Jens Gnisa warnt vor dem Ende der Gerechtigkeit

Das neue Buch „Das Ende der Gerechtigkeit“ von Jens Gnisa handelt vom Ringen der Politik und der Justiz um das Recht. Zu oft sind sie dabei Gegner. Jens Gnisa kritisiert: „Unser Volksvertreter sind dabei, eine der wichtigsten Säulen der Demokratie, die unabhängige Rechtsprechung, einstürzen zu lassen.“ Seiner Meinung nach haben das Recht und seine sorgsame Pflege außerhalb der Justiz nur noch wenige Fürsprecher. Jens Gnisa gibt zwar zu, dass das Recht manchmal unbequem, oft sperrig und häufig langsam ist, aber dennoch ist es in einer funktionierenden Demokratie einfach unentbehrlich. Recht kann nur mit einer unbestechlichen Justiz funktionieren. Und obwohl Deutschland hier Meilensteine setzt, verliert die Bevölkerung mehr und mehr ihr Vertrauen in den Rechtsstaat. Jens Gnisa ist Direktor des Amtsgerichts Bielefeld und seit 2016 Vorsitzender des Deutschen Richterbundes.

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Otfried Höffe weist auf die Selbstgefährdung der Freiheit hin

Frei ist, wer sich von Verantwortung und den damit verbundenen Zwängen löst, unfrei, wer das Lösen nicht freiwillig, aus der eigenen Person selbst heraus vornimmt, sondern es von außen aufgezwungen findet. Otfried Höffe erklärt: „Und spätestens dort, wo man von allen Verantwortungen, zusätzlich von allen Bindungen und allen Ressourcen frei wird, verliert die emanzipatorische Freiheit jeden positiven Wert: Wer alles verloren hat, besitzt, weil er nichts mehr zu verlieren hat, fraglos keine beneidenswerte Freiheit.“ Verständlicherweise neigen Menschen, die diesen Radikalverlust erleiden, zur Verzweiflung. Das Gefühl, nichts mehr verlieren zu können, kann die Freiheit allerdings auch steigern. In der Epoche der Aufklärung dominiert die Freiheit im Zuge einer Universalisierung als die mächtige Vision, dass in Zukunft alles reicher, besser, schöner wird. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Es gibt keine wahre Gerechtigkeit auf der Welt

Viele Menschen sind reich, einige sogar superreich. Aber die meisten Menschen sind es nicht. Einige Menschen sind sehr arm, so arm, dass sie währen eines Großteils ihres kurzen Lebens hungern müssen und krank sind. Nigel Warburton erklärt: „Das scheint weder gerecht noch richtig zu sein – und ist es mit Sicherheit auch nicht.“ Gäbe es wahre Gerechtigkeit auf der Welt, würde kein Kind hungern, geschweige denn verhungern. Dann hätte auch jeder Kranke Zugang zu guter medizinischer Versorgung. Die Armen in Afrika wären nicht schlechter dran als die Armen in den USA oder Europa. Die Reichen im Westen wären nicht so viel tausendmal reicher als jene, die, ohne dass sie irgendetwas dafür können, auf der Schattenseite des Lebens geboren wurden. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Der Staat ist zur alternativlosen Herrschaftsform aufgestiegen

Noch besitzt in vielen Regionen der Welt, etwa im Orient, aber nicht nur dort, die Familie und ihre natürliche Fortsetzung, die Sippe, der Klan oder Stamm, eine überragende Bedeutung. Vielerorts spielt auch die Nachbarschaftskultur eine über Jahrhunderte gewachsene Rolle. Auf der anderen Seite gibt es den Einzelstaat, auch Nationalstaat genannt, der nicht sowohl im Orient als auch im Okzident vorherrscht. Otfried Höffe stellt fest: „Nimmt man die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen zum Kriterium, so gibt es mittlerweile 193 Exemplare, weitere zehn warten als Anwärter auf die baldige Aufnahme.“ Da der Staat auch normativ gesehen den primären Ort politischer Legitimation bildet, ist er zur beinahe alternativlosen Herrschaftsform aufgestiegen. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Der Rechtspopulismus ist eine Gefahr für die Demokratie

