Die Alten sind inzwischen ein Machtfaktor

„Jugend“ war in der Zeit nach 1968 geradezu zum Maß und Ziel aller Dinge geworden. Sie wurde verehrt, vergöttert und glorifiziert. Dies geschah zu Lasten einer Erwachsenengeneration, die ihre Jugend zwischen Stalingrad und Nachkriegszeit verloren hatte. Ihre Kinder wurden hingegen der Werbung liebste Kinder. Während die Älteren Gefahr liefen, zu Nachtwächtern der Leistungsgesellschaft und zum Leitartikelthema der Adventszeit zu werden. Horst Opaschowski weiß: „Inzwischen kehrt sich das Verhältnis um. Ein halbes Jahrhundert später wird die Jungend zur Minderheit, die Alten zum Machtfaktor. Die Deutschen leben länger und altern gesünder. Jeder zweite Bundesbürger braucht im Alter keine Pflege.“ Horst Opaschowski gründete 2014 mit der Bildungsforscherin Irina Pilawa das Opaschowski Institut für Zukunftsforschung. Bis 2006 lehrte er als Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität Hamburg. Ab 2007 leitete er die Stiftung für Zukunftsfragen.

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Das Philosophicum Lech ist extrem erfolgreich

Für Ludwig Muxel, dem Obmann des Vereins Philosophicum Lech, gehören das Philosophicum und Lech am Arlberg untrennbar zusammen. Maßgeblich für die nachhaltig erfolgreiche Entwicklung ist der wissenschaftliche Leiter Konrad Paul Liessmann. Das Konzept, das der österreichische Philosoph entwickelte, war einfach und klar; jedes Jahr ein Thema, und das wird in verschiedenen Vorträgen von Philosophen und anderen Geisteswissenschaftlern ausgeleuchtet. Das Philosophicum Lech zählt heute zu den erfolgreichsten geisteswissenschaftlichen Tagungen im deutschsprachigen Raum. Das Buch „Der Geist im Gebirge“ enthält Beiträge von Jan Assmann, Barbara Bleisch, Heinz Bude, Karin Harrasser, Lisa Herzog, Herfried Münkler, Robert Pfaller, Richard David Precht, Rüdiger Safranski, Franz Schuh, Martin Seel, Peter Sloterdijk, Cora Stepan, Wolfgang Ulrich, Lambert Wiesing u.a. Die Beiträge geben Einblick in die Geschichte einer Veranstaltungsreihe, in der sich die Konturen der vergangenen 25 Jahre spiegeln.

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Die Einigkeit von Herz und Seele führt zum Glück

„Wenn mein Herz mit mir einig ist und die Seele auf mich hört, so werde ich glücklich sein.“ Das ist der Sinn eines alten ägyptischen Papyros, das vielleicht 2000 v. Chr. entstanden ist. Das „Herz“ war im alten Ägypten sowohl Sitz der Gefühle als auch des Verstandes. Albert Kitzler erklärt: „Man hatte offenbar schon eine Vorstellung davon, dass es neben der rationalen auch eine emotionale Intelligenz gibt.“ Was sich genau hinter dem Ausspruch verbirgt, dürfte jedoch nicht mehr aufzuklären sein. Anscheinend will der Autor sagen, dass das Glück von der Authentizität und Wahrhaftigkeit der Person abhängt. Das heißt, von der Übereinstimmung seines Denkens, Wollens, Handelns und Fühlens, von der Kohärenz und Stimmigkeit der gesamten Lebensführung. Der Philosoph und Jurist Dr. Albert Kitzler ist Gründer und Leiter von „MASS UND MITTE“ – Schule für antike Lebensweisheit.

