Der Roman ist das Medium gegen die Zerstreuung des Sinns

Auf die Frage, was das Besondere an der europäischen Gegenwartsliteratur sei, antwortet die mit vielen Preisen ausgezeichnete Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff, dass sie nicht besonders erpicht auf europäische Literatur sein, da sie neue Bücher aus allen Weltgegenden lese. Doch wenn, dann liest sie talentierte Autoren aus Osteuropa. Zu ihren Lieblingen zählen dort der Rumäne Mircea Cărtărescu, der Ungar Lászlá Davarsi sowie der Ukrainer Juri Andruchowytsch. Es sind Schriftsteller, die aus dem Leidensdruck ihrer Lage wirklich etwas machen. Sibylle Lewitscharoff sagt: „Literarisch bedeutet das einen Donnerschlag wie seinerzeit in den siebziger Jahren, als plötzlich die Lateinamerikaner zu lesen waren.“ Ihrer Meinung nach entsteht in jüngster Zeit in Osteuropa eine literarische Bösartigkeit, die sich von dem L`art pour l`art und von den pornographischen Versuchen im Westen Europas deutliche unterscheiden.

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Max Frisch hält die Höflichkeit für eine Gabe der Weisen

Wenn ein Mensch zuweilen die Geduld verliert, seine Meinung unverfroren äußert und dabei bemerkt, dass der andere zusammensackt, beruft er sich mit Vorliebe darauf, dass er halt ehrlich ist. Und in der Folgezeit muss der Angesprochene überlegen, wie er mit den Ohrfeigen umgeht, die ihm die Tugend versetzt hat. Der Mensch, der hier die Wahrheit unverblümt ausgesprochen hat, hat das Problem, dass er dem anderen mit seiner Ansicht nicht helfen will. Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch erklärt: „Der Wahrhaftige, der nicht höflich sein kann oder will, darf sich jedenfalls nicht wundern, wenn die menschliche Gesellschaft ihn ausschließt.“ Seiner Meinung nach darf sich so eine Person nicht brüsten und eine Gloriole tragen, die ihr nicht zukommt, denn sie übt eine Wahrhaftigkeit, die stets auf Kosten der anderen geht.

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Hans Blumenberg denkt über drei Wassermetaphern nach

Um mit den Ungewissheiten der Realität leben zu können, erschaffen sich die Menschen Bilder und Mythen, die ihnen Orientierung bieten, auch wenn sich ihr Wahrheitsgehalt kaum beweisen lässt. Der Philosoph Hans Blumenberg beschäftigte sich sein ganzes Leben lang mit bestimmten Metaphern, die als wegweisende Ideen dem Denken einen Halt geben, ohne es völlig einzuschränken. Metaphern bilden laut Hans Blumenberg den Unterbau der Ideengeschichte. Seit 1978 wollte er ein Buch über die drei Wassermetaphern Quellen, Ströme und Eisberge veröffentlichen. Der nahezu druckfertig ausgearbeitete Text, der sich in seinem Nachlass fand, ist jetzt zum ersten Mal im Suhrkamp Verlag unter dem Titel „Quellen, Ströme, Eisberge“ herausgegeben worden. Beim Lesen des Buches wird man feststellen, dass Wasser, auch als Metapher buchstäblich lebensnotwendig ist.

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Das Streben nach Wahrheit führt zum Leben in der Unendlichkeit

Wahrheit und Glück erscheinen Rudolf Eucken unter menschlichen Verhältnissen oft als unversöhnliche Gegner. In der Sehnsucht nach Wahrheit empfindet der Mensch sein unmittelbares Dasein als zu klein und zu eng. Er möchte solcher Einengung entfliehen und ein Leben mit der ganzen Weite der Unendlichkeit führen. Hier scheint für ihn die größte aller Befreiungen zu wirken. Rudolf Eucken ergänzt: „Die Befreiung von allen Niederungen der Selbstsucht und von der Zufälligkeit einer besonderen Art; ein reineres, edleres, unendliches Leben steigt damit auf, ein Leben, das selbst ein so maßvoller Denker wie Aristoteles für mehr göttlich als menschlich erklären konnte.“ Von so hohem Streben ergriffen, scheint der Mensch laut Rudolf Eucken sein eigenes Befinden gänzlich zurückzustellen, ja es willig aufopfern zu müssen, wenn es der Dienst der Wahrheit verlangt.

