Vor der Vergebung steht die Mäßigung des Zorns

Laut Charles Griswold ist Vergebung ein Prozess zwischen zwei Menschen, der eine Mäßigung des Zorns und das Aufgeben von Racheplänen umfasst. Aussicht auf Vergebung hat demnach nur, wer anerkennt, dass er der verantwortliche Täter war, sich von seinen Taten und von sich selbst als ihrem Urheber distanziert, dem oder der Verletzten gegenüber sein Bedauern ausdrückt, dass er ihr oder ihm diese Verletzung zugefügt hat und sich verpflichtet, jemand zu werden, der keine Verletzungen mehr zufügt, und diese Verpflichtung durch Taten und Worte unter Beweis stellt. Außerdem sollte er zeigen, dass er den durch die Verletzung zugefügten Schaden aus der Perspektive der verletzten Person versteht und glaubwürdig machen können, was ihn zudem Unrecht veranlasst hat, inwiefern sein Fehlerverhalten nicht alles über seine Person aussagt und was er unternimmt, um sich der Gewährung der Vergebung als würdig zu erweisen.

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Rolf Dobelli vergleicht den Hedonismus mit der Eudämonie

Im 5. Jahrhundert vor Christus vertrat eine Minderheit der Philosophen, die sogenannten Hedonisten, die Meinung, dass ein gutes Leben aus dem Konsum möglichst vieler unmittelbarer Genüsse bestehe. Rolf Dobelli erklärt: „Das Wort hedonistisch stammt aus dem altgriechischen „hedoné“, was Freude, Vergnügen, Lust, Genuss, sinnliche Begierde bezeichnet.“ Die meisten Philosophen vertraten allerdings den Standpunkt, dass unmittelbare Genüsse nieder, dekadent, ja tierisch seien. Was ein gutes Leben ausmache, seine vor allem die sogenannten höheren Freuden. Das Streben nach diesen höheren Freuden nannten sie „Eudämonie“. Viele Philosophen kamen zu dem Schluss, die Eudämonie sei vor allem ein Gefäß für guten Tugenden. Nur ein ehrenhaftes Leben sei ein gutes Leben. Der Bestsellerautor Rolf Dobelli ist durch seine Sachbücher „Die Kunst des klaren Denkens“ und „Die Kunst des klugen Handelns“ weltweit bekannt geworden.

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Menschen gehen gerne längerfristige Beziehungen ein

Das Leben der meisten Menschen hat seinen Schwerpunkt in einer Zweierbeziehung. Die Paarbindung wurde kritisiert und geschmäht, man hat die notwendigen Kompromisse beklagt und die drohende Langeweile beschworen – und doch hat sie sich als überraschend widerstandsfähig erwiesen. Schon vor zwei Jahrhunderten hielt Charles Fourier die Ehe für einen Irrweg, der „alle Keime der Zwietracht und des Überdrusses“ enthält. Thomas Junker schreibt: „Es ist richtig, dass der Staat mehr oder weniger sanften Druck ausübt, um die Ehe zu zementieren, so wie es in frühen Zeiten die Kirchen getan haben.“ Das würde aber nicht so gut funktionieren, wenn Menschen nicht von sich aus bereit wären, längerfristige Bindungen einzugehen. Leben Menschen also in einer dauerhaften Zweierbeziehung, weil es ihrer Natur entspricht? Thomas Junker ist Professor für Biologiegeschichte an der Universität Tübingen.

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Eine Demokratie kann ohne freie Presse nicht überleben

Der Begriff „Meinungsfreiheit“ ruft bei Timothy Garton Ash sofort zwei Assoziationen hervor: „Eine freie Presse in einem freien Land und Journalisten, die in unfreien Ländern mit staatlicher Zensur zu kämpfen haben.“ Vom 17. Jahrhundert bis in unser eigenes ist der Kampf für die Pressefreiheit eines der wichtigsten Elemente im Kampf um die freie Meinungsäußerung. In einem Brief aus dem Jahr 1787 schrieb Thomas Jefferson: „Wenn ich die Wahl hätte zwischen einer Regierung ohne Zeitungen und Zeitungen ohne Regierung, würde ich, ohne einen Moment zu zögern, letzteres vorziehen.“ Eine freie Presse ist ein bestimmendes Merkmal eines freien Landes, und Zensur ist ein bestimmendes Merkmal einer Diktatur. Timothy Garton Ash ist Professor für Europäische Studien an der Universität Oxford und Senior Fellow an der Hoover Institution der Stanford University.