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Michael J. Sandel kennt die meritokratische Ethik

In diesen Tagen sehen viele Menschen Erfolg in einer Weise, wie die Puritaner Erlösung betrachteten. Nämlich nicht als etwas, das von Glück oder Gnade abhängig ist, sondern als etwas, das man sich durch eigene Anstrengung und Mühe verdient. Michael J. Sandel weiß: „Das ist der Kern der meritokratischen Ethik. Sie rühmt die Freiheit – die Fähigkeit, mein Schicksal vermöge harter Arbeit zu steuern – und die Verdienste.“ Wenn man selbst dafür verantwortlich ist, dass man sich einen hübschen Anteil weltlicher Güter angehäuft hat, dann muss man sich das verdient haben. Erfolg ist ein Zeichen der Tugend. Der Wohlstand steht einem zu. Diese Denkungsart gibt denjenigen Kraft, die an Meritokratie glauben. Michael J. Sandel ist ein politischer Philosoph, der seit 1980 in Harvard lehrt. Er zählt zu den weltweit populärsten Moralphilosophen.

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Geistige Offenheit kann man lernen

In seinem neuen Buch „Think Again“ fordert Adam Grant seine Leser dazu auf, die Komfortzone fester Überzeugungen zu verlassen. Denn nur wer Zweifel und unterschiedliche Ansichten zulässt, ohne sich in seinem Ego bedroht zu fühlen, eröffnet sich die großartige Chance, wirklich neue Erkenntnisse zu gewinnen. In einer Welt, die sich rasant verändert, brauchen die Menschen dringend die Fähigkeit, Gedachtes zu überdenken und sich von Erlerntem wieder zu lösen. Adam Grant vertritt in „Think Again“ die These, dass man geistige Offenheit lernen kann. Dazu muss man seine kognitive Trägheit überwinden. Viele Menschen ziehen jedoch oft die Bequemlichkeit, an alten Ansichten festzuhalten, der Schwierigkeit vor, sich mit neuen Sichtweisen auseinanderzusetzen. Adam Grant ist Professor für Organisationspsychologie an der Wharton Business School. Er ist Autor mehrerer internationaler Bestseller, die in 35 Sprachen übersetzt wurden.

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Glück ist selbst in einer schlechten Welt möglich

Im neuen Philosophie Magazin 05/2022 äußern sich große Philosophen zu der Frage, ob es möglich ist, in einer schlechten Welt glücklich zu sein. Jean-Jacques Rousseau, Albert Camus, Harmut Rosa und Robert Pfaller sind der Ansicht, dass wirkliches Glück in einer abscheulichen Gegenwart nicht nur möglich ist, sondern erstrebenswert. Wer meint, sich seines Glückes schämen zu müssen, könnte einem schwerwiegenden Irrtum unterliegen. Jean-Jaques Rousseau vergällt nicht das Glück als solches, sondern er hält es gerade umgekehrt hoch in Form einer Selbstsorge. Aus dieses kann die Empathie allererst erwachsen. Doch verlangte der Philosoph keineswegs, dass man sich selbst herabsetzt, schämt, gar verzweifelt, weil es einem selbst besser geht als einem leidenden anderen. Svenja Flaßpöhler ergänzt: „In der Tat ist die Fähigkeit, mit anderen mitzufühlen, ein zentraler Antriebsmotor solidarischer Bewegungen. Und sie ist entscheidend für den zivilisatorischen Fortschritt.“

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Der Liebende liebt das Schöne

In Platons „Symposion“ heißt es: „Der Liebende liebt das Schöne. Das Schöne findet sich nicht nur an einem Menschen.“ Also liebt er nicht nur viele. Nein, als Philosoph muss er sogar viele lieben, weil er sonst eben den allgemeinen Charakter der Schönheit nicht erkennt. Daraus lässt sich für Peter Trawny die Aufforderung ablesen, mit der Ansicht aufzuhören, es gäbe nur einen schönen Körper, nämlich den des gerade Geliebten. Da kann dann die Ehe nur stören. Wie dem auch sei. In Zeiten, in denen die Scheidung zu einer gewöhnlichen Angelegenheit geworden ist, ist ein Lob der Ehe fragwürdig, wenn nicht befremdlich. Peter Trawny vermutet: „Heute schein es nicht nur die Philosophen zu sein, die den allgemeinen Charakter der Schönheit erkannt haben und ihm zusprechen.“ Peter Trawny gründete 2012 das Martin-Heidegger-Institut an der Bergischen Universität in Wuppertal, das er seitdem leitet.

