Der Geist bringt technische Innovationen hervor

Ein Grund für die Hochschätzung der geistigen Leistung kann bereits ihrem Anteil an den technischen Innovationen entnommen werden. Ein prominentes Beispiel für eine echte Erfindung ist bekanntlich das Rad. Für dieses hat es kein Vorbild in der Natur gegeben. Volker Gerhardt erklärt: „Konstruktion und Installation eines Rads verdanken wir allein dem geistigen Einfall eines homo sapiens.“ Ob die Idee aber etwas taugt, zeigt sich nur im folgenden Fall. Ein geschickter homo faber muss in der Lage ist, ein sich drehendes und belastbares Rad zu bauen, das der praktischen Belastung standhält. Für Volker Gerhardt haben homo sapiens und homo faber vieles gemeinsam. Aus den modernen Unterscheidungen zwischen den beiden Typen geht das nicht hervor. Volker Gerhardt war bis zu seiner Emeritierung 2014 Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin.

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Das Sinnliche dominiert die Welt

Die Menschen leben unter dem ständigen Einfluss des Sinnlichen. Dazu zählt Emanuele Coccia Gerüche, Farben, den Geschmack der Speisen, Melodien und ganz banale Geräusche. Sie sind die allererste Ursache, der Zweck und die permanente Gelegenheit des menschlichen Handelns. Emanuel Coccia erklärt: „Unsere Existenz – im Schlaf und im Wachsein – ist ein endloses Bad im Sinnlichen.“ Es sind Bilder, welche die Menschen ständig ernähren und welche die Erfahrungen am Tag und im Traum unentwegt nähren. Sie bestimmen die Wirklichkeit und den Sinn jeder menschlichen Regungen und Bewegungen. Sie sind es, die den Gedanken eines Menschen Wirklichkeit und seinen Begierden Gestalt verleihen. Die Grenzen des kreatürlichen Lebens lassen sich unmöglich an den Grenzen des anatomischen Körpers messen. Emanuele Coccia ist Professor für Philosophiegeschichte an der École des Hautes Études en Sciences Sociales in Paris.

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Manche Philosophen halten den Geist für ein Gespenst

Eine mächtige Strömung der Philosophie des Geistes speist sich aus einer peinlichen, aber tiefsitzenden Äquivokation. Dabei verwechselt man den Geist mit einem Gespenst, das heißt mit einem Phantom. Markus Gabriel erläutert: „Der Geist wird für diese Strömung dadurch zum Phantom, dass er durch diejenige begriffliche Voreinstellung durch das Raster der Wirklichkeit fällt.“ Das ist objektiv und damit insbesondere unabhängig von der subjektiv gefärbten Auffassung eines bewussten, geistigen Lebewesens der Fall. Als geistiges Lebewesen kann man sich über allerlei im Irrtum befinden. Daher liegt es nahe, das Subjekt lieber gleich aus der Wirklichkeit zu entfernen. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Friedrich Nietzsche predigt eine andere Vernunft

Friedrich Nietzsches Zarathustra sagt zu den Ursprüngen der christlichen Metaphysik folgendes: „Kranke und Absterbende waren es, die verachteten Leib und Erde und erfanden das Himmlische und die erlösenden Blutstropfen.“ Diese Stelle nimmt Bezug auf das Neue Testament. Zarathustra fährt fort: „Allzu gut kenne ich diese Gottähnlichen: sie wollen, dass an sie geglaubt werde, und Zweifel Sünde sei.“ Christian Niemeyer stellt die provokanteste These Friedrich Nietzsches vor: „Die wahre Welt haben wir abgeschafft: welche Welt bleibt übrig? Die scheinbare vielleicht? … Aber nein! Mit der wahren Welt haben wir auch die scheinbare abgeschafft!“ Zu dieser Aussage aber will ja nicht recht passen, dass Friedrich Nietzsche noch 1882, in gleichsam „optimistischer“ Manier, zur Entdeckung „anderer“ Welten aufgerufen hatte. Der Erziehungswissenschaftler und Psychologe Prof. Dr. phil. habil. Christian Niemeyer lehrte bis 2017 Sozialpädagogik an der TU Dresden.