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In Venedig kann wirklich jeder Reisende seinen Lieblingsort finden

Birgit Haustedt vermittelt ihren Lesern in ihrem Reiseführer „Venedig“ das einzigartige Lebensgefühl dieser Stadt. Auch wenn man glaubt, die Lagunenstadt sehr gut zu kennen, gibt es dort noch viele Sehenswürdigkeiten und Attraktionen zu entdecken. Als Beispiele nennt die Autorin ein Frühstück in einem versteckt gelegenen Café, einen Einkaufsbummel über den Rialto-Fischmarkt oder einen Besuch bei den Bootsbauern in der Godelwerft am Rio San Trovaso. Außerdem kennt Birgit Haustedt die schönsten Märkte, die angesagtesten Bars und die besten Restaurants Venedigs. Eine Vaporetto-Fahrt auf dem Canal Grande bildet den Einstieg in den Reiseführer. Ein absoluter Hingucker ist für die Autorin die Pescheria, der Fischmarkt von Venedig: „Anderswo verkauft man Fisch in hässlichen Lagerhallen am Stadtrand, in Venedig aber wird selbst der Fischmarkt wie ein Gemälde in Szene gesetzt.“ Birgit Haustedt ist promovierte Literaturwissenschaftlerin und freie Autorin.

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Johannes Gutenberg erfand den Buchdruck

Mönche, Feudalherren und Gelehrte waren die Ersten, die mit Schriften umgehen konnten und diese Kompetenz auch gesellschaftlich nutzten. Der Klerus entschied in der Folge, wer die Bibel lesen durfte. Allan Guggenbühl fügt hinzu: „Er beanspruchte für sich die Monopolstellung über kirchliches Wissen. In den Klöstern und Domschulen konnte man sich die Zugangskompetenzen aneignen.“ Mönche, die lesen und schreiben konnten, wurde geachtet. Dank der Verwendung on Latein konnte man sich zudem gegenüber den Bauern und Handwerkern abgrenzen. Man musste diese Fremdsprache erlernen, wenn man ein „Wissender“ werden und dem Stand der Gelehrten angehören wollte. Im späteren Rom verstanden sich die römischen Senatoren als Bewahrer des Wissens und der Weisheiten der griechischen Kultur. Allan Guggenbühl ist seit 2002 Professor an der Pädagogischen Hochschule Zürich tätig. Außerdem fungiert er als Direktor des Instituts für Konfliktmanagement in Zürich.

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Sardinien ist überaus reich an Natur- und Kunstschätzen

Sardinien ist ein Kontinent im Kleinen mit unzähligen, teilweise uralten Sehenswürdigkeiten. Ob Städte, Dörfer, Berge und Täler, Schluchten oder Ruinen – das Autorenteam hat im neuen Baedeker Reiseführer Sardinien alle Highlights zusammengestellt. Auf der Insel findet man Zeugnisse prähistorischer Baukunst und Grabkultur, Spuren der Alten Römer, Kunstwerke der sakralen Architektur und unterirdische Welten. Das kleine Eiland ist überaus reich an steinernen Natur- und Kunstschätzen. Eines der schönsten Naturschauspiele ist zum Beispiel Capo Testa, das aus gewaltigen Naturfelsen modelliert ist. Die Halbinsel ist ein von Badeurlaubern viel besuchter Küstenabschnitt. Die Costa Smeralda, die Smaragdküste ist das Urlaubsparadies des Jet-Sets auf Sardinien. Türkisfarben leuchtet das Meer in zahlreichen Buchten mit herrlichen Stränden entlang der zerklüfteten Küste. Die Costa Smeralda ist rund 50 Kilometer lang und liegt an der Nordostküste Sardiniens.