Der Rechtspopulismus denkt partikularistisch. Solidarität, Gerechtigkeit und Gleichheit gelten für Rechtspopulisten nur innerhalb der eigenen Gruppe: der Nation, der Steuerzahler, des Abendlandes. Kulturen und Identitäten sollen sich nicht vermischen. Das Fremde soll draußen bleiben, gerade weil die Welt so befremdlich geworden ist: der Fremde, die fremde Religion oder Lebensweise, der fremde Gedanke. Die mal latente, mal aggressive Ausländerfeindlichkeit der rechtspopulistischen Bewegung ist das auffälligste Symptom der Sorge um den Verlust der Identität. Sie muss in Abgrenzung zum Anderen gesichert und neu hergestellt werden. Der neue Rechtspopulismus ist keine konservative Bewegung. Er setzt im Gegenteil auf die Veränderung der Gesellschaft; darauf weist der Münchner Soziologe Armin Nassehi hin. Zwar stehen im Programm der AfD viele Forderungen aus dem klassischen Repertoire des Konservatismus. Wenn man die Forderungen aber zu Ende denkt, geht es bei ihnen weder um die Bewahrung des Bestehenden noch um die Wiedergewinnung des Verlorenen.

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Die AfD wird nicht mehr so schnell verschwinden

Die Alternative für Deutschland (AfD) hinterlässt zurzeit nicht den stärksten Eindruck. Die Führungsspitze der Partei scheint sich gerade selbst zerlegen zu wollen, die Fraktion in Baden-Württemberg hat sich, kaum in den Landtag eingezogen, gespalten, wichtige Repräsentanten blamieren sich öffentlich. Trotzdem steht die AfD vor einem weiteren Erfolg: Am 4. September wird in Mecklenburg-Vorpommern gewählt, die Partei steht in Umfragen bei 19 Prozent. Im fernen Amerika redet sich Donald Trump um Kopf und Kragen und ist doch der Präsidentschaftskandidat der Republikaner geworden. Marine Le Pen und Nigel Farage sind die Helden ihrer wachsenden Anhängerschaft, egal, wie sehr sie sich daneben benehmen. Mit der AfD ist eine Bewegung entstanden, die nicht mehr so schnell verschwinden wird. Sie ist rechts, jenseits der historischen Rechten – auch wenn es Berührungen gibt, personell wie ideologisch.

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Die Menschen sind von Natur aus gut

Der große Schweizer Denker und Schriftsteller Jean-Jacques Rousseau, der von 1712 bis 1778 lebte, vertrat die Meinung, dass die wahre Religion vom Herzen komme und keiner religiösen Zeremonien bedürfe. Die Kirche hatte mehrere seiner Bücher verboten, da sie religiösen Ideen verbreiteten, die sich mit der offiziellen Lehre nicht vereinen ließen. Doch den größten Aufruhr verursachten seine politischen Ideen. „Der Mensch ist frei geboren und liegt doch überall in Ketten“, erklärte er zu Beginn seines Buchs „Der Gesellschaftsvertrag oder die Grundsätze des Staatsrechtes“. Für Nigel Warburton ist es nur allzu verständlich, dass Revolutionäre diese Worte zu ihrem Kampfruf machten, etwas Maximilien Robespierre und andere Anführer der Französischen Revolution. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Die Aufklärung steht im Zeichen der Menschenrechte

Unter Aufklärung wird jene Epoche verstanden, in der sich in Europa beziehungsweise in den USA die Auffassung durchsetzte, dass weder die Ständeordnung noch das Gottesgnadentum der Monarchie auf Dauer durchsetzbar waren. Die Theorie der Gewaltenteilung setzte sich durch und die Menschenrechte wurden in die amerikanische Verfassung von 1776 aufgenommen. Ebenso bedeutsam war die Déclaration des droits de l´homme et du citoyen von 1789, die einer auf Freiheit, politischer Gleichheit und Selbstständigkeit der Individuen abhebende Weltsicht Platz schaffte. Die Aufklärung war sich ihrer geschichtlichen Besonderheit durchaus bewusst. Dies erhellen ihre Selbstthematisierung und die Wahl der Bildlichkeit beziehungsweise Begrifflichkeit für das eigene Tun. So beginnt beispielsweise für Alexander Pope mit Isaac Newtons wissenschaftlicher Revolution in der Physik eine Epoche des Lichts.