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Antonio Damasio erforscht das Bewusstsein

In seinem neuen Buch „Wie wir denken, wie wir fühlen“ beantwortet Antonio Damasio unter anderem folgende Fragen: Was ist Bewusstsein? Welche Rolle übernimmt das Gehirn beim Denken und beim Fühlen und welche der Körper? Philosophen stellen diese Fragen schon seit Jahrhunderten. Seit Neuerem bemühen sich auch die Naturwissenschaften um Antworten. Antonio Damasio verbindet Erkenntnisse aus Philosophie und Hirnforschung, aus Evolutions- und Neurobiologie, aus Psychologie und KI-Forschung zu einer Theorie des Bewusstseins. Dabei schlägt er einen Bogen vom Beginn des Lebens auf der Erde bis zu Gegenwart. Er zeigt dabei, was einen Menschen im Innersten ausmacht – Verstand, aber auch: Emotion. Antonio Damasio ist Dornsife Professor für Neurologie, Psychologie und Philosophie und Direktor des Brain and Creativity Institute an der University of Southern California.

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Für Frédéric Lenoir ist die Weisheit eine Lebenskunst

Die Suche nach Weisheit betrifft ebenso stark den menschlichen Geist wie das Herz, die Gefühle und den Körper. Deshalb bezeichnet Frédéric Lenoir die Weisheit vor allem als Lebenskunst. Weisheit ist für ihn das völlige Gegenteil eines asketischen Lebens, das den Körper und die Gefühle verachtet. Sie ist eine Kunst, auf gesunde Weise das Leben zu genießen mit allen Dimensionen des Seins. Frédéric Lenoir ergänzt: „Diesen Weg zu beschreiten, dauert ein ganzes Leben, doch ist er für mich das Schönste überhaupt.“ Wer versucht, ein gutes und glückliches Leben zu führen, beginnt am besten damit, sich dafür zu interessieren, wie er atmet und was er isst. Biologische und regionale Lebensmittel, weniger oder gar kein Fleisch zu essen bedeutet, für sich selbst, für andere und die Welt Sorge zu tragen. Frédéric Lenoir ist Philosoph, Religionswissenschaftler, Soziologe und Schriftsteller.

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Das Denken ist noch immer ein Rätsel

Wie jedermann weiß, hängen die Vorgänge im Bewusstsein eines Menschen davon ab, was mit seinem Körper geschieht. Thomas Nagel nennt Beispiele: „Stößt man sich an der Zehe, so tut das weh. Schließt man die Augen, so kann man nicht sehen, was sich vor einem befindet. Haut einem jemand eins über den Kopf, so wird man ohnmächtig.“ Solche Belege zeigen, dass jeder Vorgang im Geist oder im Bewusstsein von einem entsprechenden Vorgang abhängen muss. Die Forschung weiß zwar noch immer nicht, was im Gehirn vor sich geht, wenn ein Mensch denkt. Sie ist sich jedoch ziemlich sicher, dass dort etwas geschieht. Der amerikanische Philosoph Thomas Nagel lehrt derzeit unter anderem an der University of California, Berkeley und an der Princeton University.

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Lernen stärkt den Geist

Die Diskussion über den Wert von Wissen ist – wie viele andere Debatten – erstmals im antiken Griechenland dokumentiert. Der Philosoph Heraklit (c. 535 – ca. 475 v. Chr.) behauptete in Zusammenhang mit einer bestimmten Spezies vielseitiger Individuen: „Vielwisserei lehrt nicht, Vernunft zu haben.“ Andererseits versicherte der Philosoph Empedokles (ca. 495 – 435 v. Chr.): „Lernen stärkt dir den Geist.“ Peter Burke fügt hinzu: „Und es ist fraglos nicht ohne Bedeutung, dass manche Griechen die Göttin Polymatheia verehrten.“ In diversen Formen wurde diese Debatte im Laufe der Jahrhunderte immer wieder neu belebt, wobei der Inhalt stets derselbe blieb, Gewichtungen und Umstände sich jeweils unterschieden. Peter Burke lehrte 16 Jahre an der School of European Studies der University of Sussex. Im Jahr 1978 wechselte er als Professor für Kulturgeschichte nach Cambridge ans Emmanuel College.

