Eigenständiges Denken führt zu Anfeindungen

Die neue Sonderausgabe des Philosophie Magazins über Platon eignet sich hervorragend dafür, in die Welt der Ideen des griechischen Meisterdenkers einzutauchen. Laut Chefredakteurin Catherine Newmark gehört Platon eindeutig nicht zu den trockenen Denkern der Philosophiegeschichte: „Was er immer wieder lebhaft darstellt, ist nicht so sehr eine bestimmte Erkenntnis als vielmehr der Prozess des Suchens und Findens von Erkenntnis.“ Für Platon ist das philosophische Gespräch weniger ein Kampf um das siegreiche Argument als vielmehr eine gemeinsame Suchbewegung. Seine Themen haben auch nach mehr als zwei Jahrtausenden nichts an Aktualität eingebüßt. Die Frage nach der ethischen Gerechtigkeit treibt ihn ebenso um wie die Gefahr des politischen Populismus. In seinem berühmten Höhlengleichnis entwirft Platon eine anspruchsvolle Ethik des Denkens. Es bedarf der Ausdauer und Anstrengung – und wer sich von gängigen Meinungen löst, muss mit Anfeindungen rechnen.

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Die Menschen sind nicht mehr etwas Besonderes

Jahrtausendelang waren die Menschen etwas ganz Besonderes. Das gesamte Universum drehte sich um sie. Im westlichen Denken war die Erde der Mittelpunkt des Universums, und auf der Erde wiederum standen die Menschen im Zentrum. Alles war einzig und allein für die Menschen geschaffen und existierte ausschließlich für sie. John Bargh fügt hinzu: „Und unser bewusster Geist war der Kern – unsere Seele, der Mittelpunkt jedes Einzelnen, unsere übernatürliche Verbindung zu Gott und zur Ewigkeit.“ In den folgenden Jahrhunderten wurden die Menschen allerdings gnadenlos entthront. Den Anfang machten Kopernikus und Galilei mit ihren Theorien. Dann konnte dank der Erfindung des Teleskops der Beweis erbracht werden, dass die Erde nicht der Mittelpunkt des Universums ist. Prof. Dr. John Bargh ist Professor für Psychologie an der Yale University, wo er das Automaticity in Cognition, Motivation, and Evaluation (ACME) Laboratory leitet.

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Die Wirklichkeit verändert sich ständig

Georg Wilhelm Friedrich Hegel denkt, dass in der Geschichte mehr vor sich geht als „das eine Ereignis, das auf das andere folgt“. Die Wirklichkeit, in welcher der Mensch lebt, ist selbst in einer permanenten Transformation begriffen. Die Veränderungen betreffen auch grundlegende Kategorien wie Wahrheit, Recht und politische Ordnung. Ger Groot ergänzt: „Nicht nur die Tatsachen verändern sich, sondern auch der Maßstab, nach dem sie beurteilt und verstanden werden. Daher verändert sich auch ihre Bedeutung.“ Was in einem Moment der Geschichte wahr ist, muss es in einem anderen Moment nicht sein. Was heute als gerecht gilt, muss fünfhundert Jahre früher nicht per se als gerecht gegolten haben. Ger Groot lehrt Kulturphilosophie und philosophische Anthropologie an der Erasmus-Universität Rotterdam und ist Professor für Philosophie und Literatur an der Radboud Universität Nijmegen.

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Die Vernunft ist nicht die Instanz der Wahrheit

Friedrich Nietzsches Zweifel an der Zuträglichkeit der Vernunft war nie stark genug, um ihn selbst auf deren Gebrauch verzichten zu lassen. In der Logik seiner Argumente und im Scharfsinn seiner Kritik tritt dies für Volker Gerhardt eindrucksvoll hervor. Gewiss, die Vernunft ist nicht die Instanz der Wahrheit, wohl aber das Organ, um Wahrheitsansprüche zu erheben und zu prüfen. Die Vernunft bedarf des Körpers, um sich zu sammeln, sich auszudrücken und sich bestimmen zu können. Die Vernunft des Leibes erscheint Friedrich Nietzsche so vollkommen, dass er von der „großen Vernunft“ des Leibes spricht. Diese grenzt er von der deutlich abgewerteten „kleinen Vernunft“ des Bewusstseins ab. Volker Gerhardt war bis zu seiner Emeritierung 2014 Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin.