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Der entfesselte Skandal führt zu elementarem Kontrollverlust

In einer Welt des Internets und der Massenmedien scheint der Skandal hinter jeder Ecke zu lauern. Jeder kann ihn verursachen, jeder kann sein Opfer sein. Videos auf dem Handy können eine Karriere vernichten, Botschaften über Twitter Empörung auslösen, SMS-Nachrichten als Beweismittel verwendet werden. Bernhard Pörksen und Hanne Detel schreiben in ihrem neuen Buch „Der entfesselte Skandal“: „Dokumente der Blamage und der Demontage besitzen heute eine neue Leichtigkeit und Beweglichkeit. Sie können rasch kopiert, blitzschnell verbreitet, kaum noch zensiert werden – und sorgen im Extremfall weltweit für Empörung.“ Der Ruf eines Menschen, eines Untenehmen, ja sogar eines Staates lässt sich in Rekordzeit ruinieren. Der Skandal hat für die Autoren im digitalen Zeitalter eine neue Evolutionsstufe und neue Ebene der Eskalation erklommen. Er kann ein Spektakel der Grausamkeit sein, aber ebenso gut der Aufklärung dienen. Bernhard Pörksen ist Professor für Medienwissenschaft an der Universität Tübingen. Hanne Detel arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Medienwissenschaft der Universität Tübingen.

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Die Demokratie ist eine Lebensform der individuellen Autonomie

Paul Nolte, Professor für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte an der Freien Universität Berlin hat ein ausgezeichnetes Kompendium mit dem Titel „Was ist Demokratie?“ über die politischen Theorien der Antike, des 18. und des 19. Jahrhunderts sowie der Geschichte der Demokratie und ihren aktuellen Herausforderungen in der Gegenwart geschrieben. Der Autor zeigt in seiner Darstellung, dass die Entwicklung der Demokratie nie nur von Wachstum, Fortschritt und Erfüllung handelte, sondern auch immer eine krisenhafte Suche nach der Auflösung von Konflikten und Widersprüchen war. Das Jahr 2011 wird laut Paul Nolte als ein Jahr der Demokratie in die Geschichte eingehen. Er schreibt: „Die Suche nach Freiheit und politischer Selbstbestimmung hat Menschen überall auf der Welt aufgerührt und auf die Straßen getrieben. Diktatoren wie Gaddafi sind gestürzt, autoritäre Regierungen vertrieben worden.“

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Andreas Wirsching nennt Gründe für die Globalisierung

Das nachhaltigste Schlagwort der beiden Jahrzehnte nach dem Umbruch von 1989 lautete ohne Zweifel „Globalisierung“. Das damit bezeichnete Phänomen hat laut Andreas Wirsching, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München, eine Unmasse von Beschreibungen und Analysen hervorgebracht. Und kaum ein anderes zeitgenössisches Thema ist seiner Meinung nach ähnlich unterschiedlich, ja konträr bewertet worden. Andreas Wirsching schreibt: „Geradezu messianischem Lobpreis stand und steht nicht selten ein Verdammungsurteil entgegen, das praktisch alle sozialen und politischen Probleme des neuen Europa durch die Globalisierung bedingt sieht.“ Andreas Wirsching zitiert auch Pierre Bourdieu, der die Globalisierung als bloßes Schlagwort betrachtet, das sachlich nur wenig aussagt, sich dafür aber umso besser als pseudo-argumentatives Druckmittel eignet, um neoliberal definierte Interessen im Diskurs durchzusetzen.

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Richard Wilhelm erklärt die Philosophie des Laotse

Laotse ist der Name, unter dem der Philosoph Lao Dan aus der Familie Li in die europäische Literatur eingegangen ist. Er stammt ganz aus dem Süden des damaligen Chinas und dürfte um 550 vor Christus geboren sein. Er arbeitet in Lo Yang als königlicher Bibliothekar. Das berühmteste Buch von Laotse ist das so genannte Taoteking, ein klassisches Buch vom Sinn und Leben, in der Form von Aphorismen niedergeschrieben. Richard Wilhelm erklärt: „Es enthält Zitate und Zusätze und ist in seiner heutigen Form sicher nicht von Laotse persönlich aufgezeichnet. Aber die philosophische Weltanschauung, die es enthält, ist vollkommen geschlossen und einheitlich.“

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Das Internet darf keine eigenen Gesetze haben

Der Journalist und Schriftsteller Dirk Kurbjuweit, Leiter des Spiegel-Hauptstadtbüros in Berlin, stellt in einem Essay in der Wochenzeitschrift „Der Spiegel“ die Frage, was die Internetgemeinde am Thema Freiheit interessiert. Dirk Kurbjuweit gibt folgende Antwort: „Der harte Kern will Freiheit von Kontrolle, Verbot und Zensur, er will Freiheit zur Anonymität und bildet damit die Möglichkeit zum „Shitstorm“, zum digitalen Mob, der andere ungestraft mit Schmähungen übelster Art überziehen kann, und er will die Freiheit vom Urheberrecht. Das alles möglichst total: totale Freiheit im Netz.“ Laut Dirk Kurbjuweit begünstigt die totale Freiheit im Internet Orgien der Gewalt und die Ausbreitung einer Sexualität, der jegliche Scham verloren gegangen ist.