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Die Vernunft ist die Basis der Philosophie der Neuzeit

Die Epoche der philosophischen Neuzeit umfasst einen Zeitraum der etwa bei der Geburt René Descartes, der 1596 geboren wurde, beginnt und bis zum Tod von Georg Wilhelm Friedrich Hegel, im Jahr 1831, dauerte. Die Philosophieepoche der neuen, der bürgerlichen Zeit dauerte also etwas mehr als 200 Jahren. Die Periode gehörte zu den produktivsten und spannendsten Episoden der Philosophiegeschichte. Kennzeichnend ist für diese Epoche, trotz ihrer Vielfalt und Gegensätzlichkeiten, eine gemeinsame Grundüberzeugung, die jeden Philosophen leitet, egal welchem Thema er sich gerade widmet und über welche Fragen er gerade nachdenkt. Die Basis der Überlegungen, die allen Philosophen der Neuzeit gemeinsam ist, ist das Prinzip der Vernunft.

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Wolfgang Kersting stellt die Theorie des Egalitarismus vor

Die Konzeption des Egalitarismus beruht für Wolfgang Kersting auf einer übertriebenen Interpretation der vertrauten moralischen Intuition, dass Gerechtigkeit etwas mit Verdienst zu tun haben muss. Dieser wiederum ist die eigene Leistung. Was sich jemand selbst erarbeitet hat, gehört ihm. Niemand darf es ihm nehmen, auch nicht der Sozialstaat. Das jedoch, was einem zufällt, muss nach Maßgabe allgemeiner Regeln der Gerechtigkeit ausgeglichen werden. Wolfgang Kersting erläutert: „Und zu dem, was einem zufällt und nicht selbst erarbeitet worden ist, gehören alle natürlichen und herkunftsbedingten Eigenschaften und Fähigkeiten, Dispositionen und Einstellungen, die wesentlich für Erfolg und Misslingen der Lebenskarriere verantwortlich sind.“ Wolfgang Kersting, emeritierter Professor für Philosophie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat sich vor allem mit den Themen Sozialstaat, Gerechtigkeit und Gesellschaftsordnung beschäftigt. Er veröffentlichte Bücher über Platon, Machiavelli, Thomas Hobbes, John Rawls sowie über Immanuel Kants Rechts- und Staatsphilosophie.

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Die Wirkmacht der Europäischen Aufklärung ist bis heute spürbar

Das „Handbuch Europäische Aufklärung“ ist das erste deutschsprachige Werk, das dieser Epoche gewidmet ist. Die überwiegend deutschen Autoren der einzelnen Artikel, durchwegs Spezialisten für ihren Gegenstand, haben immer ihr Augenmerk auf die drei Hauptländer England, Frankreich und Deutschland gelegt, um von vornherein auf die europäische Dimension der Aufklärung aufmerksam zu machen. In ihren Beiträgen prüfen sie ferner die Hypothese von der Fähigkeit der Aufklärung zu ihrer Selbstaufklärung sowie den Funktionswandel ihrer Themen und Zukunftsvorstellungen. In der Regel bleibt die Wirkmacht einer Epoche spürbar, die vor rund 350 Jahren eine neue soziale, politische und geistige Formation großen Anspruchs ins Werk setzte. Den Abschluss der einzelnen Beiträge bilden jeweils Bibliographien zu den Quellen und zur Forschung. Diese sind mit der Argumentation der Darlegung verknüpft. Prof. Dr. Heinz Thoma war bis zu seiner Emeritierung im Jahre 2010 lehrte an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg französische und italienische Literaturwissenschaft.