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Terry Eagleton lehnt den Kulturrelativismus ab

Der Kulturrelativismus ist eine äußerst fragwürdige Position. Nur Rassisten sind der Meinung, es sei vollkommen rechtens, in Borneo zu vergewaltigen und zu morden, nicht aber in Brighton. Die Ansicht, einige Standpunkte seien besser und wahrer als andere, ist weder „elitär“ noch „hierarchisch“. Terry Eagleton betont: „Völlig zu Recht hat der Philosoph Richard Rorty einmal festgestellt, dass man sich nicht mit Menschen auf Debatten einzulassen braucht, die die Auffassung vertreten, dass jede Ansicht zu einer bestimmten Frage so gut sei wie jede andere, da es solche Ansichten überhaupt nicht gebe.“ Den Parteigängern des Kulturrelativismus widerstrebt es, ihre eigenen Werte absolut zu setzen, da sie für die Lebensweisen anderer offen sind. Der Literaturwissenschaftler und Kulturtheoretiker Terry Eagleton ist Professor für Englische Literatur an der University of Manchester und Fellow der British Academy.

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Es gibt Genies in allen Lebensbereichen

Der Psychologe Frederic Myers beschäftigte sich sein ganzes Leben lang mit Genie und Kreativität. Genie, so Frederic Myers, sei die Fähigkeit, sich das unterschwellige – unbewusste – Denken in stärkerem Maße zunutze zu machen, als es die meisten Menschen täten oder könnten. Seinen Worten zufolge beruht die geniale Eingebung wie auch die Inspiration für kreative Durchbrüche darauf, dass eine Flutwelle unterschwelliger Ideen in den von der betreffenden Person absichtlich gelenkten Ideenstrom einschießt. John Bargh fügt hinzu: „Brillante Einfälle entstehen dann, wen man die unbewussten Geisteskräfte stärker nutzt als die meisten Menschen.“ Es gibt Genies in allen Lebensbereichen, nicht nur in der Wissenschaft und der Literatur. Prof. Dr. John Bargh ist Professor für Psychologie an der Yale University, wo er das Automaticity in Cognition, Motivation, and Evaluation (ACME) Laboratory leitet.

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Körper und Geist bilden eine Einheit

Den meisten Menschen ist klar, dass Körper, Geist und Psyche zusammengehören und eine Person nur als Einheit verstanden werden kann; und dass das Gesamtsystem Mensch erst durch das Zusammenspiel von Körper und Bewusstsein funktionsfähig wird. Ulrich Schnabel fordert: „Für die Medizin müsste das bedeuten, Krankheiten nicht allein auf rein körperlicher Ebene zu behandeln, sondern stets auch die seelische Verfassung, die Erwartung und innere Einstellung der Patienten zu berücksichtigen.“ Doch diese Einsicht geht im täglichen Betrieb vieler Krankenhäuser oft unter, sei es aus Zeitmangel, ökonomischem Druck oder schlicht aus Ignoranz. Dabei gibt es mittlerweile genügend Belege für den großen Einfluss, den die menschliche Psyche auf das körperliche Befinden hat. Die Einstellung und das Verhalten eines Patienten können massiv das das biologische Geschehen ihres Körpers beeinflussen. Ulrich Schnabel ist seit über 25 Jahren Wissenschaftsredakteur bei der ZEIT.