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Sehr viele Krippenkinder leiden unter Dauerstress

Dr. Rainer Böhm findet den wissenschaftlichen Befund sehr beunruhigend, dass Krippenbetreuung von Kindern sich negativ auf die sozioemotionale Kompetenz des Nachwuchses auswirkt. Der Kinder- und Jugendarzt erklärt: „Je mehr Zeit kumulativ Kinder in einer Einrichtung verbrachten, desto stärker zeigten sie später dissoziales Verhalten wie Streiten, Kämpfen, Sachbeschädigungen, Prahlen, Lügen, Schikanieren, Gemeinheiten begehen, Grausamkeit, Ungehorsamkeit oder häufiges Schreien.“ Unter den ganztags betreuten Kindern wurde sogar bei einem Viertel von ihnen im Alter von vier Jahren ein Problemverhalten festgestellt, das laut Dr. Rainer Böhm dem klinischen Risikobereich zugeordnet werden muss. Dr. Rainer Böhm ist Kinder- und Jugendarzt mit Schwerpunkt Neuropädiatrie und Leitender Arzt des Sozialpädiatrischen Zentrums Bielefeld-Bethel.

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Martin Walser ringt in seinen Romanen um die Wahrheit

Vor zehn Jahren hat der berühmte Schriftsteller Martin Walser in sein Tagebuch folgende Worte geschrieben: „Die Kriege sind vorbei, die Kämpfe haben erst begonnen.“ In jenem Frühjahr erschien sein Buch „Tod eines Kritikers“. Martin Walser ist am 24. März dieses Jahres 85. Jahre alt geworden und sprüht immer noch voller Tatendrang. Seit seinem 75. Geburtstag sind nicht weniger als vier Romane von ihm veröffentlicht worden. Sie heißen „Der Augenblick der Liebe“, Angstblüte“, „Ein liebender Mann“ und „Muttersohn“. Nebenbei hat er die Novelle „Mein Jenseits“, drei umfangreiche Tagebuchbände sowie 39 Balladen und mehrere Essays geschrieben. Die schriftstellerische Produktivität Martin Walsers ist beeindruckend. Seine Themen dringen immer mehr in das Existenzielle eines Menschenlebens vor – immer tiefer, immer kräftiger dringt er in die unergründlichen Tiefen des Daseins ein.

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Mohamed El-Erian fordert von der EU mehr Initiative

Laut Mohamed El-Erian, dem Chef des weltgrößten Anleihe-Investors Pimco, gibt es für Europa zwei Wege, sich in einer neuen Form zu repräsentieren. Erstens kann sich der Kontinent geschlagen geben und in seine Teile zerfallen. Das ist für den promovierten Ökonomen allerdings die unwahrscheinlichere Variante. Zweitens kann die Eurozone stärker und zukunftsfähiger werden, aber auch kleiner sein. Mohamed El-Erian sagt: „Dorthin scheint es derzeit zu gehen, denn wir sehen immer mehr eine klare Unterscheidung zwischen Italien und Spanien auf der einen Seite und Griechenland und Portugal auf der anderen.“ Mohamed El-Erian leitet die Fondsgesellschaft Pimco vom kalifornischen Newport Beach aus. Der Anleihe-Investor verwaltet über 1,3 Billionen Dollar. Einen großen Teil des Geldes hat das Unternehmen in Staatsanleihen investiert.