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Irrtümer beim Maßhalten sind nicht ungewöhnlich

Die alten Chinesen waren laut Albert Kitzler ebenso tiefe Denker wie die Griechen und Inder. Bedingt durch ihr Schriftzeichensystem philosophierten sie allerdings mehr mithilfe von Bildern als in fest definierten Begriffen. Ein Beispiel dafür gibt folgendes Zitat des bedeutenden Philosophen Xunzi, das sich mit den Irrtümern beim Maßhalten beschäftigt: „Darum muss der Mensch bei allem, was er tut, immer und überall zu wägen wissen, als trüge er eine Waage bei sich.“ Ist die Waage des wägenden Verstandes allerdings ungenau, so mag sich sehr wohl hinter dem wünschenswert Erscheinenden Unheil verbergen und doch für ein Glück gehalten werden. Und ebenso mag sich hinter verabscheuungswürdig Erscheinenden Glück verbergen, indes man Unheil darin wittert. Der Philosoph und Jurist Dr. Albert Kitzler ist Gründer und Leiter von „MASS UND MITTE“ – Schule für antike Lebensweisheit.

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Die Musik macht den Menschen vollkommen

Musik und Lieder sind die harmonischen Elemente der Menschlichkeit. So steht es im chinesischen „Buch der Riten, Sitten und Gebräuche“. Musik und musikalische Gesetze geben den Rhythmus und Takt im gelingenden Miteinander an. Sie bestimmen Form und Ausdruck der Mitmenschlichkeit. Und sie stehen für Sensibilität, Feinfühligkeit, Harmonie und Achtsamkeit im Umgang mit anderen Menschen. Albert Kitzler fügt hinzu: „Wir hören dem anderen zu und werden von ihm gehört. Wir gehen aufeinander zu un finden Stimmigkeit im gegenseitigen Verstehen und Handeln.“ Konfuzius sagt: „Die Lieder erheben den Menschen. Die Musik macht ihn vollkommen.“ Mit „erheben“ dürfte er meinen, dass die Lieder das Bewusstsein aus dem Verhaftet-Sein im gewöhnlichen Alltag auf eine höhere Ebene versetzen. Der Philosoph und Jurist Dr. Albert Kitzler ist Gründer und Leiter von „MASS UND MITTE“ – Schule für antike Lebensweisheit.

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Die Weisheit zählt die Liebe zu den höchsten Tugenden

Die Weisheit, um mit Epiktet zu sprechen, lädt die Menschen ein zu unterscheiden, was von ihnen abhängt und was nicht. Wenn einem Menschen etwas passiert, das er sich nicht ausgesucht hat, liegt es dennoch an ihm, wie der damit umgeht. Eine schwere Krankheit kann man beispielsweise als Herausforderung ansehen oder sich von ihr niederdrücken lassen. Ein Weiser akzeptiert seine Krankheit, anstatt sie zu verleugnen. Dann versucht er, in Bezug auf das, was er beeinflussen kann, zu handeln. Zum Beispiel gute Medikamente zu finden und so positiv wie möglich mit der Situation umzugehen. Frédéric Lenoir ergänzt: „Schließlich, wenn wir trotz all unserer Anstrengungen nicht gesund werden, müssen wir uns erneut in das Unausweichliche fügen, da wir es nicht vermeiden können: die chronische Krankheit oder den Tod.“ Frédéric Lenoir ist Philosoph, Religionswissenschaftler, Soziologe und Schriftsteller.