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Kitsch ist ein Narkotikum des Geistes

Kitsch ist Lüge. Oder wie es Alexander Grau etwas geschraubter ausdrückt: „Kitsch ist Weltflucht im Jargon der Eigentlichkeit.“ Er behauptet etwas zu sein, was er nicht ist und er gibt vor einen Wert zu haben, der ihm nicht zukommt. Kitsch will betrügen und dies in doppelter Art und Weise: Zuerst einmal betrügt er den, an den er sich wendet. Mehr noch aber betrügt er denjenigen, der ihn in dem Bewusstsein erzeugt, wahrhaftig zu sein. Kitsch ist für Alexander Grau daher allenfalls als Produkt von Zynismus hinnehmbar. Das macht ihn zumindest intellektuell erträglich. Der Produzent von Nippes, der Hersteller von Tand und Plunder, weiß zumindest kühl berechnend, was er tut, wenn er gezielt Geschmacklosigkeit feilbietet. Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist.

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Der Philosoph ist ein Abenteurer des Geistes

Indem die Weisheit den Einzelnen auffordert, sich selbst und die Welt kennenzulernen, sein Wissen und seine Vernunft zu entwickeln, innerlich frei zu werden und sich gemäß seiner Natur zu entfalten, ist die Weisheit zutiefst subversiv. Frédéric Lenoir erläutert: „Denn sie stellt sich den religiösen und politischen Mächten entgegen, die gemeinsam daran arbeiten, den Zusammenhalt und die Stabilität der sozialen Gruppe bisweilen sogar mit Gewalt aufrechtzuerhalten.“ Wenn der Einzelne beginnt, sich mit seinem Seelenheil oder persönlichen Glück zu beschäftigen, wenn er seine Vernunft und Fähigkeit zur Erkenntnis entwickelt, läuft er Gefahr, den kollektiven Normen nicht mehr zuzustimmen. Ein Blick zurück in die Vergangenheit zeigt, dass die Suche nach Weisheit einst das wichtigste Ziel der Philosophie war, als sie im ersten Jahrtausend v. Chr. in Griechenland entstand. Frédéric Lenoir ist Philosoph, Religionswissenschaftler, Soziologe und Schriftsteller.

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Die Wissenschaft erhebt sich über die Macht Gottes

Die Idee einer menschlichen Maschine und damit eines machbaren Menschen nimmt in der Kultur des 18. Jahrhunderts allmählich Gestalt an. Etwa fünfzig Jahre nach Julien Offray de La Mettrie schreibt Mary Shelley darüber eines der berühmtesten Bücher des Science-Fiction-Literatur. Ihr Roman „Frankenstein“ aus dem Jahr 1818 erzählt von der Erschaffung eines Menschen mittels wissenschaftlicher Kunstgriffe, auch wenn dabei noch reichlich von vorhandenem menschlichem Material Gebrauch gemacht wird. Ger Groot ergänzt: „Die Ehrfurcht gebietende Möglichkeit, dass die Wissenschaft wirklich an den Punkt gelangen könnte, nicht nur das Rätsel des Lebens, sondern sogar das des menschlichen Lebens zu entwirren, und sich damit über die Macht Gottes zu erheben versucht, kommt im Untertitel den Shelley ihrem Buch gegeben hat, klar zum Ausdruck: >The Modern Prometheus<.“ Ger Groot lehrt Kulturphilosophie und philosophische Anthropologie an der Erasmus-Universität Rotterdam und ist Professor für Philosophie und Literatur an der Radboud Universität Nijmegen.

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Vielen Menschen fehlt es an Muße und an Bildung

Es ist paradox: Obwohl der moderne Mensch aufgrund seiner hohen Produktivität, durch unzählige raffinierte und zunehmend intelligente Technologien unterstützt, mehr Zeit frei von den Zwängen unmittelbarer Erwerbstätigkeit verbringen könnte, macht er den Eindruck eines gehetzten Tieres. Der moderne Mensch muss ständig in Bewegung sein, darf nie innehalten, kann keinen Stillstand dulden, ist hilflos dem Beschleunigungstaumel einer Entwicklung ausgesetzt, die er weder kontrolliert, noch wirklich versteht. Konrad Paul Liessmann ergänzt: „Das ständig präsente Gefühl, von Märkten, Innovationen, vom Wettbewerb und der Konkurrenz getrieben zu sein, die Angst, sofort zurückzubleiben und alles zu verlieren, gönnte man sich nur eine Pause, die fatalistische Vorstellung, dass man nicht der Gestalter der Zukunft sei, sondern nur auf die Herausforderungen reagieren könne […] – all dies sabotiert jeden Gedanken an Phasen der Ruhe und der Besinnung.“ Konrad Paul Liessmann ist Professor am Institut für Philosophie der Universität Wien und arbeitet zudem als Essayist und Publizist.