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Die geistesgeschichtlichen Quellen des Anarchismus

Für den Politologen Peter Lösche sind die Ursprünge und Vorläufer des Anarchismus ebenso zahlreich wie die sozialen, geistesgeschichtlichen und politischen Bedingungen, unter denen der Anarchismus entstanden ist. Geistesgeschichtlich wird der Anarchismus laut Peter Lösche aus zwei Quellen gespeist, die selbst miteinander verbunden sind. Er schreibt: „Zunächst ist er ein Produkt der Aufklärung: Unter Anlehnung an naturrechtliche Vorstellungen ermöglicht der Rationalismus überhaupt erst ein Gesellschaftskonzept, das die in der Gegenwart vorhandene menschliche Entfremdung für real aufhebbar hält.“ In der Abwendung vom Reich Gottes und des Feudalismus wird die Einzigartigkeit des Individuums entdeckt. Der Liberalismus und der Anarchismus haben an dieser Stelle die gleiche Wurzel. Der Anarchismus allerdings treibt den Individualismus bis zu seiner letzten Konsequenz. Die zweite geistesgeschichtlich Quelle des Anarchismus sieht Peter Lösche, ähnlich dem Marxismus in seinen Ursprüngen, in der Hegel-Kritik.

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Alzheimer ist eine schwere Gedächtnisfunktionsstörung

Demenz kann viele Auslöser haben wie zum Beispiel Durchblutungsstörungen. Am häufigsten tritt die Krankheit, bei der sich der Mensch selbst vergisst, in Form von Alzheimer auf, deren Ursachen noch nicht erforscht sind. Für die Betroffenen ist jeder Tag ein mühsamer Kampf gegen das Vergessen. Schätzungen gehen davon aus, dass weltweit mehr als 34 Millionen Menschen an Alzheimer leiden. Ein Prominenter, der sich erst vor kurzem zu seiner Demenz bekannte, ist Rudi Assauer, der ehemalige Fußballmanager von Schalke O4. Chefarzt Friedrich Leblhuber, Leiter der Abteilung für Neurologisch-Psychiatrische Gerontologie an der Landesnervenklinik Wagner-Jauregg in Linz, erklärt das Wesen der Krankheit: „Bei Alzheimer kommt es zu einem langsam fortschreitenden Untergehen der Nervenzellen. Vor allem jene, die mit dem Gedächtnis zusammenhängen, sind betroffen.“  

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Paul ValéryPaul Valéry lobt die überragende Würde der Kunst

Paul Valéry vertritt die These, dass jedes Werk in sich ein Verlangen, ein Tun, ein Denkbild, einen Stoff  vereint. Diese Grundelemente pflegen eine Beziehung untereinander, oftmals so feingesponnen, dass ihre Darstellung nicht möglich ist. Er schreibt: „Ist dies der Fall, sind wir somit unvermögend, ein Gebilde durch etwas wie eine Formel zu vergegenwärtigen oder zu umreißen, die uns erlauben könnte, es als ein Ding zu begreifen, das man nach Willen erschaffen oder nacherschaffen könnte, dann nennen wir es ein Kunstwerk.“ Den Adel der Kunst sieht Paul Valéry in der Reinheit des Verlangens, aus dem sie hervorgeht, und die Ungewissheit des Künstlers über das Glücken seines Tuns.

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Friedrich Nietzsche sucht nach dem Sinn des Lebens

Auch im vielfältigen, sprunghaften und teilweise widersprüchlichen Denken Friedrich Nietzsches lassen sich immer wiederkehrende Motive und dominierende Fragen erkennen. So steht beispielsweise die erste Phase seines philosophischen Denkens, die mit den ersten „Baseler Vorträgen“ beginnt und mit der „Morgenröthe“ endet, unter der Leitfrage nach dem Wert und Sinn der menschlichen Existenz. Im 9. Abschnitt seiner zweiten „Unzeitgemäßen Betrachtungen“ zieht er die metaphysische Reichweite der Frage nach der Welt auf den Punkt einer existentiellen Frage nach dem Sinn des Lebens eines einzelnen Individuums zusammen. Er schreibt: „Wozu die Welt da ist, wozu die Menschheit da ist, soll uns einstweilen gar nicht kümmern, … aber wozu du Einzelner da bist, das frage dich.“

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Tim Jackson fordert ein nachhaltiges Wirtschaftsmodell

Tim Jackson glaubt, dass auch für ein neues nachhaltiges Wirtschaftssystem die Arbeit von zentraler Bedeutung sein wird. Denn bezahlte Arbeit trägt erstens ganz offensichtlich zum Lebensunterhalt der Menschen bei und ermöglicht ihnen zweitens am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Tim Jackson schreibt: „Durch Arbeit schaffen wir die gesellschaftliche Welt immer neu und finden einen glaubwürdigen Platz darin.“ Der Professor für Nachhaltige Entwicklung am Zentrum für Umweltstrategien der Universität Surrey vertritt zudem die These, dass sich die Wirtschaft innerhalb bestimmter ökologischer Grenzen bewegen muss. Diese Grenzen werden teilweise durch die Ökologie der Erde gesetzt, teilweise durch das Wachstum der Weltbevölkerung. Tim Jackson erklärt: „Beide Faktoren zusammen bestimmen, wie viele Ressourcen, wie viel Umweltraum zur Verfügung stehen. Innerhalb jeder Ökonomie bildet dies die Grenze für nachhaltiges Wirtschaften.“