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Bei der Achtsamkeit spielt Transzendenz keine Rolle

Achtsamkeit heißt die aktuelle Antwort auf Burn-out und Stress. Die neu entdeckte Innerlichkeit soll Menschen dazu bringen, sich dem Wesentlichen im Leben zuzuwenden – ist aber oft nur der Esoterik-Chic einer erschöpften Leistungselite. Achtsamkeit ist das Wort der Zeit. So wie in Burn-out alles Bedrohliche einer anstrengend gewordenen Welt mitschwingt, so atmet Achtsamkeit bereits alles, was fehlt und doch ersehnt wird. Es geht um Dinge, die lange an allen möglichen Orten eine Rolle spielten, nur nicht im Job. Um Sinnsuche und Sinnfragen, um Meditation, Spiritualität und inneres Leid. Dinge, für die traditionell die Kirchen zuständig waren, Psychotherapeuten, Freunde und vielleicht der Barmann im Hotel. Aber bestimmt nicht der Chef. Das Wort Achtsamkeit ist eine Übersetzung aus der buddhistischen Literatur: Satipatthana oder Smrti-Upasthana.

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Das Verhältnis zwischen den USA und anderen Ländern wird sich rasant verändern

Auf die Frage, ob die Welt mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump gefährlicher wird, antwortet Anne Applebaum: „Die Welt war immer gefährlich. Aber jetzt wird sie auf andere Art unsicher. Die existierende Ordnung, wie wir sie seit dem Ende des Kalten Krieges gewohnt waren, wird sich radikal transformieren. Die Institutionen, die Frieden brachten und Freihandel ermöglichten, werden schwächer – die Nato, die EU, die Handelszone zwischen den USA, Mexiko und Kanada.“ Das Verhältnis zwischen den USA und anderen Staaten wird sich rasant verändern.“ Zwar möchte Anne Applebaum das Elend nicht vorhersagen, macht sich aber Sorgen um eine neuerliche Besetzung von Teilen Osteuropas. Auch um eine neue russische Kampagne, Einfluss auf Deutschland und andere Teile des Kontinents zu nehmen, um die Demokratien zu schwächen. Die Historikerin Anne Applebaum ist Russland-Expertin und hat für ihr Buch „Gulag“ den Pulitzerpreis bekommen.

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Im Rausch kann der Mensch aus sich selbst heraustreten

Stammestänze, Koka-Blätter, Weihrauch: Alle Kulturen finden Wege, die Sehnsucht nach dem Rausch zu befriedigen. Weil fast jeder Mensch Fluchtwege aus dem Alltag braucht. Das Leben eines Menschen wird bestimmt von Regeln, die eine Gesellschaft aufrechterhalten. Das bringt viele Zwänge mit sich. Zum Ausgleich gibt es die Freizeit. Die einen gehen tanzen, joggen bis zur Erschöpfung oder verbiegen sich beim Yoga. Die anderen gehen in die Kneipe, rauchen Haschisch oder pflegen ihre Briefmarkensammlung. Aber vielleicht wird auch die eigene Persönlichkeit als Zwang empfunden. Der Psychologe und Autor Dr. Jürgen vom Scheidt nennt eine der großen Sehnsüchte, die mit dem Rausch verbunden sind: „Wir können aus uns selbst heraustreten. Der Mensch braucht zwar eine stabile Umgebung, die unter gewissen Regeln funktioniert. Aber manchmal braucht er auch genau das Gegenteil.“

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Für Belohnungen ist jeder empfänglich