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Die anderen sind die größte Gefahr für das Glück

Die Mitmenschen, nach deren Gesellschaft man sich sehnt, sind zugleich die größte Gefahr für das eigene Glück. Sie wecken vielfältige Begehrlichkeiten und Sehnsüchte. Der Weise zieht sich auf sich selbst zurück, er ist mit sich allein. Das heißt für Seneca allerdings nicht, dass er sich von der Gesellschaft absondert. Albert Kitzler erläutert: „Wie für Aristoteles ist auch für Seneca der Mensch ein soziales Wesen, das auf Gemeinschaft und Miteinander angewiesen und ausgerichtet ist. Doch eben darin liegt auch die Gefahr für ein selbstbestimmtes, in sich ruhendes und sich selbst lebenden Wesen.“ Laut Seneca muss man Einsamkeit und Geselligkeit miteinander verbinden und abwechseln lassen: „Wie die erstere in uns die Sehnsucht nach Menschen weckt, so ist letztere die die Sehnsucht nach uns selbst. Und beide werden einander hilfreich ergänzen.“ Der Philosoph und Jurist Dr. Albert Kitzler ist Gründer und Leiter von „MASS UND MITTE“ – Schule für antike Lebensweisheit.

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Der Mensch erschafft sich sein Weltbild selbst

Im zweiten Hauptfach von Senecas Seelenschulung geht es um den Umgang mit sich selbst. Albert Kitzler meint: „In gewisser Hinsicht kann man sagen, dass es das wichtigste Hauptfach ist.“ Alle Wahrnehmungen, jegliche Welterfahrung, ja auch die Selbstwahrnehmung gehen durch den Filter des eigenen Vorstellens, Denkens, Bewertens und Wollens. Seit der Antike bis heute haben Philosophen daher immer wieder betont, dass der Mensch sich sein Weltbild selbst erschafft. In einem selbst liegt der Schlüssel zu allem. Die Arbeit an einem selbst macht es möglich, mit anderen Menschen und zum äußeren Geschick einen Umgang zu finden, der einen selbst nicht belastet. Sondern dieser Umgang kann die eigene Person sogar erfüllt und glücklich machen. Der Philosoph und Jurist Dr. Albert Kitzler ist Gründer und Leiter von „MASS UND MITTE“ – Schule für antike Lebensweisheit.

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Die Freiheit befreit von der Herrschaft des Zufalls

Die Freiheit ist es, um die man kämpfen sollte. Um diesen Preis wird gerungen. Für Seneca besteht die Freiheit darin, dass man keinem Zwang, keinem Zufall die Herrschaft über sich einräumt und das Schicksal sich nicht über den Kopf wachsen lässt. Die Freiheit ist mit anderen Motiven eines guten Lebens eng verflochten. Warum ist das so? Albert Kitzler antwortet: „Weil die Freiheit für Seneca die Fähigkeit ist, sich von all dem, was uns widerfährt, innerlich unabhängig zu machen. Mit ihr befreien wir uns aus der Herrschaft des Zufalls.“ Niemand kann ändern, was geschieht. Aber was das Geschehen mit einem Menschen macht, so Seneca, kann man durchaus bestimmen. Der Philosoph und Jurist Dr. Albert Kitzler ist Gründer und Leiter von „MASS UND MITTE“ – Schule für antike Lebensweisheit.

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Die deutsche Einheit war ein Glücksfall

In den 1990er Jahren wurden die Karten in Deutschland neu gemischt, und was dabei herauskam, verursachte Streit. Die ostdeutsche Bürgerrechtlerin Marianne Birthler glaubte im Rückblick von dreißig Jahren, dass Ostdeutsche in der Bundesrepublik noch immer benachteiligt seien. Das lag ihrer Ansicht nach auch an deren Gutgläubigkeit und Ahnungslosigkeit. Beides sei ein großer Nachteil in der Umbruchszeit gewesen, denn: „Profitiert haben jene, die sich auskannten und in gesicherten Verhältnissen lebten. Und zehn Jahre später? Als die Ostler das System verstanden haben, war der Kuchen verteilt.“ Edgar Wolfrum weist darauf hin, dass der Philosoph Richard Schröder hingegen stets das Glück der deutschen Einheit betonte, gerade für die Ostdeutschen. Man dürfe sie nicht unter der Rubrik „Pleiten, Pech und Pannen“ abhandeln. Edgar Wolfrum ist Inhaber des Lehrstuhls für Zeitgeschichte an der Universität Heidelberg.