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Tim Parks reist ins Zentrum des Denkens

Tim Parks reist in seinem neuen Buch „Bin ich mein Gehirn?“ in das menschliche Zentrum des Denkens. Dabei konfrontiert er philosophische und neurowissenschaftliche Theorien mit seinen eigenen Erfahrungen. Die meisten Philosophen gehen davon aus, dass die Erfahrung eines Menschen in seinem Gehirn eingeschlossen ist und die äußere Realität unzuverlässig repräsentiert. Farbe, Geruch, Klang, heißt es, ereignen sich nur im eigenen Kopf. Wenn Neurowissenschaftler das Gehirn untersuchen, finden sie nur Milliarden von Neuronen. Diese tausche elektrische Impulse aus und setzen chemischen Substanzen frei. Die Idee zu seinem Buch entwickelte Tim Parks nach einem zufälligen Gespräch mit Riccardo Manzottis radial neuen Theorie des Bewusstseins. Er erzählt dabei die erstaunliche Geschichte eines Paradigmenwechsels. Tim Parks ist ein britischer Schriftsteller und Übersetzer, der seit 1981 in Italien lebt.

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Schon Einzeller haben ein Gedächtnis

Nahezu alles, was in Form neu erzeugter mentalen Bilder einem Menschen zur Verfügung steht, ist auch der inneren Aufzeichnung zugänglich. Ob es einem gefällt oder nicht. Antonio Damasio ergänzt: „Wir originalgetreu die Aufzeichnung ist, hängt zunächst einmal davon ab, wie viele Emotionen und Gefühle erzeugt wurden, während die Bilder durch den Strom unser Gedanken wanderten. Viele Bilder bleiben bestehen. Und beträchtliche Teile der Aufzeichnungen können wir später mehr oder weniger genau erneut abspielen, abrufen und rekonstruieren.“ Manchmal tritt die Erinnerung an solche alten Inhalte sogar in Konkurrenz zu neuen Informationen, die gerade erzeugt werden. Das Gedächtnis ist schon bei einzelligen Lebewesen vorhanden. Es erwächst dort aus chemischen Veränderungen. Antonio Damasio ist Professor für Neurowissenschaften, Neurologie und Psychologie an der University of Southern California und Direktor des dortigen Brain and Creative Institute.

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Die Subjektivität besteht aus Perspektive und Gefühl

Reicht der komplexe Prozess der Subjektivität mit seinen Bestandteilen von Perspektive und Gefühl aus, um das Bewusstsein in seiner Ganzheit zu erklären? Die Antwort von Antonio Damasio lautet ganz klar: „Nein.“ Denn Bewusstsein im eigentlichen Sinn des Begriffs ist ein bestimmter Geisteszustand. Bei diesem sind mentale Bilder von Subjektivität durchtränkt und in einer mehr oder weniger umfangreichen, integrierten Darstellung erlebbar. Der Geist in all seiner Komplexität erwächst aus der kombinierten Tätigkeit des Nervensystems und seines zugehörigen Körpers. Das Bewusstsein erwächst aus interaktiven Verkettungen. Dieses hängt mit dem Leben zusammen und steht auch mit dem Universum der Chemie und Physik in Verbindung. Antonio Damasio ist Professor für Neurowissenschaften, Neurologie und Psychologie an der University of Southern California und Direktor des dortigen Brain and Creative Institute.

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Die Ästhetik konkurriert mit der Philosophie

Was heißt es, ein Mensch zu sein? Und insbesondere was heißt es in der heutigen Zeit ein Mensch zu sein? Das sind Fragestellungen, die typisch für Philosophen sind. Aber die Philosophie hat in ihrem Versuch, die großen Fragen nach dem Menschen und seinem in der Welt sein zu beantworten, durchaus auch Konkurrenz. Lambert Wiesing stellt fest: „Der zweifellos bekannteste Mitbewerber ist die Religion.“ Man sollte seiner Meinung allerdings folgendes nicht übersehen. Nämlich dass es noch einen weiteren wichtigen Mitbewerber für die Zuständigkeit für die großen Fragen gibt. Denn es ist keineswegs so, dass sich nur die Philosophie und die Religion mit der Frage nach der „conditio humana“ befassen. Prof. Dr. Lambert Wiesing lehrt an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena Bildtheorie und Phänomenologie. Außerdem ist er geschäftsführender Direktor des Instituts für Philosophie.

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Der Geist besitzt eine zweiteilige Realität

Der Geist ist ein Zimmer mit Aussicht: Aus dem Zimmer beobachten die Menschen sowohl die Außenwelt als auch die private Innenwelt. David Gelernter erläutert: „Mental sind wir in unserem Zimmer eingeschlossen, genau wie wir physisch in unserem Körper eingeschlossen sind.“ Die Aussicht ist großartig. Und das ist auch sehr gut so, denn die Menschen können das Zimmer niemals verlassen. In der Philosophie drehen sich viele große, tiefgreifende Fragen um die zweiteilige Realität des Geistes. Immanuel Kant stützt seine beiden grundlegenden, ewig wahren Anschauungen auf den Gegensatz von „innerer“ und „äußerer“ Realität. Die Idee des Raumes unterliegt der Anschauung der Außenwelt. Aber noch vor dem Raum kommt die Zeit, und sie ist eine Anschauung der inneren Welt. David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University.