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Der Geist gleicht dem Wind

Der Geist ist für Uwe Böschemeyer das Wichtigste im Menschen. Der Geist gleicht dem Wind: „Auch den Geist sehe ich nicht, ich sehe nur, war er durch mich bewegt. Mir kommen Ideen, mir kommt die Gewissheit, die Idee durchsetzen zu können, mir kommt die Kraft, sie zu verwirklichen. Ich verwirkliche sie in der Tat.“ Der Geist ist da, ist gegenwärtig. Das kann niemand bezweifeln, obwohl ihn niemand sieht. Der Geist und der Wind – sie kommen aus Räumen, die man nicht erkennt, sie ziehen zu Räumen, die man nicht sieht. Jetzt sind sie da, spürbar, fühlbar, mächtig, sind dichteste Wirklichkeit. Doch fassen, gar erfassen, kann man sie nicht. Uwe Böschemeyer ist Rektor der Europäischen Akademie für Wertorientierte Persönlichkeit und Leiter des Instituts für Logotherapie und Existenzanalyse in Salzburg.

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Europa bestimmt seine eigene Identität

Das Zeitalter der Aufklärung ist nicht nur selbst ein sich über den gesamten europäischen Kontinent erstreckendes Phänomen, es entwickelt auch als erste Epoche ein eigenständiges Bild von Europa als zivilisatorisches Gebilde. Wenn aufklärerisches Selbstverständnis und europäisches Bewusstsein der „philosophes“ (Aufklärer) in der Folge eine enge Verbindung eingehen, dann vor allem deshalb, weil die Aufklärer sich selber als eine genuin europäische Bewegung definieren, ebenso wie umgekehrt Europa von ihnen gerade als der geschichtliche Raum verstanden wird, der seit dem 16. Jahrhundert von dem Prozess der Aufklärung erfasst worden ist. Der Diskurs über Europa im Zeitalter der Aufklärung kann als Ausdruck eines spezifisch europäischen Bedürfnisses begriffen werden, die eigene Identität in Abgrenzung zur außereuropäischen Welt zu bestimmen. Im deutschen Sprachraum des 18. Jahrhunderts ist das Bild von Europa in erster Linie politischer Natur.

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Geld macht einsam

Dass Geld einsam macht, wurde vielfach in Studien nachgewiesen. Denkt man an Geld, ist man weniger hilfsbereit ersucht andere weniger um Hilfe. Manfred Spitzer betont: „Der Gedanken an Geld aktiviert das genaue Gegenteil von Gemeinschaft, nämlich Eigennutz und Egoismus.“ Will jemand Geld ausgeben, um seiner Einsamkeit entgegenzuwirken – man spricht zuweilen auch von „Frustkäufen“ – so sollte man folgende Dinge beachten: Nur wenn man das Geld für andere ausgibt, bessert sich das eigene Befinden. Auf die Menge kommt es nicht an. Das Geld nicht für Sachen ausgeben, sondern für Erlebnisse. Denn Sachen stehen herum und brauchen Platz; man muss sie aufräumen, sich um sie kümmern, und dennoch verstauben oder verrosten sie und gehen kaputt. Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer leitet die Psychiatrische Universitätsklinik in Ulm und das Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen.