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Glück sollte das Endziel des politischen Lebens sein

Ned O’Gorman beschreibt in seinem neuen Buch „Politik für alle“ das Denken von Hannah Arendt. Er bewegt sich dabei zwischen einer Einführung in ihre Arbeit und den Werken anderer wichtiger politischer Denker. Der Autor verteidigt dabei engagiert die Politik im Zeitalter der politischen Erschöpfung. Im Vorwort schreibt Ned O’Gorman: „Dieses Buch handelt vom Glück.“ Viele Menschen kennen die Redewendung vom „Streben nach Glück“. Sie war und ist revolutionär. Für die Unterzeichner der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und die Menschen, die sie vertraten, war Glück das Ziel des politischen Lebens. Heute ist fast niemand mehr daran gewöhnt, Politik mit Glück zu verbinden. Viel eher assoziiert man sie mit negativen Gefühlen wie Elend, Depression, Apathie, Empörung oder Wut. Ned O’Gorman ist Professor für Kommunikationswissenschaften an der University of Illinois.

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Der Fortschritt wird immer unberechenbarer

Eine Ära der Unsicherheit hat weltweit begonnen. Die Menschen müssen umdenken und lernen, in und mit dauerhaft unsicheren Zeiten zu leben. Horst Opaschowski nennt ein Beispiel: „Die Finanzmärkte kennen diese Volatilität schon lange: Kein Vermögenswert ist mehr wirklich sicher.“ Nach dem amerikanischen Risikoforscher Nicholas Taleb brauchen die Menschen ein neues Denken für eine Welt, die bei allem Fortschritt immer unberechenbarer wird. Seine Antwort und Empfehlung für die Herausforderungen in unsicheren Zeiten lautet: „Antifragilität“. Damit ist eine Lebenshaltung gemeint, die mehr als stark, solide, robust und unzerbrechlich ist. Horst Opaschowski gründete 2014 mit der Bildungsforscherin Irina Pilawa das Opaschowski Institut für Zukunftsforschung. Bis 2006 lehrte er als Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität Hamburg. Ab 2007 leitete er die Stiftung für Zukunftsfragen.

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Ein glückliches Leben muss kein gutes sein

Sokrates hat eine fundamentale Unterscheidung zwischen einem glücklichen und einem guten, das heißt einem rechtschaffenen, Leben eingeführt. Frédéric Lenoir erläutert: „Man kann ein egoistisches Glück suchen, ohne sich allzu sehr um die anderen zu kümmern, oder sich sogar explizit ungerecht verhalten.“ Fast jeder kennt einzelne Personen, die ihr Leben nach dem Motto „Nach mir die Sintflut!“ führen. Sie denken nur an sich selbst oder ihren Clan und interessieren sich nicht im Geringsten für das Gemeinwohl. Im Übrigen glaubt Frédéric Lenoir nicht, dass sie im Innersten glücklich sein können. Denn tiefes Glück ist seiner Meinung nach gebunden an Liebe, Altruismus und ein gerechtes Verhältnis zu anderen. Wie auch immer, sie streben nach dem Glück, aber ohne nach den Regeln des Anstands zu leben. Frédéric Lenoir ist Philosoph, Religionswissenschaftler, Soziologe und Schriftsteller.

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Seelische Ausgeglichenheit führt zum Glück

Epikur sieht das höchste für den Menschen erreichbare Glück in der Lust, das größte Übel im Schmerz. Paul Kirchhof erklärt: „Lust meint dabei nicht Ungehemmtheit, nicht Prassen und Völlerei, sondern Schmerzlosigkeit, den Zustand vollkommener seelischer Ausgeglichenheit.“ Diese wird nicht in der Abgeschiedenheit, sondern in der Gemeinschaft des philosophischen Gesprächs erreicht. Epikur schreibt: „Philosophie ist die Tätigkeit, die durch Argumentation und Diskussion das glückselige Leben schafft.“ Der Gelassene führt ein maßvolles, asketisches Leben mit Freunden und gewinnt so Geborgenheit und Sicherheit sowie innere Ruhe. Dr. jur. Paul Kirchhof ist Seniorprofessor distinctus für Staats- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg. Als Richter des Bundesverfassungsgerichts hat er an zahlreichen, für die Entwicklung der Rechtskultur der Bundesrepublik Deutschland wesentlichen Entscheidungen mitgewirkt.