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Sprechen und Handeln sind sehr nahe miteinander verwandt

Handelnd und sprechend offenbaren die Menschen laut Hannah Arendt, wer sie sind und zeigen dabei aktiv die personale Einzigartigkeit ihres Wesens. Ihrer Meinung nach kann sich die jeweils eigenen Identität allerdings nur gegenüber anderen zeigen und bewähren. Handeln besteht deshalb für Hannah Arendt überwiegend aus Interaktion. Sprechen bedeutet für sie Kommunikation, die nicht nur dazu dient, reine Informationen auszutauschen, sondern Beziehungen zwischen Menschen stiftet. Gerade in diesem Zwischenmenschlichen entsteht für Hannah Arendt der ursprüngliche politische Raum. Die Totalitarismen haben diesen Ort der Politik zerstört, indem sie die Beziehungen zwischen den Menschen vernichteten. In ihrem Hauptwerk „Vita activa oder Vom tätigen Leben“ geht es Hannah Arendt deshalb vor allem darum, der Politik die Würde zurückzugeben.

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Die Kulturen befinden sich in einem ständigen Wandel

Nach der landwirtschaftlichen Revolution werden die Gesellschaften der Menschen immer größer und komplexer. Zudem wurden die erfundenen Ordnungen, die diese Gesellschaften zusammenhielten immer raffinierter. Yuval Noah Harari ergänzt: „Mythen und Märchen programmierten die Menschen darauf, fast von Geburt an auf eine bestimmte Weise zu denken und zu handeln, bestimmte Dinge zu wollen und bestimmte Regeln zu befolgen.“ Damit schufen die Gesellschaften „künstliche Instinkte“, mit deren Hilfe Millionen von Menschen effektiv zusammenarbeiten konnten. Dieses Netzt künstlicher Instinkte heißt heue Kultur. So bedeutete damals wie heute ein Ägypter zu sein, automatisch wie ein Ägypter zu gehen, zu stehen, zu sitzen, zu sprechen und zu denken. Yuval Noah Harari ist Professor für Geschichte an der Hebrew University of Jerusalem.

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Aristoteles untersucht den Wert der Gerechtigkeit

Unter Gerechtigkeit will Aristoteles jene Grundhaltung verstanden wissen, von der her die Menschen die Fähigkeit haben, gerechte Handlungen zu vollziehen, von der aus sie gerecht handeln und ein festes Verlangen nach dem Gerechten haben. Ebenso gilt die Ungerechtigkeit als Haltung, von der her die Menschen ungerecht handeln und ein festes Verlangen nach dem Ungerechten haben. Dennoch sind Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit für den griechischen Philosophen mehrdeutige Begriffe. Als Ausgangspunkt für diese Behauptung dienen ihm die verschiedenen Bedeutungen der Aussage, dass ein Mensch ungerecht sei. Als ungerecht gilt, wer die Gesetze, wer die gleichmäßige Verteilung der Güter, die bürgerliche Gleichheit, missachtet, und somit gilt offenbar als gerecht, wer das Gesetz und die bürgerliche Gleichheit achtet.

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Ulrich Beck analysiert die Lage zwischen den Geschlechtern

Zur Kennzeichnung der Beziehungssituation zwischen den Geschlechtern wird laut Ulrich Beck immer häufiger auf ein wenig friedfertiges Vokabular zurückgegriffen. Wer hinter der Sprache die Wirklichkeit zu erkennen meint, muss feststellen, dass Liebe und Intimität möglicherweise in ihr Gegenteil umgeschlagen sind. Dies verweist auf eine tiefe Verunsicherung und Verletztheit. Ulrich Beck spricht sogar von einer bewaffneten Ratlosigkeit, mit denen sich Männer und Frauen im Alltag von Ehe und Familie, wenn überhaupt etwas davon übriggeblieben ist, gegenüberstehen. Wer über Familie redet, muss nach Ulrich Beck auch über Arbeit und Geld reden, wer über Ehe redet, muss über Ausbildung, Beruf und Mobilität sprechen und zwar über Ungleichverteilungen bei gleichen Bildungsvoraussetzungen. Ulrich Beck war bis 2009 Professor für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Seither ist er Gastprofessor für Soziologie an der London School of Economics and Political Science.