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Kultur ist die Summe intellektueller Errungenschaften

Dass das Wort „Kultur“ auf das Universum der Ideen angewandt wird, hat die Menschheit Cicero und dem alten Rom zu verdanken. Cicero beschrieb mit dem Wort das Heranziehen der Seele – „cultura animi“; dabei dachte er offensichtlich an den Ackerbau und sein Ergebnis, die Vervollkommnung und Verbesserung des Pflanzenwachstums. Was für das Land gilt, kann demnach genauso auch für den Geist gelten. Antonio Damasio schreibt: „An der heutigen Hauptbedeutung des Wortes „Kultur“ gibt es kaum Zweifel. Aus Wörterbüchern erfahren wir, dass Kultur eine Sammelbezeichnung für Ausdrucksformen intellektueller Errungenschaften ist, und wenn nichts anderes gesagt wird, meinen wir damit die die Kultur der Menschen.“ Antonio Damasio ist Professor für Neurowissenschaften, Neurologie und Psychologie an der University of Southern California und Direktor des dortigen Brain and Creative Institute.

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Eine moderne Gesellschaft prägen Konflikte und Kontroversen

Gestützt auf die Erfahrung der Vereinigten Staaten von Amerika mit ihrer langen Geschichte religiöser und ethnischer Vielfalt, entwickelt der amerikanische Wissenschaftler Lee Bollinger die These, dass die freie Meinungsäußerung „unsere Fähigkeit auf die Probe stellt, in einer Gesellschaft zu leben, die unvermeidlich von Konflikten und Kontroversen geprägt ist; sie schult uns in der Kunst der Toleranz und wappnet uns gegen die Wechselfälle [einer solchen Gesellschaft]“. Da die Menschen äußerst verschieden sind, werden sie sich nicht alle für das gleiche Leben entscheiden. Sie werden nicht alle einig sein. Timothy Garton Ash erklärt: „Wie schon Immanuel Kant wusste, würde die menschliche Gesellschaft stagnieren und wäre einfältig, wenn wir das täten.“ Der britische Zeitgeschichtler Timothy Garton Ash lehrt in Oxford und an der kalifornischen Stanford University.

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Der Geist hat kein Geschlecht

„Philosophinnen: Eine andere Geschichte des Denkens“ lautet der Titel der neuen Sonderausgabe des Philosophie Magazins. Vorgestellt werden darin weltberühmte und kaum bekannte Denkerinnen wie Hypatia von Alexandrien, Hildegard von Bingen, Émilie du Châtelet, Mary Wollstonecraft, Simone Weil, Harriet Taylor Mill, Hannah Arendt, Simone de Beauvoir, Dona Haraway, Judith Butler und viele, viele mehr. Allein an dieser kleinen Auswahl sieht man, dass die Philosophie niemals ein rein männliches Hoheitsgebiet war. Auch nicht in früheren Jahrhunderten. In jeder Epoche gibt es auch herausragende Denkerinnen. „Und zwar so viele und dermaßen interessante, dass sich unweigerlich der Verdacht einstellt, diese seien nicht einfach vergessen, sondern von der Philosophiegeschichte geradezu aktiv verdrängt worden“, spekuliert die Chefredakteurin der Sonderausgabe, Catherine Newmark. Denn seit der Antike haben Frauen über Metaphysik, Ethik, Naturphilosophie und Politik nachgedacht und geschrieben. Der Geist hat kein Geschlecht.

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Das Bewusstsein braucht Geist und Gefühl

Die Vorstellung, dass Bewusstsein im weitesten Sinn des Wortes zahlreichen Arten von Lebewesen zur Verfügung steht, hat eine gewisse Berechtigung. Antonio Damasio fügt hinzu: „Die Frage ist natürlich, um was für eine „Form“ von Bewusstsein es sich handelt und welche Mengen davon andere Arten besitzen.“ Es besteht kaum Zweifel daran, dass Bakterien und Protozoen die Bedingungen in ihrer Umwelt wahrnehmen und darauf reagieren. Das gilt auch für Pantoffeltierchen. Pflanzen reagieren auf Temperatur, Wassergehalt und Sonneneinstrahlung, indem sie langsam Wurzeln hervorbringen und ihre Blätter und Blüten drehen. Alle diese Lebewesen „spüren“ ständig die Gegenwart anderer Lebewesen oder ihrer Umwelt. Antonio Damasio ist Professor für Neurowissenschaften, Neurologie und Psychologie an der University of Southern California und Direktor des dortigen Brain and Creative Institute.