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Ralf Dahrendorf seziert den Totalitarismus in Europa

Der Totalitarismus fällt für Ralf Dahrendorf aus dem Bild des Forschritts heraus, sowohl von der traditionellen zur rationalen Herrschaft als auch vom Autoritarismus zur Verfassung der Freiheit. Die viel zitierte Definition des Totalitarismus von Carl Friedrich lautet: „Der Totalitarismus ist eine Ideologie, eine typisch von einem Mann geführte Einheitspartei, eine terroristische Polizei, ein Kommunikationsmonopol und eine zentral verwaltete Wirtschaft.“ Beim Begriff des Totalitarismus denkt man sofort an Adolf Hitlers deutschen Nationalsozialismus und Josef Stalins sowjetischen Kommunismus. In beiden Systemen war das Ziel der totalen Kontrolle durch Mobilisierung erkennbar. Autoritäre Regimes gestatten dennoch große Bereiche der Privatheit und der Apathie. Ralf Dahrendorf schreibt: „Demokratie mobilisiert, tut dies aber, um Kontrolle zu dezentralisieren. In totalitären Regimes ist Mobilisierung das Instrument der zentralisierten Kontrolle.“

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Jeder Mensch kann seinem Leben einen Sinn geben

Für die Philosophen Julian Baggini gibt es mehrere Arten von Erfolg, die für sich genommen, dem Leben keinen Sinn verleihen können. Wer daran glaubt, nur absoluter Erfolg sei in der Lage, dem Dasein einen Sinn zu verleihen, ist es für fast jeden sinnlos. Selbst wenn ein Mensch meint, relativer Erfolg gebe dem Leben einen Sinn, weil Erfolg nur zähle, wenn das Scheitern eine realistische Alternative ist, würde ihn immer noch in den meisten Fällen zu einem sinnlosen Leben verdammen. Egal, ob es sich um relativen oder absoluten Erfolg handelt, etwas geschafft und eine Stufe des Erfolgs erklommen zu haben, reicht im Allgemeinen laut Julian Baggini nicht, um dem Leben einen Sinn zu verleihen. Leistungen kommen und gehen, und wenn sie das einzige Ziel eines Menschen sind, was bleibt ihm dann noch, wenn er sie erreicht hat?

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Der russische Schriftsteller Konstantin Paustowskij

Konstantin Paustowskij, der am 31. Mai 1892 in Moskau geboren wurde, verdankt seinen literarischen Ruhm seinem anschaulichen, tief menschlichen Erzählstil. Er steht in der Tradition des Epikers Lew Nikolajewitsch Tolstoi und des Meisters der russischen Kurzgeschichte, Anton Pawlowitsch Tschechow. Vor allem ist Konstantin Paustowskij ein Schriftsteller, der in besonderer Weise dem irdischen Leben zugewandt ist. Er schreibt über Dinge, die dem flüchtigen Blick der Menschen normalerweise entgehen, will ihn zum Verweilen einladen. Vor allem die Schönheit der Natur versteht er in genialer Weise in Sprache zu verwandeln. Aber allem seinem Schreiben liegt immer die sorgsame Beobachtung des Lebens zugrunde, sei es, wenn er seelische Regungen im Menschen andeutet oder das Schicksalhafte hinter menschlichten Begegnungen deutet.

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Naturzerstörer dürfen keine Gesundheit erwarten

Der Alternativmediziner Dr. Fritz Roithinger, der in Kitzbühel seine Arztpraxis hat, interessierte sich schon während seines Medizinstudiums für alternative Heilmethoden, da ihm die Schulmedizin, mit ihrer auf Symptome ausgerichteten Heilmethoden, zu wenig den eigentliche Ursachen der Krankheiten auf den Grund ging. Er ist der festen Überzeugung, dass die Menschen keine Gesundheit erwarten können, wenn sie weiterhin die Natur in dem Ausmaß zerstören, wie sie es heute praktizieren. Auch bei der Suche nach dem Ursprung des tödlichen Virus EHEC verfallen die Wissenschaftler in ihr traditionelles Denkmuster. Fritz Roithinger sagt: „Man sucht automatisch einen äußeren Schuldigen und denkt nicht daran, dass in erster Linie wir Menschen die Verursacher sind. Über Jahrzehnte hinweg wurden unsere Böden durch Chemie zerstört und die ganze Nahrungsmittelaufbereitung nimmt diesen Produkten ihre volle Wertigkeit, was ganz logisch zu einer Immunschwäche des Menschen führt.“