Viele Menschen haben sich daran gewöhnt, dass die Energie für ihr Handeln von außen kommt. Sie sind daher damit vertraut, sich fremdsteuern zu lassen. Und es scheint ja auch zu funktionieren. Sporttrainer sind Motivationskünstler, Lehrer motivieren Schüler und Chefs ihre Mitarbeiter. Prämien gibt es für besonderen beruflichen Einsatz. Reinhard K. Sprenger ergänzt: „Der Staat lockt mit Steuervorteilen und erhöhtem Kindergeld junge Paare in die Elternschaft. Und die Ehefrauen der besten Verkäufer erhalten einen Pelzmantel, damit sie ihren Gatten morgens aus dem Haus jagen.“ Bringt der Ehemann nicht die gewünschte Leistung, bleibt die Belohnung als Lockmittel: „Das wäre Ihr Preis gewesen … vielleicht das nächste Mal …“ Für Belohnungen ist jeder empfänglich. Reinhard K. Sprenger ist promovierter Philosoph und gilt als einer der profiliertesten Managementberater und Führungsexperte Deutschlands.

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Die Literatur der Reformationszeit ist vielschichtig

Die Literatur des 16. Jahrhunderts kann kaum in ihrer Vielfalt gewürdigt werden, wenn nicht eine Voraussetzung erfüllt ist: die Beschreibung der Reformation, die sich bald nach ihrem Beginn in eine Fülle von Reformationen aufspaltete, in ihrer europäischen Dimension. Ein zutreffendes Bild der Reformation selbst bloß in Deutschland würde verfehlen, wer sie als einzigartiges deutsches Ereignis beschriebe, das losgelöst vom europäischen Protestantismus und der gleichzeitigen Geschichte Europas denkbar wäre. Zwar war Martin Luther der Initiator der Vorgänge, die ab 1517 für anderthalb Jahrhunderte die religiöse und auch politische Entwicklung fast aller Staaten stark bestimmten, und ihm fiel auch für das Jahrzehnt der Frühreformation (1517 – 1526) die hegemoniale Position in der Bewegung zu, die allmählich zur Protestantisierung wichtiger Regionen des Kontinents führte.

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Die Aufklärung will die Moral reformieren

Wie auf anderen Gebieten, so versteht sich die Aufklärung auch auf dem der Moral als eine Bewegung der Reform. Unzufrieden mit der herrschenden Moralität sowohl der Individuen als auch der gesellschaftlichen Institutionen sucht sie nach Möglichkeiten der praktischen Verwirklichung eines neuen Typs von Moral. Dieser sollte naturgemäßer, vernünftiger und nützlicher sein als der überkommene. Zu diesem Zweck werden soziale, ökonomische und politische Reformprogramme ausgearbeitet, vor allem eine Vielfalt von Erziehungskonzepten, in denen die Festigung und Verbesserung der Tugend zu den zentralen Zielen gehört. Aus demselben Grund werden neue Formen bürgerlicher Gesellschaft wie das Kaffeehaus, neue Formen der Organisation wie Freimaurerlogen und patriotischen Gesellschaften sowie neue Formen der Publikation wie Zeitschriften und Enzyklopädien genutzt und entwickelt. Besonderes Augenmerk gilt der medialen Verbreitung ihrer Ideen.

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Die Menschen sind von Natur aus gut

Der große Schweizer Denker und Schriftsteller Jean-Jacques Rousseau, der von 1712 bis 1778 lebte, vertrat die Meinung, dass die wahre Religion vom Herzen komme und keiner religiösen Zeremonien bedürfe. Die Kirche hatte mehrere seiner Bücher verboten, da sie religiösen Ideen verbreiteten, die sich mit der offiziellen Lehre nicht vereinen ließen. Doch den größten Aufruhr verursachten seine politischen Ideen. „Der Mensch ist frei geboren und liegt doch überall in Ketten“, erklärte er zu Beginn seines Buchs „Der Gesellschaftsvertrag oder die Grundsätze des Staatsrechtes“. Für Nigel Warburton ist es nur allzu verständlich, dass Revolutionäre diese Worte zu ihrem Kampfruf machten, etwas Maximilien Robespierre und andere Anführer der Französischen Revolution. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Karl der Große erneuert die deutsche Kulturpolitik