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Selbst vergessene Träume haben Einfluss auf das wache Leben

Wenn ein Mensch träumt, hat sein Gedächtnis das Sagen. Immer noch steht es in der Macht des bewussten Geistes, höchst beunruhigende Erinnerungen zurückzuweisen. Dennoch haben manchmal selbst vergessene Träume einen subtilen Einfluss auf das wache Leben. Während nahezu alle Träume vergessen werden, leuchten angenehme und insbesondere sexuelle Träume noch viele Stunden hell nach. David Gelernter ergänzt: „Erfreuliche Träume strahlen aus, ob wir uns an die Details erinnern oder nicht.“ Auch solche „entrückenden“ Träume tauchen nicht oft auf. Aber auch gewöhnliche Träume können das Alltagsleben selbst dann beeinflussen, wenn man sie nahezu vollständig vergessen hat. Zufällig tun oder sagen Menschen etwas, das mit einem fast vergessenen Traum zu tun hat – und dann spürt man eine schwache Reaktion unterhalb der Bewusstseinsebene des Gedächtnisses. David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University.

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David Gelernter begibt sich in die Welt der Tagträume

Träume sind Themenkreise, die die Vergangenheit in die Gegenwart holen. Tagträume und Phantasien – bei denen der Geist weit abschweift, bilden eine Übergangszone; anschließend nähert man sich den Gedanken des Einschlafens, den Halluzinationen und den Träumen. Tagträume können sich zu jeder Zeit einstellen. Eric Klinger, ein Spezialist für Tagträume, schreibt: „Tagträume erinnern uns immer wieder an unsere aktuellen Angelegenheiten … Bei den Angelegenheiten, auf die sie zurückkommen, handelt es sich meist um jene, die emotional für uns am wichtigsten sind.“ David Gelernter ergänzt: „Tagträume und Träume sind zuerst und vor allem Erinnerungsvorgänge.“ Das Erinnern ist – unter ansonsten gleichen Voraussetzungen – ein Vorgang, der die neuesten, frischesten Erinnerungen stark bevorzugt. Die gleiche Präferenz zeigen auch Tagträume. David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University.

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Viele Menschen leiden an einem Mangel an Sinn

Jährlich nehmen sich rund 58.000 Amerikaner das Leben. Die Zahl der Selbstmordversuche übersteigt die der gegangenen Suizide etwa um das Zehnfache. Uwe Böschemeyer fügt hinzu: „Jährlich leiden innerhalb der EU 18,4 Millionen Menschen im Alter zwischen 18 und 65 an Depressionen. Diese Zahlen erschüttern mich.“ Heutzutage ist die Angst zum lebensbestimmenden Gefühl geworden. Uwe Böschemeyer meint damit die Angst vor den Tiefen oder Untiefen der eigenen Seele, die Angst vor anderen Menschen, die Angst vor der Welt, in der man lebt. Das gilt nicht nur für Europa, das gilt weltweit. Und keineswegs nur wegen der Finanzkrisen. Viele Menschen wissen davon nicht nur aus Büchern oder den Medien. Uwe Böschemeyer ist Rektor der Europäischen Akademie für Wertorientierte Persönlichkeit und Leiter des Instituts für Logotherapie und Existenzanalyse in Salzburg.