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Das Internet ist ein Schauplatz von Mobbing und Hetzkampagnen

So wie das Internet jetzt ist, versagt es. Die digitale Revolution hat laut Andrew Keen alles verändert. Seiner Meinung nach wird es nie wieder eine Zeit geben, in der die Menschen offline leben. Aber es wird die Zeit kommen, in der man sich nach einem Leben ohne Internet zurücksehnt. Mit „Internet“ meint Andrew Keen übrigens nicht Kabel, Geräte und Datenmengen, sondern die vernetzte Gesellschaft. Jeder ist davon betroffen, wobei sich die Entwicklung noch in einem Anfangsstadium befindet. Für Andrew Keen gibt es momentan drei Hauptprobleme. Erstens verschärft die digitale Revolution Ungleichheiten. Der Politikwissenschaftler Andrew Keen hält weltweit Vorträge und schreibt Bücher wie „Die Stunde der Stümper“ oder aktuell „Das Digitale Debakel“ (DVA). In der grenzenlosen Macht, im „Libertarismus“ sieht Andrew Keen eine Gefahr für die Freiheit und die Menschenwürde.

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Ein freier Wille ist für Paracelsus ein Ding der Unmöglichkeit

Der Naturphilosoph Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus, der von 1493 bis 1541 lebte, führte schon im Jahr 1527 an der Basler medizinischen Fakultät Vorlesungen in der deutschen Sprache ein. Paracelsus lehrt in seinem “Buch Paragranum” vier Säulen der Medizin: Philosophie, Astronomie, Alchemie und „proprietas“, so etwas wie eine Ethik der Medizin. Laut Vittorio Hösle sind darin Zukunftsweisendes und nach modernen Kriterien Unwissenschaftliches miteinander verwoben: „Neben der Forderung nach einer Begründung der Medizin durch Chemie Mineralogie findet sich der Gedanke, dass der menschliche Mikrokosmos, also etwa einzelne Organe den Planeten entsprechen.“ Wichtig ist für Paracelsus die Suche nach einem Grund der Medizin und das Streben nach Gewissheit. Vittorio Hösle ist Paul Kimball Professor of Arts and Letters an der University of Notre Dame (USA).

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Die Renaissance brachte ab 1300 ein neues Lebensideal hervor

Zu Beginn der Renaissance entstand schon seit der Zeit um 1300 in den Stadtstaaten Italiens ein neues Ideal des Lebens, in dem sich der Einzelmensch von den Bindungen, die Geburt und Herkunft ihm auferlegten, befreite. An die Stelle der Anonymität des Mittelalters trat allmählich die Persönlichkeit, die nach Ruhm und Ansehen strebte. Die soziale Herkunft war für den gesellschaftlichen Aufstieg nicht mehr von ausschlaggebender Bedeutung. So konnte beispielsweise Taddeo Alderotti, der zunächst seinen kümmerlichen Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Wachskerzen bestritt, über den Besuch der Lateinschule und Universität zum berühmten Arzt und Gelehrten aufsteigen. Besonderes Ansehen besaßen damals auch Juristen: ein Doktor der Rechte nahm einen, dem Adel entsprechenden Stand ein. Nach seiner Abkunft fragte ihn niemand mehr. Die politisch und wirtschaftlich Mächtigen förderten zudem Talente aus den untersten Volksschichten.