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Vergesslichkeit ist eine Überlebensstrategie

Svenja Flaßpöhler schreibt: „Es war wiederum Friedrich Nietzsche, der den Wert des Vergessens philosophisch auf den Begriff gebracht und die „Vergesslichkeit“ zur unerlässlichen Überlebensstrategie erklärt hat.“ So führt der Philosoph aus, die Vergesslichkeit sei „ein aktives, im strengen Sinne positives Hemmungsvermögen“. Dieses befreit das Denken eines Menschen, erhebt ihn über die Kämpfe, die er tief in seinem Inneren führen mag und öffnet so für ich die Zukunft. Friedrich Nietzsche erklärt: „Die Türen und Fester des Bewusstseins zeitweilig schließen; von dem Lärm und Kampf, mit dem unsere Unterwelt von dienstbaren Organen für und gegeneinander arbeitet, unbehelligt bleiben; ein wenig Stille, ein wenig tabula rasa des Bewusstseins, damit wieder Platz wird für Neues.“ Dr. Svenja Flaßpöhler ist seit Dezember 2016 leitende Redakteurin im Ressort Literatur und Geisteswissenschaften beim Sender „Deutschlandradio Kultur“.

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Die Wurzeln des Glücks liegen in der Natur

In ihrem Buch „Die Wurzeln des Glücks“ erklärt Lucy F. Jones wie Wissenschaftler und Therapeuten viele erstaunliche Wechselwirkungen zwischen der natürlichen Umgebung und der geistigen und seelischen Gesundheit der Menschen entdecken. Im Jahr 2005 prägte der amerikanische Autor Richard Louv den Begriff der „Naturdefizit-Störung“. Er bezeichnete damit die negativen Auswirkungen mangelnder Berührungspunkte mit der Natur auf die allgemeine Gesundheit des Menschen. Es kommt dabei zu einer Unterentwicklung der Sinne, Konzentrationsschwierigkeiten und zur Zunahme von körperlichen und geistigen Krankheitsbildern. Wer sich dagegen auf die Natur einlässt, erneuert und regeneriert sich. Denn die Natur hilft den Menschen dabei, die Welt, in der sie sich wiederfinden, zu verstehen und ihr Bedeutung abzugewinnen. Lucy F. Jones ist Journalistin und schreibt regelmäßig zu wissenschaftlichen Themen, Gesundheit, Umwelt und Natur für die BBC, The Guardian und The Sunday Times.

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Besser leben heißt gesünder leben

Urbane Stileliten flüchten in unverdächtige Luxusformen wie hochpreisige Fahrräder und Nahrungsmittel aus dem Biomarkt. Ulf Poschardt stellt fest: „Beide Konsumfelder funktionieren auch als scharfe Distinktion gegen unakademische Aufsteiger, Neureiche und gegen den einfachen Plebejer, der seinen winzigen koreanischen SUV abstottert.“ Besser leben heißt seit der Antike gesünder leben. Askese als Lustgewinn bedeutet, anzuknüpfen an die Ethik der Antike, die bereits das maßvolle Leben als Garanten für Glück und Harmonie entdeckte. In den Klöstern waren schon vor Jahrhunderten alle Prinzipien nachhaltiger Entwicklung grundgelegt. Ob es nun um das Maßhalten geht mit einer Reduktion des Lebenstempos und der Anzahl von Erlebnissen. Oder ob es sich um die Regionalisierung handelt, die auf exotische und Ressourcen vergeudende Lebensmittel und Produkte verzichtet. Seit 2016 ist Ulf Poschardt Chefredakteur der „Welt-Gruppe“ (Die Welt, Welt am Sonntag, Welt TV).

