler, Lyriker, Chanson- und unermüdlicher Briefeschreiber. Er zählt zu den meistgelesenen Autoren der Weimarer Republik. Kurt Tucholsky wird seit jeher geliebt und verehrt, zugleich ist er – als zorniger Aufklärer von Machtmissbrauch und Militarismus – nach wie vor heftig umstritten und immer noch hoch aktuell. Kurt Tucholsky wird am 9. Januar 1910 in Berlin geboren. Er stammt aus einer gutbürgerlichen-jüdischen Familie. Seine Jugendjahre verbringt er in Stettin, wo sich sein tiefverwurzeltes Gefühl für den Norden herausbildet. Er liebt die See, die Wälder, die Stille. Im Alter von neun Jahren kehrt er nach Berlin zurück. Als er 15 Jahre alt ist, verliert er seinen geliebten und verehrten Vater.

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Tony Judt lüftet einige Geheimnisse der Erfolge des Marxismus

Die Attraktion des Marxismus, die dieser auf viele Menschen in den Ländern Europas ausübte, liegt möglicherweise daran, dass er mit verschiedenen nationalen linken Traditionen erstaunlich gut zu vereinbaren war. Überall auf dem alten Kontinent war der Marxismus das Fundament fortschrittlichen Denkens. Tony Judt schreibt: „Karl Marx verknüpfte, mehr als ihm bewusst war, zahlreiche Strömungen in Gesellschaftskritik und Wirtschaftstheorien des frühen neunzehnten Jahrhunderts.“ Tony Judt war Karl Marx zum Beispiel ein herausragender Kommentator der französischen Politik und der klassischen englischen Nationalökonomie. Zudem schenkte er der europäischen Linken die einzige Version ihres Erbes, die mit lokalen radikalen Traditionen vereinbar war und zugleich über sie hinauswies. Der britische Historiker Tony Judt, geboren 1948, studierte in Cambridge und Paris und lehrte in Cambridge, Oxford und Berkeley. Seit 1995 war er Erich-Maria-Remarque-Professor für Europäische Studien in New York. Er starb 2010 in New York.

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Der außengeleitete Mensch ist extrem peinlichkeitsanfällig

In den modernen Gesellschaften ist die Vielfalt kultureller Verhaltensnormen ein zwiespältiges Phänomen. Einerseits ermöglicht eine Relativierung der jeweiligen Normen, denn erst heute können Normen in größerem Umfang überhaupt als Konvention aufgefasst werden, nämlich in das eigene Belieben gestellt, andererseits führt sie gleichzeitig zu einer größeren Unsicherheit im Verhalten. Die Philosophin Hilge Landweer zieht daraus den Schluss, dass aus dieser Unsicherheit heraus, die allermeisten Menschen Strategien zur Schamvermeidung nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere praktizieren. Der Soziologe David Riesman erklärt in seinem Buch „Die einsame Masse“, wie es dazu kommt, dass Normen, obwohl als Konvention verstanden, ins eigene Belieben gestellt werden können. David Riesman stellt in seinem Werk drei verschiedenen Charaktere vor: den traditionsgeleiteten, den innengeleiteten und den außengeleiteten Typus.

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Die Moderne ist von einer sträfliche Selbstbezogenheit geprägt

Das Titelthema des neuen Philosophie Magazins 04/2014 heißt „Das Ich Syndrom. Bin ich der wichtigste Mensch in meinem Leben?“. Über 2.000 Jahre predigten die Philosophen und Weisen unserer Kultur, dass sich ein gutes Leben dadurch auszeichnet, möglichst wenig an sich selbst zu denken. Heute dagegen wird die ständige Sorge um das eigene Selbst zur Basis einer wahrhaft ethischen Existenz erklärt. Das Motto dabei lautet: „Ich zuerst!“. Laut Chefredakteur Wolfram Eilenberger leben die modernen Gesellschaften des Westens in einem Ich-Zeitalter, in einer Epoche , die das Ego zum Zentrum und Fundament aller Welterfahrung erklärte und dieses Ich darüber hinaus entschieden anspornte, sich zu erkunden, zu entwickeln und sich in seinen Sehnsüchten ernst zu nehmen. Schon seit dem Beginn der Neuzeit streiten Philosophen heftig ums „Ich“. Sollte es sich lieben oder doch eher verachten?

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Ein Imperium herrscht über eine große Vielfalt von Ethnien

Ein Imperium ist eine politische Ordnung mit zwei entscheidenden Eigenschaften. Yuval Noah Harari nennt die erste Eigenschaft: „Um als Imperium zu gelten, muss es über eine ausreichende Zahl von verschiedenen Völkern herrschen, von denen jedes seine eigene kulturelle Identität und sein eigenes Territorium hat.“ Die zweite Eigenschaft eines Imperiums besteht darin, dass es über flexible Grenzen und einen potentiell grenzenlosen Appetit verfügt. Imperien können sich immer mehr Völker oder Gebiete einverleiben, ohne dabei ihre Struktur oder Identität zu verlieren. Yuval Noah Harari nennt ein Beispiel: „Das heutige Großbritannien hat klar definierte Grenzen, die es nicht überschreien kann, ohne dass der Staat seine Struktur oder Identität völlig verändern würde. Aber vor einem Jahrhundert hätte fast jeder Ort auf der Erde Teil des Britischen Weltreichs werden können. Yuval Noah Harari ist Professor für Geschichte an der Hebrew University of Jerusalem.