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Die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmt

Hilmar Schneider, Direktor für Arbeitsmarktpolitik am Bonner Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA), hat einen Megatrend entdeckt: Unternehmerische Risiken werden auf die Arbeitnehmer abgewälzt. Früher war die Arbeitswelt durch klare Hierarchien und Arbeitsanweisungen geregelt. Diese Form löst sich seiner Meinung nach auf. Hilmar Schneider erklärt: „Es wird nicht mehr gefragt, was zu tun ist, es wird nur das Ergebnis vorgegeben. Wie das zu erreichen ist, bleibt dem Arbeitnehmer überlassen.“ Für die Beschäftigten bedeutet dies, dass sie das Risiko zu scheitern, mit nach Hause nehmen. Die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit verwischt. Da nicht jeder mit dieser Autonomie umgehen kann, fühlen sich viele Menschen von diesem Trend überfordert, da niemand sieben Tage die Woche auf Dauer arbeiten kann. Aber es gibt auch Personen, die diesen Zustand als Bereicherung empfinden.

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Griechenland braucht einen Schuldenerlass von 50%

Für den Ökonomen Thomas Straubhaar, Leiter des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) führt an einem Schuldenerlass für Griechenland kein Weg vorbei. Die einzigen Fragen, die noch offen bleiben sind, wann und in welcher Form das geschehen wird. Thomas Straubhaar glaubt, dass dieser radikale Schritt unumgänglich ist, da der Schuldenberg in Griechenland eine gigantische Höhe angenommen hat und die wirtschaftliche Entwicklung des Landes zu schwach ist. Aber nicht nur Griechenland, auch für Portugal und Irland wird eine Umschuldung unvermeidlich sein. Thomas Straubhaar sagt: „Ohne einen Schuldenschnitt kommen auch sie nicht aus dem Teufelskreis: Wegen ihrer hohen Schulden gelten sie als unsolide, die Anleger fordern hohe Zinsen. Die gewaltige Zinslast aber macht alle Sparanstrengungen zunichte. Die Schulden wachsen weiter.“

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Gustav Mahlers Musik ist rätselhaft und doch populär

Das musikalische Werk des Komponisten Gustav Mahler umfasst neun vollendete Symphonien, eine Unvollendete, einige Liederzyklen ein paar Lieder und ein Klavierquartett. In der Gegenwart ist seine Musik so populär wie nie zuvor. Das kommt wahrscheinlich daher, dass sie in Extremen schwelgt: Überschäumendes und Entgrenztes, folkloristische Passagen sowie teilweise banale Einsprengsel wechseln einander ab. Gustav Mahlers Musik ist zudem gekennzeichnet vom Selbstmitleid und der Sehnsucht nach einer besseren Welt. Der Komponist schuf vieldeutige Partituren, die vielleicht rätselhafter sind als jede andere Musik. Als zentrales Wesensmerkmal seiner Partituren ist die Vielfalt an Auslegungsmöglichkeiten zu erkennen. Im Gegensatz zu dem Harmoniker Anton Bruckner komponiert Gustav Mahler seine Musik linear in Stimmen.

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Tim Jackson fordert einen nachhaltigen Kapitalismus

Für den britischen Wirtschaftsexperte Tim Jackson stehen allzu blauäugige Annahmen wie die, der Kapitalismus sei effizient genug, um das Klima zu stabilisieren und die Knappheit der Ressourcen zu bewältigen, vor dem Offenbarungseid. Das Streben nach Gewinn führt seiner Meinung nach zur beständigen Suche nach neueren, besseren, billigeren Produkten und Dienstleistungen. Gleichzeitig hält die unendliche Suche nach dem Neuen und nach gesellschaftlichem Ansehen die Menschen im stahlharten Gehäuse des Konsumismus gefangen. Tim Jackson schreibt: „Überfluss ist auf die unaufhörliche Produktion und Reproduktion neuer Dinge angewiesen. Sind wir ständig mit Neuem konfrontiert, löst das Angst aus und schwächt unsere Fähigkeit, langfristige gesellschaftliche Ziele anzustreben.“

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