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Das Bewusstsein vermittelt Aspekte des eigenen Seins

Unter normalen Umständen, wenn Menschen wach und aufmerksam sind und weder aufregt sind noch angestrengt nachdenken, haben die Bilder, die ihnen durch den Kopf gehen, einen Blickwinkel: ihren. Antonio Damasio ergänzt: „Wir erkennen uns spontan selbst als Subjekt unseres mentalen Erlebens. Die Inhalte in meinem Kopf gehören mir, und ich gehe automatisch davon aus, dass die Inhalte in deinem Kopf dir gehören.“ Wenn zwei Menschen gemeinsam dieselbe Szene betrachten, erkennen sie sofort, dass ihre Blickwinkel unterschiedlich sind. Das Bewusstsein erlaubt seinem Besitzer, ganz privat die Welt um sich herum zu erleben und – was ebenso wichtig ist – Aspekte des eigenen Seins zu erfahren. Antonio Damasio ist Professor für Neurowissenschaften, Neurologie und Psychologie an der University of Southern California und Direktor des dortigen Brain and Creative Institute.

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Die Idee der Liebe ist im Niedergang begriffen

Das Titelthema des Philosophie Magazins 03/2019 lautet: „Was weiß mein Körper?“ Chefredakteurin Svenja Flaßpöhler schreibt in ihrem Editorial, dass der Mensch nicht nur einen Körper hat, der sich beobachten, vermessen, perfektionieren, instrumentalisieren lässt, sondern auch Leib ist. Durch ihn nimmt er die Welt wahr – ihre Farben, ihren Geruch, die Atmosphäre im Raum, ja sogar den Raum selbst und nicht zuletzt sich selbst. Der Leib? Nur ein Anhängsel der Seele, das dem Geist gehorcht. So lehrten es über Jahrhunderte Philosophen und Theologen. Doch birgt der Körper bei näherem Hinsehen selbst ein Wissen – ja sogar eine Weisheit. Denn ganz gleich, ob einem Menschen Gefahr droht, er sich verliebt oder Erinnerungen aufruft: Bisweilen scheinen Darm, Bauch, oder Nase etwas zu erkennen, von dem der Verstand noch nichts ahnt.

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Schönheit ist sichtbare Liebe

Frank Berzbach zeigt in seinem Buch „Die Form der Schönheit“ Wege auf, ein glücklicheres Leben zu führen, den Sinn für die Schönheit zu schärfen und ein Bewusstsein für Ästhetik zu entwickeln. Nur so kann ein Mensch die Schönheit eines Individuums, von Kleidung und Essen sowie auch die der Natur wertschätzen. Gleich auf der ersten Seite schreibt Frank Berzbach, dass man das Transzendente nie loswird, wenn es um Schönheit geht. Denn sie ist weder rational noch logisch, sie ist nicht nützlich und nicht unnütz. Sie lässt sich aber assoziativ und essayistisch umkreisen, ihr wohnt etwas Persönliches inne. Frank Berzbach glaubt an die Möglichkeit, Menschen für die Schönheit zu sensibilisieren. Dr. Frank Berzbach unterrichtet Psychologie an der ecosign Akademie für Gestaltung und Kulturpädagogik an der Technischen Hochschule Köln.

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Die meisten Menschen glauben an den freien Willen

Wenn nicht das schlichte Dasein von Übeln als Begründung für das „Strafen“ ausreicht und wenn auch das Eintreten von Schäden im Zusammenhang mit Menschen ein ziemlich grobes und „ungerecht“ erscheinendes Raster ist, muss man, wie auch immer, am Zweck der Handlungen anknüpfen und diesen ihrem Urheber irgendwie „zurechnen“. Thomas Fischer beschreibt dies mit folgenden Worten: „ Man kann einer Person ihre Zwecke oder Motive nur dann zum Vorwurf machen, wenn es auch tatsächlich ihre sind oder man dies jedenfalls annimmt.“ Das ist eine Überlegung, die einen schon recht entwickelten, „modernen“ Begriff vom Strafen hat. Bis vor wenigen Hundert Jahren unterschied man in Europa noch nicht genau zwischen „Verbrechern“ und „Irren“, denn das setzt voraus, dass man die Person als selbstbestimmten Urheber von Zwecken ansieht. Thomas Fischer war bis 2017 Vorsitzender des Zweiten Senats des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe.

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