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Nicht nur Filmstars und Reiche schwören auf Botox und Filler

Die Fangemeinde von Botox und Filler wird immer größer. Den Schönheitsoperationen haben die kleinen und scheinbar soften Behandlungen längst den Rang abgelaufen. Neuesten Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie haben sich 2013 rund 200.000 Menschen in Deutschland mit solchen Methoden behandeln lassen. Neun Jahre zuvor waren es erst 35.000 Bundesbürger. Unters Messer legten sich etwa 180.000 Deutsche. Joachim Graf von Finckenstein, plastischer Chirurg in Starnberg nahe München, erklärt: „Die Hemmschwelle, ein paar Spritzen zu bekommen, ist naturgemäß niedriger, als sich operieren zu lassen.“ Botox hat seiner Meinung nach langfristig keine Nebenwirkungen. Ein sogenanntes Maskengesicht entsteht nur, wenn ein Arzt zu viel Nervengift Botox spritzt. Ansonsten schmerzt die Behandlung kaum und hinterlässt allenfalls ein paar blaue Flecken.

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Thomas Bernhard ist zum Nationaldichter aufgestiegen

Der weltberühmte österreichische Schriftsteller Thomas Bernhard musste in seinem Leben viele Beschimpfungen über sich ergehen lassen: Vaterlandsverräter, Nestbeschmutzer, Skandalautor. Ein war ein Literat, der wie kein anderer gehasst und angefeindet wurde. Heute dagegen, ein Vierteljahrhundert nach seinem Tod, ist Thomas Bernhard der wortgewaltige Nationaldichter, ein Stück Theater- und Literaturgeschichte, ein Genie. Regisseur Hans Neuenfels sagt über ihn: „Wahrscheinlich ist es bei Nestroy nicht anders gewesen.“ Seinen ersten Gedichtband veröffentlichte Thomas Bernhard im Alter von 26 Jahren und seinen ersten Roman mit 34. Für Skandal sorgte der Schriftsteller schon, als er noch relativ unbekannt wer. Als ihm Unterrichtsminister Piffl-Percevic 1968 den Kleinen Österreichischen Staatspreis überreichte, erklärte Thomas Bernhard in seiner Dankesrede die Österreicher zu Geschöpften der Agonie und das österreichische Volk zur Infamie und Geistesschwäche verurteilt.

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Rahel Jaeggi stellt ihre Kritik der Lebensformen vor

In der traditionellen Philosophie sind Fragen nach dem individuellen guten Leben kein Thema. Die Berliner Philosophin Rahel Jaeggi beschäftigt sich dennoch mit ihnen. Denn für sie ist die Kritik an der eigenen Lebensführung überhaupt es die Voraussetzung aller individuellen Autonomie. Rahel Jaeggi ist Professorin für Rechts- und Sozialphilosophie an der Humboldt Universität in Berlin. Beim Suhrkamp Verlag ist gerade ihre Habilitationsschrift „Kritik von Lebensformen“ erschienen. In ihrem Werk wendet sie sich gegen die dominierende Meinung des aktuellen politischen Liberalismus in der Philosophie. Die bezieht dabei eine konträre Position zu John Rawls und Jürgen Habermas. Diese vertreten die Auffassung, dass sich der Staat ethisch neutral gegenüber der Vielfalt von Lebensformen in der modernen Gesellschaft zu verhalten hat. Laut John Rawls ließen sich nur so Konflikte des staatlich zu regelenden Zusammenlebens lösen und den Ansprüchen moderner Individuen auf Selbstbestimmung gerecht werden.

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Hermann Detering weiht den Leser in die Kunst der Entsagung ein

Hermann Detering führt in seinem neuen Buch „Die Lust der Welt und die Kunst der Entsagung“ den Leser kenntnisreich und unterhaltsam in die Welt des Verzichts ein. Zuerst beleuchtet er dabei die Ursprünge des asketischen Lebens und seine modernen Ausprägungen, stellt dann frühe und moderne Aussteiger vor, widmet sich anschließend der christlichen Askese und macht auch vor der Mühe mit der Lust und der Lust an der Entsagung nicht Halt. Der Autor beleuchtet auf vielfältige Art und Weise die Möglichkeiten des Verzichts und bietet damit vor allem jenen Menschen Orientierung, die sich noch nicht ganz im Dschungel der heutigen Überflussgesellschaft verloren haben. Dr. Hermann Detering ist ein evangelischer Theologe, der Germanistik, Altphilologie und Theologie studiert hat. Er ist Mitglied des „Committee for the Scientific Examination of Religion“.

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Lady Gaga ist der erfolgreichste Popstar der Gegenwart

Keine jüngere Popkünstlerin unserer Zeit hat in einem Jahr mehr verdient als Lady Gaga. Laut dem Wirtschaftsmagazin Forbes hat sie zwischen Juni 2012 und 2013 rund 80 Millionen Dollar eingenommen. Seit sie zwei Kunststars als Helfer bei ihren Inszenierungen hat, redet sie in Interviews immer häufiger über den Begriff der Kunstreligion. Lady Gaga sagt: „Was ich von Jeff Koons und Marina Abramović gelernt habe, ist, dass Kunst für manche für uns Gott ist. Man erschafft sich seinen eigenen Glauben. Man bringt etwas zur Welt, das mehr bedeutet als alles andere um einen herum. Wie ist es nur möglich, dass man etwas mit seinen eigenen Händen und Ideen erschafft, das so groß ist und das man anfassen kann? Aber niemand traut sich das. Es wäre ja auch ein Sakrileg. Es wäre grundfalsch, eine Skulptur von Jeff Koons anzufassen.“  

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