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Die Liebe ist für Max Scheler ein Urakt

Max Scheler vertritt eine Aktphänomenologie, für die das Fühlen als intentionaler Akt eine zentrale Rolle einnimmt. So etwa beim Erfühlen von Werten in seiner bekannten Schrift „Der Formalismus in der Ethik und die materielle Wertethik“. Mit welcher er sich nicht nur gegen die kantische Pflichtethik wendete. Sondern mit der er auch die Grundlegung einer bis heute einflussreichen Position der Wertethik vorlegte. Es verwundert daher nicht, dass in einer Theorie, die das Fühlen derart aufwertet, auch der Liebe eine wichtige Rolle zugeschrieben wird. Max Scheler postuliert einen Primat des Emotionalen im geistigen Geschehen. Dabei versteht er die Liebe als den „Urakt“ menschlicher Geistestätigkeit. Er geht hier von einem christlichen Liebesgedanken aus, wobei er stark an augustinische Gedanken anknüpft. Max Scheler (1874–1928) war ein deutscher Philosoph, Psychologe, Soziologe und Anthropologe.

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Das Klima formt Köper und Geist

Abgeleitet von κλίνω – das griechische Wort für neigen – meint Klima zunächst einmal nicht mehr und nicht weniger als den Einfallswinkel der Sonne an einem gegebenen Ort. Klima ist also ursprünglich, bei Eratosthenes, Hipparchos und Aristoteles, eine geographische Kategorie, ein Breitengrad. Eva Horn fügt hinzu: „Es bezeichnet Zonen oder, mit einem Ausdruck des 18. … Weiterlesen

Experten müssen frei argumentieren können

Wenn sie über die Einführung neuer Normen, Gesetze oder Reformen diskutieren, wenden sich Entscheidungsträger und Journalisten oft an Experten. Meistens handelt es sich dabei um Intellektuelle, die sich in einem bestimmten Gebiet profiliert haben oder im Ruf stehen, über ein Thema kritisch nachzudenken. Experten und Intellektuelle haben einen Einfluss auf die Denkprozesse, die zu einer Entscheidung führen. Allan Guggenbühl erklärt: „Die Hoffnung ist, dass sie sich nicht durch kollektive Debatten und Standardparadigmen vereinnahmen lassen, sondern sich im öffentlichen Diskurs durch geistige Unabhängigkeit und kritischen Geist auszeichnen.“ Bei Experten sollte es sich um Menschen handeln, die sich zur Aufgabe gemacht haben, nachzudenken und frei von Abhängigkeiten zu argumentieren. Allan Guggenbühl ist seit 2002 Professor an der Pädagogischen Hochschule Zürich tätig. Außerdem fungiert er als Direktor des Instituts für Konfliktmanagement in Zürich.

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Humor ist ein Gegengift gegen Fanatismus

Die Hälfte der von der Menschheit erzählten Witze stützt sich auf nationale, ethische, religiöse, soziale oder sexuelle Beleidigungen. Timothy Garton Ash weiß: „Seit mindestens 2500 Jahren genießen Komödie und Satire eine besondere Freiheit, die Grenzen von Zivilität, Anstand und Schicklichkeit zu überschreiten. Und schon genauso lange versuchen die Mächtigen den satirischen Geist zu unterdrücken.“ Humor wirkt entspannend wie ein Sicherheitsventil. Er bietet die Möglichkeit, über Dinge zu sprechen, über die man sonst schweigt. Und er ist ein unschätzbar wertvolles Gegengift gegen jeden Fanatismus. Der israelische Schriftsteller Amos Oz stellte einmal fest: „Ich habe niemals in meinem Leben einen Fanatiker mit Humor gesehen.“ Timothy Garton Ash ist Professor für Europäische Studien an der Universität Oxford und Senior Fellow an der Hoover Institution der Stanford University.