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Immanuel Kant ist am revolutionärsten in seiner Ethik

Immanuel Kant, der von 1724 bis 1804 lebte, publizierte sein erstes epochales philosophisches Werk, die „Kritik der reinen Vernunft“, 1781 im Alter von 57 Jahren. Um seine Ideen auszuarbeiten, brauchte Immanuel Kant also viel Zeit. Er nahm sich die Zeit, die er brauchte, um seine Philosophie neu zu strukturieren und zu begründen. Vorher hatte er nur seine „Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und der Moral“, 1764 veröffentlicht, einen zweiten Preis der Berliner Akademie der Wissenschaften erhalten. Vittorio Hösle empfiehlt dem Anfänger in der Philosophie dringend das Studium der Schriften Immanuel Kants, zudem diese nicht nur den Scharfsinn schulen, sondern zudem jenen sittlichen Ernst vermitteln, ohne den Philosophie selten mehr ist als das Lösen von Puzzles. Vittorio Hösle ist Paul Kimball Professor of Arts and Letters an der University of Notre Dame (USA).

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Die Überzeugungskraft des demokratischen Rechtsstaats erlahmt

In der arabischen Welt benötigt man in vielen Orten Waffen, um westliche Werte zu sichern. Vor der Gewalt Russlands fürchten sich die Europäer, die Wirtschaftsmacht China beeindruckt sie. Im Inneren lebt der Westen gut mit offenen Grenzen und hoher Mobilität, die Wirtschaft ist relativ stabil. Doch es ist nicht alles Gold was glänzt. Udo di Fabio erklärt: „Aber spätestens seit der Weltfinanzkrise zeigen sich deutliche Risse im Fundament. Wir beobachten die Gleichzeitigkeit einer Internationalisierung der Oberschichten und den als populistisch wahrgenommenen dumpfen Protest derjenigen, die sich als Globalisierungsverlierer definieren.“ Durch Einwanderung und die Vernetzung über die Grenzen hinaus werden Gesellschaften nicht nur multikultureller und vielfältiger, sondern zersplittern sich auch in den Alltagskulturen. Udo di Fabio lehrt öffentliches Recht an der Universität Bonn. Er war bis 2011 Richter des Bundesverfassungsgerichts.

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Auch frühe Gesellschaften waren weder neutral noch gerecht

Yuval Noah Harari ist davon überzeugt, dass sich die Geschichte der Menschheit nach der landwirtschaftlichen Revolution nur noch um eine einzige Frage drehte: „Wie organisierten die Menschen ihr Zusammenleben in großen Gruppen, obwohl ihnen jeglicher biologischer Instinkt dazu abging.“ Die Antworten der Menschen waren die Schrift und die erfundenen Ordnungen. Diese beiden Errungenschaften schlossen die Lücke im menschlichen, biologischen Erbe. Doch die Einführung der Kooperation der Massen war nicht für allen Menschen ein Segen. Die Gesellschaften, die sich daraus entwickelten, waren nämlich weder neutral noch gerecht. Sie stellten Hierarchien auf und teilten die Menschen in Gruppen und Schichten ein. Einige wenige genossen Privilegien und Macht, während die große Masse diskriminiert und unterdrückt  wurde. Yuval Noah Harari ist Professor für Geschichte an der Hebrew University of Jerusalem.

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Wolfgang Kersting ist von der Marktwirtschaft begeistert

Für Wolfgang Kersting ist die Marktwirtschaft nicht nur das effizienteste System der Verwertung von Ressourcen und Versorgung mit Gütern, sondern auch eine Werte verwirklichende und eine moralische Ordnung. Der Markt ist seiner Meinung nach eine Schule der Selbstverantwortung und planenden Rationalität, der Anpassungsfähigkeit und der Erweiterung des Selbst. Er verlangt zudem eine stete Bereitschaft zum Umlernen und zur Weiterbildung, er fordert Offenheit für das Neue, prämiert aber auf der anderen Seite auch Zuverlässigkeit und Berechenbarkeit. Wolfgang Kersting erklärt: „Er fördert somit die Entwicklung fundamentaler menschlicher ethischer Einstellungen und kognitiver Kapazitäten.“ Wolfgang Kersting, emeritierter Professor für Philosophie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat sich vor allem mit den Themen Sozialstaat, Gerechtigkeit und Gesellschaftsordnung beschäftigt. Er veröffentlichte Bücher über Platon, Machiavelli, Thomas Hobbes, John Rawls sowie über Immanuel Kants Rechts- und Staatsphilosophie.