Karl der Große wurde im Jahr 800 im Aachener Dom zum Kaiser des „Heiligen Römischen Reiches“ gekrönt. Seine Bedeutung für die Förderung und Verbreitung der schriftlichen Kultur im westfränkischen wie im ostfränkischen Reich kann nicht hoch genug angesetzt werden. Als leidenschaftlicher Vermittler von christlicher Bildung, Literatur, Kunst, Ethik und Wissenschaft hat Karl der Große im Jahr 813 unter anderem diese Anordnung erlassen: „Jedermann soll seinen Söhne zur Schule schicken, entweder in ein Kloster oder aber zu einem Priester.“ So ließ er auch die Grammatik seiner Muttersprache erarbeiten. In seinem „Heldenliederbuch“ ließ er die wichtigste und früheste Stammesliteratur und heroische Heldendichtung sammeln. Die Kulturpolitik Karls des Großen, die renovatio studii, war wesentlicher Bestandteil seiner kaiserlichen Reichspolitik, der renovatio imperii.

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Jeder möchte einzigartig und authentisch sein

Im Titelthema des aktuellen Philosophie Magazins 03/2016 wird die Frage beantwortet: „Wer ist mein wahres Selbst?“ Fast jeder möchte echt sein, einzigartig erscheinen und authentisch wirken. Gerade in den Zeiten der digitalen Selbstdarstellung zum Beispiel bei Facebook ist der Übergang von der gekonnten Verstellung in die dauerhafte existenzielle Entfremdung fließend. Auch der Alltag ist bei genauerer Betrachtung eine Abfolge von Situationen, in denen man eine bereits vorbestimmte Rolle möglichst überzeugend zu spielen hat. Die Frage „Wer bin ich wirklich?“ wird durch den tiefen Wunsch hervorgebracht, das eigene Leben selbst zu führen, anstatt geführt zu werden. Der Philosoph Byung-Chul Han kritisiert in seinem Beitrag den „Terror des Andersseins“. Im Kapitalismus wollen sich vielen Menschen von der Masse unterscheiden. Doch gerade die Abgrenzung und der permanente Vergleich führen laut Byung-Chul Han in die Hölle der Konformität.

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Aeneas war der Ahnherr der Literatur der Stauferzeit

Die Literaturepoche der Stauferzeit fällt mit dem Höhepunkt der Regierungszeit Friedrich Barbarossas um 1180 und dem Todesdatum Friedrichs II. zusammen. Der Konflikt zwischen den Staufern und den Welfen um die Vorherrschaft im Reich und der beständige Kampf des Kaisertums gegen die Bevormundung durch die Kirche und den Papst sollte diese Ära bestimmen, die im Grunde bereits mit dem plötzlichen Tod Heinrichs VI. beendet war. Zum Zeitpunkt der Thronbesteigung durch Friedrich Barbarossa stand die Literatur noch unter lateinisch-geistlicher Vorherrschaft. Selbst der frühhöfische Versroman war noch fest in der Hand der katholischen Geistlichen. Erst mit Heinrich von Veldekes „Eneit“ (nach 1170 begonnen, abgeschlossen 1185/87) gelang der Durchbruch einer neuen ritterlich-höfischen, am antiken Vorbild des dynastischen Ahnvaters Aeneas weltorientierten Standesliteratur, an der drei Dichtergenerationen beteiligt waren.

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Disziplin bringt Qualität und Freude in das menschliche Leben

Die Kunst des Lebens besteht für Andreas Salcher in der Verbindung von zwei Welten: der Welt in der man lebt, mit jener, nach der man sehnt. Die regelmäßige Arbeit an sich selbst funktioniert seiner Meinung nach vor allem dann, wenn ein Mensch sie mit etwas verbinden kann, dass er gerne tut. Die drei Dimensionen der persönlichen Weiterentwicklung lauten: Verstand, Spiritualität und sozialer Mechanismus. Andreas Salcher fügt hinzu: „Die erste und zweite Kategorie bieten einen reich gedeckten Gabentisch, von dem wir nur auswählen müssen, was wir zum besten Zeitpunkt in unseren Tagesablauf integrieren.“ Dr. Andreas Salcher ist Mitbegründer der Sir-Karl-Popper-Schule und initiierte die Waldzell Meetings im Stift Melk. Er ist einer der erfolgreichsten Sachbuchautoren Österreichs. Sein aktuelles Buch heißt: „Erkenne dich selbst und erschrick nicht.“

