Der Prozess des Erwachsenwerdens endet niemals

Das Titelthema des neuen Philosophie Magazins 01/2018 beschäftigt sich mit der Frage: „Wo ist das Kind, das ich war?“ Während die einen die Infantilisierung der Gesellschaft beklagen, fordern andere eine heilende Rückkehr zum inneren Kind. Ist der Weg ins Leben eines Erwachsenen notwendig der einer Desillusion und Selbstentfremdung? Und was könnte es überhaupt heißen: erwachsen sein? Das sind Fragen, mit denen sich jeder Mensch auseinandersetzen sollte, meint zumindest der scheidende Chefredakteur Wolfram Eilenberger. Den Chefposten auf der Kommandobrücke des Philosophie Magazins bekleidet in Zukunft die bekannte Philosophin Svenja Flaßpöhler. Walter Benjamin und Ludwig Wittgenstein betrachten in ihrer Kindheitsphilosophie das sprechende Kind als ein Wesen, das potentiell mündig ist, hingegen durch verfehlte Begriffsverwendungen und Erklärungen der Erziehenden ebenso desillusioniert und selbstentfernt zu werden droht wie die faktische Mehrheit der Erwachsenenwelt.

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Die Meinungs- und Redefreiheit sind der „Lebenssaft“ der Demokratie

Auf der einen Seite gibt es für Timothy Garton Ash tatsächliche eine Explosion der Hassrede im weitesten Sinn; das meiste davon kann seiner Meinung nach getrost ignorieren. Auf der anderen Seite besteht die pathologische Bereitschaft, sich sofort verletzt zu fühlen, schon bei der allerkleinsten Kränkung. Timothy Garton Ash stellt fest: „Das ist eine Infantilisierung des öffentlichen Diskurses, die ich leider bei meinen Studenten in Oxford und Stanford beobachten kann. Die Universitäten sollten Tempel der Redefreiheit sein, in denen alles, auch die anstößigste Meinung, auf zivilisierte Weise diskutiert werden kann.“ Selbst anstößige Geschichten sind kein Grund, jemanden von der öffentlichen Debatte auszuschließen. Es gibt verschiedene Hypothesen, die sich allerdings teilweise widersprechen, woher die Überempfindlichkeit vieler Menschen in liberalen Gesellschaften kommt. Der britische Zeitgeschichtler Timothy Garton Ash lehrt in Oxford und an der kalifornischen Stanford University.

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Konrad Paul Liessmann beklagt die Infantilisierung der Studenten

Die Verschulung des Studiums im Zuge der Bologna-Reform hinterlässt auch in der Psyche der Studenten gravierende Spuren. Konrad Paul Liessmann stellt fest: „Aus jungen Erwachsenen werden späte Kinder.“ Mit Entsetzen musste jüngst ein Professor der Johann Wolfgang von Goethe-Universität Frankfurt feststellen, dass Studenten im 1. Semester zunehmend nur noch in Begleitung ihrer Eltern die Hochschule betreten. Die Zahl der nichtstudierfähigen Abiturienten nimmt bedrohlich zu. Konrad Paul Liessmann fügt hinzu: „Die Infantilisierung und selbstgewählte Teilentmündigung junger Erwachsener scheint in vollem Gange. Das ist nicht ausschließlich deren Schuld, sondern entspricht dem Charakter unserer Konsumgesellschaft und der zunehmenden Pädagogisierung des Alltags.“ Konrad Paul Liessmann ist Professor am Institut für Philosophie der Universität Wien. Zuletzt sind von ihm folgende Bücher erschienen: „Das Universum der Dinge“ (2010), „Lob der Grenze“ (2012) und „Geisterstunde“ (2014).

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