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François Jullien sucht das Universelle

Das Konzept des Universellen, das die Entwicklung der europäischen Kultur getragen hat, gerät heute von zwei Seiten unter Druck. François Jullien kennt sie: „Zunächst stößt es in der Begegnung mit anderen Kulturen auf einen Selbstwiderspruch. D zeigt sich, dass es seinerseits das Produkt einer einzigartigen Geschichte des Denkens ist. Darüber hinaus erweist ein Blick auf ihre gesamte Dauer, dass die einzigartige europäische Geschichte, aus der es hervorgegangen ist, gar nicht so notwenig war, wie implizit behauptet.“ Sobald man nämlich die philosophische Perspektive im engeren Sinn verlässt und die Herausbildung des Begriffs im Rahmen der – allgemeineren – kulturellen Entwicklung dessen betrachtet, was später zu Europa werden sollte, sieht man, dass der Aufstieg des Universellen sich einer bunten, um nicht zu sagen chaotischen Geschichte verdankt. François Jullien, geboren 1951 in Embrun, ist ein französischer Philosoph und Sinologe.

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Die Affekte und die Vernunft bilden Kulturen

Über die Tatsache hinaus, dass sie von Menschen erdacht wurden, wurden der Hammurabi-Codex, die Zehn Gebote, die Verfassung der Vereinigen Staaten und die Charta der Vereinten Nationen von den jeweiligen besonderen Umständen ihrer Zeit und ihres Ortes geprägt. Aber auch von den Personen, die solche Codices entwickelten. Antonio Damasio erläutert: „Eine universelle, umfassende Formel gibt es nicht. Sondern hinter solchen Entwicklungen stehen mehrere Formeln. Teile jeder denkbaren Formel sind allerdings tatsächlich universell.“ Biologische Phänomene können Ereignisse, die zu kulturellen Phänomen werden, in Gang setzen und prägen. Und dass muss am Anbeginn der Kulturen unter ganz bestimmten Umständen, die durch die Individuen und Gruppen sowie ihren Ort, ihre Vergangenheit und so weiter definiert wurden, geschehen sein. Also durch das Wechselspiel von Affekt und Vernunft. Antonio Damasio ist Professor für Neurowissenschaften, Neurologie und Psychologie an der University of Southern California und Direktor des dortigen Brain and Creative Institute.

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Durch Homöostase entwickeln sich die Gene

Der Mensch hat sich schon immer mit Schmerzen, Leiden und dem sicheren Tod auseinandergesetzt. Er tat dies als Gegensatz zu der unerreichten Möglichkeit von Wohlergehen und Gedeihen. Diese Gedanken dürften bei den Menschen hinter manchen kreativen Prozessen gesteckt haben, aus denen die heutigen, verblüffend komplexen Instrumente der Kultur hervorgegangen sind. Wenn man Menschenaffen beobachtet, spürt man, dass es Vorläufer des kulturellen Menschseins gibt. Antonio Damasio erläutert: „Schimpansen können einfache Werkzeuge herstellen. Sie nutzen sie auf intelligente Weise für die eigene Ernährung und geben die Erfindungen sogar auf visuellem Weg an andere weiter.“ Bevor in der Evolution die ersten kulturellen Ausdrucksformen entstehen konnten, musste man auf die evolutionäre Entwicklung von Geist und Gefühlen warten. Einschließlich des Bewusstseins, mit dem das Gefühl subjektiv erlebt werden konnte. Antonio Damasio ist Professor für Neurowissenschaften, Neurologie und Psychologie an der University of Southern California und Direktor des dortigen Brain and Creative Institute.

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Antonio Damasio offenbart die Geselligkeit der Triebe

Der Apparat der Triebe, Motivationen und Emotionen beschäftigt sich mit dem Wohlergehen des menschlichen Organismus, in dem die Reaktionen ablaufen. Die meisten von ihnen sind von ihrem Wesen her in größerem oder kleinerem Maßstab sozial. Ihr Einflussbereich erstreckt sich weit über das Individuum hinaus. Antonio Damasio erklärt: „Begehren und Lust, Fürsorge und Ernährung, Zuneigung und Liebe wirken im sozialen Zusammenhang. Das gleiche gilt für die meisten Fälle von Freude und Traurigkeit, Furcht und Panik oder Wut. Aber auch für Mitgefühl, Bewunderung und Staunen, für Neid, Eifersucht und Verachtung.“ Die kraftvolle soziale Ausrichtung war für den Intellekt des Homo sapiens eine unentbehrliche Stütze. Antonio Damasio ist Professor für Neurowissenschaften, Neurologie und Psychologie an der University of Southern California und Direktor des dortigen Brain and Creative Institute.