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Der Konsum verspricht nur ein kurzfristiges Glück

Die meisten Menschen haben zu viel und wollen dennoch noch immer mehr. Besonders in der Zeit vor Weihnachten steigt das Bedürfnis nach Konsum und materiellen Gütern sehr stark an. Der deutsche Sozialpsychologe Jens Förster erklärt in seinem neuen Buch „Was das Haben mit dem Sein macht“, warum Besitz Sicherheit vermittelt und viele Menschen zu selten über ihre Vorstellung von Glücklichsein nachdenken. Jens Förster bestätigt zwar, dass „Haben“ unter bestimmten Umständen glücklich machen kann. Aber es ist nur ein kurzfristiges Glück. Jens Förster erläutert: „Aber wir dürfen nicht vergessen, dass Seinszustände, also in die Natur gehen, ein schönes Abendessen genießen oder, wenn wir etwa religiös sind und in die Kirche gehen, nachhaltiger, preisgünstiger sind und uns längerfristig Glück versprechen.“ Jens Förster war von 2007 bis 2014 Professor für Psychologie in Amsterdam und Direktor des Kurt-Lewin-Instituts. Seit 2014 unterrichtet er an der Universität Bochum.

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Die Ritter sind die sozialen Aufsteiger des Mittelalters

Die Feudalgesellschaft des Mittelalters wird von zwei Schichten beherrscht, dem weltlichen und dem geistigen Stand, vertreten durch Kaiser und Papst. In allen weltlichen Dingen ist der Kaiser Gott verantwortlich; ihm ist aber auch der Schutz der Kirche anvertraut, und gemeinsam mit dem katholischen Kirchenoberhaupt ist er für das Wohl und Wehe der abendländischen Christenheit verantwortlich. Der Kaiser ist aber auch ein idealer Vertreter des Standes der Ritter und des Volks seines Reichs. Der Ritterstand taucht nicht erst in der Epoche der Staufer auf, er ist eine gesamteuropäische Erscheinung. Der Ritter ist zunächst Krieger, ein Reiter in Rüstung und gibt den Ausschlag bei der Stärke eines Heeres. Ökonomisch gesehen ist er dem Landadel zuzurechnen, oder aber er besitzt als Ministerialer zumeist ein Lehen, das vielfältige Formen annehmen kann, ihm aber in jedem Fall regelmäßige Einkünfte sichert.

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Ein Fürst muss vor allem seine Machtposition bewahren

Niccolò Machiavelli rät einem Fürsten, der einen Stadtstaat regiert, wie zum Beispiel Florenz oder Neapel im 16. Jahrhundert in Italien, folgendes: Es ist keine gute Idee ehrlich und gut zu sein, sondern manchmal besser, Lügen aufzutischen, Versprechen zu brechen, ja sogar die Feinde zu töten. Nigel Warburton erklärt: „Der Fürst braucht sich keine Gedanken zu machen, ob er sein Wort hält oder nicht.“ Niccolò Machiavelli vertrat die Auffassung, ein Herrscher, der Erfolg haben wolle, müsse lernen, nicht gut zu sein. Am wichtigsten sei es für einen Fürsten an der Macht zu bleiben, und dafür sei fast jedes Mittel recht. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Europa und die USA dominieren seit 1820 die Welt

Die atlantische Epoche begann am 12. Oktober 1492 mit der Landung von Christoph Kolumbus auf den Bahamas. Thomas Seifert erläutert: „Europas Imperien fanden mit Amerika ein riesiges Hinterland, das sie unterwerfen und ausplündern konnten.“ Am 4. Juli 1776 erklärten die Kolonien des Empire in Neuengland ihre Unabhängigkeit, und damit trat die atlantische Epoche in einen neue Phase ein. Nun begann die industrielle Revolution, und die Vereinigten Staaten von Amerika entstanden als unabhängiger Staat. Diese beiden atlantischen Mächte, die Nationalstaaten Europas und später die USA, würden bald den gesamten Erdball dominieren. Der Erfolg Westeuropas gründete sich auf den „drei R“: Renaissance, Reformation und industrielle Revolution. Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur und Leiter der Außenpolitik bei der Wiener Zeitung.

