In vielen Gesellschaften hat ein Klima der Unverzeihlichkeit Einzug gehalten. Man unterstellt einander von vornherein die schlechtesten statt die besten Absichten. Judith Kohlenberger fügt hinzu: „In der Krise ist man sich selbst der Nächste, was auch populistischer Stimmungsmache zupass kommt. In der öffentlichen Debatte herrschen gegenseitige Schuldzuweisungen, Unverständnis, Unversöhnlichkeit und Unbeherrschtheit.“ Das Level an gesellschaftlicher Empathie ist merkbar gesunken. Auch der Natur gegenüber zeigen sich viele Gesellschaften unerbittlich, wenden immer mehr Gewalt gegen sie an – und damit in letzter Konsequenz gegen sich selbst. Der Schutz der Außengrenzen der Europäischen Union (EU) wird brutaler. Gesunkene Flüchtlingsschiffe sind nur mehr dann eine Meldung wert, wenn die Opferzahl in die Hunderte geht. Judith Kohlenberger ist Kulturwissenschaftlerin und Migrationsforscherin am Institut für Sozialpolitik der WU Wien und dem Österreichischen Institut für Internationale Politik (oiip).