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Stephen Hawking zählt zu den größten Denkern aller Zeiten

Leonard Mlodinow bringt in seinem neuen Buch „Stephen Hawking“ seinen Lesern den weltberühmten Physiker auf eine Art und Weise näher, wie ihn nur die wenigsten Menschen kannten. Er war einsam, obwohl er nie allein sein durfte. Stephen Hawking war ein Sturkopf, der Freude daran hatte, seine Fehler öffentlich einzugestehen. Er glaubte nicht an Gott, ging aber in die Kirche und konnte dort Tränen vergießen. Stephen Hawking war zudem ein verletzlicher Mann, der keine Angst kannte, aber sich am lebendigsten fühlte, wenn er dem Tod ganz nahe kam. Zugleich erklärt Leonard Mlodinow eingängig Stephen Hawkings große Entdeckungen und macht deutlich, unter welchen Kämpfen sie zustande kamen. Der Autor entwirft ein faszinierendes Porträt eines der größten Denker aller Zeiten und eines Menschen voller Widersprüche. Leonard Mlodinow, Physiker und Autor, lehrte am California Institut of Technology in Pasadena.

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Es gibt eine Parallelwelt der Affekte

Der Bestandteil des menschlichen Geistes, der wie es scheint, das Dasein eines Menschen beherrscht, betrifft die tatsächliche oder aus dem Gedächtnis abgerufene Welt. Sie setzt sich zusammen aus ihren menschlichen oder nichtmenschlichen Gegenständen und Ereignissen. Diese sind in den unzähligen Bildern aller Sinneskanäle repräsentiert. Häufig übersetzt man sie in verbale Sprache und strukturiert sie in Narrativen. Antonio Damasio fügt hinzu: „Und doch gibt es bemerkenswerterweise auch eine mentale Parallelwelt, die alle diese Bilder begleitet und häufig so unterschwellig ist, dass sie für sich keinerlei Aufmerksamkeit fordert. Gelegentlich wird sie aber auch so bedeutsam, dass sie den Weg des hervorstechendsten Teils unseres Geistes verändert und manchmal fesselt. Dies ist die Parallelwelt der Affekte.“ Antonio Damasio ist Professor für Neurowissenschaften, Neurologie und Psychologie an der University of Southern California und Direktor des dortigen Brain and Creative Institute.

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Das Kind übernimmt Modelle in sein Selbst

Das Gehirn des Menschen wird in weiten Teile sozial konstruiert. Einem angeborenen Bedürfnis ihres Zentralorgans folgend, suchen Säuglinge und Kleinkinder bei ihren Bezugspersonen nach den Eindrücken, die sie in sich aufnehmen. Diese legen sie als Kopie in sich ab und machen sie zu einem Teil ihres Selbst. Der unausgesprochene Auftrag des Kindes an seine Bezugspersonen ist: Lass mich – durch die Resonanz, die ich von dir erhalte – spüren, dass ich existiere. Zeige mir durch die Art, wie du auf mich reagierst, wer ich bin. Joachim Bauer erläutert: „Das Kind übernimmt nicht nur gute, sondern auch schlechte Modelle. Diese begegnen ihm am Beispiel seiner Bezugspersonen, Mentoren oder sonstiger Vorbilder. Es integriert sie in sein Selbst.“ Prof. Dr. Med. Joachim Bauer ist Neurowissenschaftler, Psychotherapeut und Arzt.

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Das Leiden gehört zum Leben dazu

Wenn das Leben einen Sinn hat, dann muss auch das Leiden einen Sinn haben. Zum Leiden gehört nun die Krankheit dazu. Denn Leiden und Krankheit sind für Viktor Frankl nicht dasselbe. Der Mensch kann leiden, ohne krank zu sein. Und er kann krank sein, ohne zu leiden. Das Leiden ist eine schlechthin menschliche Angelegenheit. Es gehört zum menschlichen Leben irgendwie schon dazu, dass unter Umständen gerade das Nichtleiden eine Krankheit sein kann. Viktor Frankl erklärt: „Das sehen wir namentlich im Falle jener Krankheiten, die man gemeiniglich als Geisteskrankheiten bezeichnet und die trotzdem nichts weniger sind als Krankheiten des Geistes.“ Viktor E. Frankl war Professor für Neurologie und Psychiatrie an der Universität Wien und 25 Jahre lang Vorstand der Wiener Neurologischen Poliklinik. Er begründete die Logotherapie, die auch Existenzanalyse genannt wird.

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