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Die Deutschen wollen das lang verpasste Glück suchen

Helfen macht die meisten Menschen glücklich. In einem solchen Fall ist es ein beinahe anarchisches Glück. Eigentlich ist die Bundesrepublik Deutschland ein ziemlich glückliches Land. Es gibt seit sieben Jahrzehnten keinen Krieg und keine Diktatur. Deutschland und seine Bürger sind wohlhabend wie nie. Die Korruption ist auf einem niedrigen Level, das Bildungsniveau ist ganz ordentlich, die meisten Straßen sind in einem guten Zustand und in der Regel kommen auch die Züge pünktlich an. Und dennoch scheint die Hälfte der Bevölkerung gerade das Glück zu suchen: In Yogakursen, in Gruppen zur Selbsterfahrung und beim individuellen Coaching. Oder sie fahnden nach dem Glück auf Reisen in ihr Inneres, in der Wildnis oder in einem Wellnesshotel. Wieder andere hoffen das Glück an der Bar, beim Dating oder wenigstens mit einem Buch auf dem Sofa zu finden.

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Nur wenige können ihre Lebensphilosophie klar formulieren

Der Soziologieprofessor Gerhard Schulze erklärt: „Das Wissen um die normativen Botschaften stilistischer Elemente bleibt im Alltagsleben fast immer unterhalb der Ebene des Bewusstseins und des expliziten sprachlichen Ausdrucks. Im Stil werden Lebensphilosophien zur unterschwellig gespürten Atmosphäre.“ Er spricht damit die unbewussten Imitationen an, die alle Menschen vollführen. Rotraud A. Perner ergänzt: „Außer wir üben uns in Selbstwahrnehmung, dann fällt einem oft auf, wen man gerade nachspielt.“ Gerhard Schulze fährt fort: „Stilsyndrome wie Rocker, Alternative, Familienväter, Hausfrauen, Emanzen, Bankangestellte, Yuppies oder aus der Mode gekommene Figuren wie Hippies, 68er, Halbstarke, Salonlöwen – sie alle haben auch die Bedeutung verschiedener Lebensphilosophien.“ Rotraud A. Perner ist Juristin, Psychotherapeutin, Psychoanalytikerin und absolvierte postgraduale Studien in Soziologie und evangelischer Theologie. Eines ihrer aktuellen Bücher heißt „Die reuelose Gesellschaft“ und ist im Residenz Verlag erschienen.

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Wilhelm Schmid stellt unterschiedliche Ideen der Ehe vor

Eine aufgeklärte Idee der Ehe vertritt Adolph Freiherr Knigge in seinem 1788 erschienenen Buch „Über den Umgang mit Menschen“. Die Ehe ist seiner Meinung nach eine Beziehung der freien Wahl, zu der junge Menschen zwar mangels Erfahrung weniger gut vorbereitet sind, aber eher fähig, sich einander anzupassen. Mehr Bedeutung als die bloße Pflichterfüllung gewinnt laut Wilhelm Schmid bei ihm die Idee des Lustgewinns. Adolph Freiherr von Knigge schreibt: „Das Glück der Ehe besteht darin, sich wechselseitig das Leben süß und leicht zu machen. Unterschiede in Temperament, Neigung, Denkweise, Fähigkeit und Geschmack können, wenn sie nicht allzu groß werden, sogar mehr Glück gewähren.“ Wilhelm Schmid lebt als freier Autor in Berlin und lehrt Philosophie als außerplanmäßiger Professor an der Universität Erfurt.

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