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Die meisten Menschen denken nicht ans Sterben

Die vielleicht fundamentalste Erfahrung von Unkontrollierbarkeit ist die Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit. Judith Glück erläutert: „Der Mensch ist das einzige Tier, das weiß, dass es sterben muss, wobei die meisten von uns die meiste Zeit recht erfolgreich darin sind, dieses Wissen zu verdrängen.“ Auch deshalb ist es für viele Menschen schwer erträglich, mit einer Person zusammen zu sein, die gerade jemanden verloren hat oder eine sterbende Person pflegt. Verschiedene Studien zeigen, dass viele Menschen auf die Konfrontation mit dem Thema Sterben mit einem verstärkten Bedürfnis reagieren, die dadurch hervorgerufenen Gedanken abzuwehren. Das tun sie vor allem auf zwei Arten: einerseits durch die Suche nach Selbstbestätigung, durch ein Sich-Besinnen auf die eigenen Leistungen und Fähigkeiten. Andererseits durch die Bestätigung ihres persönlichen und kulturellen Weltbildes. Judith Glück ist seit 2007 Professorin für Entwicklungspsychologie an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

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Bildung sorgt für individuelles Glück

Dass sich Menschen und Gesellschaften durch Bildung verändern lassen, gehört zu den zentralen Mythen moderner Bildungsideologien. Konrad Paul Liessmann erläutert: „Vielen gilt Bildung als jenes Instrumentarium, mit dem nicht nur die Menschen ihr individuelles Glück finden, sondern mit dem man auch die sozialen, politischen und ökonomischen Probleme unserer Zeit lösen kann.“ Wer einen Menschen aus dem Netz rassistischer oder sexistischer Vorurteile befreien und zum Positiven verändern möchte, empfiehlt, ihn zu bilden. Wer eine Gesellschaft gerechter und friedlicher haben möchte, empfiehlt, damit in der Schule zu beginnen. Konrad Paul Liessmann stellt sich die Frage, ob Bildung hält, was man sich hier von ihr verspricht. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

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Glück hat mit Geld nichts zu tun

Geld macht weder glücklich noch unglücklich. Glück hat mit Geld nichts zu tun, sondern mit den eigenen Entscheidungen. Auf den Einwand: „Ich habe keine Zeit!“, antwortet Reinhard K. Sprenger: „Zeit kann man nicht haben. Zeit ist eine Frage der Priorität: Was ist Ihnen wichtig?“ Jeder Mensch hat immer, ausnahmslos immer Zeit für das, was ihm wirklich wichtig ist. „Keine Zeit“ heißt: Es ist Ihnen nicht wichtig.“ Der europäische Osten besaß vor dem Fall der Mauer einen schier unermesslichen Reichtum an Zeit. Im Westen haben die Menschen für ihren materiellen Wohlstand schon immer Zeitarmut in Kauf genommen. Dem liegt eine Entscheidung zugrunde, wie „Reichtum“ zu definieren ist. Reinhard K. Sprenger ist promovierter Philosoph und gilt als einer der profiliertesten Managementberater und Führungsexperte Deutschlands.

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Den Taoismus zeichnet kritisches Denken aus

Frédéric Lenoir hebt als wesentliche Tugend die Flexibilität hervor. Denn die Biegsamkeit des Körpers ist wichtig, um sich gut zu bewegen. Doch geistige Biegsamkeit ist genauso wichtig, um gut zu leben. Flexibilität, also die Fähigkeit, sich jeder Situation anzupassen, scheint für Frédéric Lenoir eine wesentliche Voraussetzung für Weisheit zu sein. Sie fehlt zwar in der abendländischen Tradition, doch ist sie die Grundlage einer großen chinesischen Weisheitsströmung, die Frédéric Lenoir sehr gefällt: des Taoismus. Die taoistische Philosophie ist in China um das 4. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung entstanden und entwickelt sich als Gegenstück zum offiziellen konfuzianischen Denken. Dabei handelt es sich um eine Form des undogmatischen, skeptischen und kritischen Denkens. Sie basiert auf Werten, die paradox erscheinen, wie die Macht des Schwachen, die Weisheit des Kindes oder der Wirksamkeit des Nichthandelns. Frédéric Lenoir ist Philosoph, Religionswissenschaftler, Soziologe und Schriftsteller.

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