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Das Zentrum der Meinungsbildung war in Athen die Agorá

Der große griechische Denker der Antike, Aristoteles, hat den Menschen als „zoon politikón“, also als politisches Wesen, bezeichnet. Denn er unterscheidet sich vom Tier und von den Göttern dadurch, dass er in der Polis lebt, dem Gemeindestaat mit seinen überschaubaren Grenzen. Tatsächlich gab es im antiken Griechenland nie einen griechischen Gesamtstaat und auch die einzelnen Polis waren mit ihrem bescheidenen Territorium zufrieden, selbst wenn sie die Möglichkeit hatten, in ihrem Hinterland zu expandieren. Aus den Zeiten der Wanderung war sowohl der Gleichheitsbegriff des Wehrgedankens als auch ein ritterliches Ethos einer Adelsgesittung erhalten geblieben. Diese wurde im homerischen Epos gefeiert und bei den panhellenischen Spielen praktiziert. Beide Komponenten wurden allerdings in den verschiedenen griechischen Stadtstaaten auf höchst unterschiedliche Weise umgesetzt. Die möglichen Gegensätze repräsentierten Athen und Sparta.

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Die Gerechtigkeit ist für Aristoteles der Inbegriff aller Tugenden

Das Thema Gerechtigkeit füllt das ganze fünfte Buch der Nikomachischen Ethik des Aristoteles. Die Gerechtigkeit gehört zu den traditionellen Kardinaltugenden. Aristoteles knüpft dabei an die alte Tradition an, wobei die Gerechtigkeit der Inbegriff aller Tugenden ist. Schon im Vers des Theognis, den er zitiert, heißt es: „In der Gerechtigkeit ist jede Tugend zusammengefasst.“ Auch Aristoteles selbst hält die Gerechtigkeit für die vollendete Tugend. Aber gerade damit beginnt für Helmut Flashar das Problem: „Wenn die Gerechtigkeit in das Gesamtsystem der ethischen Tugenden eingeordnet werden soll, dann muss sie eine Mitte zwischen zwei Extremen darstellen und als Teilerscheinung gegen die anderen ethischen Tugenden abgrenzbar sein.“ Hellmut Flashar lehrte bis zu seiner Emeritierung als Klassischer Philologe an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Zu seinen bekanntesten Werken zählen „Inszenierung der Antike. Das griechische Drama auf der Bühne. Von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart“ und „Sophokles. Dichter im demokratischen Athen“.  

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Hans-Werner Sinn kritisiert die lockeren Budgetbeschränkungen

Die Sackgasse, in die einige Staaten der Eurozone geraten sind, resultieren unter anderem auch aus dem inflationären Boom, den der Euro diesen Ländern gebracht hat, weil er ihre privaten und öffentlichen Beschränkungen des Budget ein gutes Jahrzehnt lang gelockert hatte. Die Welt, in der die Menschen leben, ist aber für Hans-Werner Sinn kein Schlaraffenland, sondern eine Welt der Knappheit, in der Güter, Kapital, Arbeitskräfte und natürliche Ressourcen von rivalisierenden Interessengruppen begehrt werden. Hans-Werner Sinn erklärt: „Das Erfolgsrezept der Marktwirtschaft beruht darauf, dass sich diese natürliche Knappheit in den Budgetbeschränkungen der Menschen selbst widerspiegelt.“ Hans-Werner Sinn ist seit 1984 Ordinarius in der volkswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München. Im Jahr 1999 wurde er Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung in München und Leiter des CESifo-Forscher-Netzwerks, weltweit eines der größten seiner Art.

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