Weise Menschen durchdenken ihre Erlebnisse

Das Lernen aus Erfahrungen ist ein Grundkennzeichen der Reflektion. Judith Glück weiß: „Weise Menschen durchdenken ihre Erlebnisse und ziehen Schlüsse aus ihnen, die sie zu besseren Menschen machen.“ Judith Glück wird immer wieder gefragt, ob man Weisheit nicht auch durch indirekte Erfahrungen wie etwa das Lesen von Büchern erlangen kann. Sie antwortet: „Zweifellos kann man sehr vieles durch Bücher, Medien und Gespräche lernen – es kommt ja immer wieder vor, dass uns ein Buch oder ein Satz, den jemand nebenbei gesagt hat, eine ganz neue Perspektive eröffnet.“ Eigenen Erfahrung – wenn es gelungen ist, sie gut zu bewältigen – ermöglicht es aber in ganz besonderem Maße, sich in andere Menschen in ähnlichen Situationen hineinzuversetzen und sie wirksam zu unterstützen. Judith Glück ist seit 2007 Professorin für Entwicklungspsychologie an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

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Schon ein paar Schritte Richtung Weisheit können sehr bereichernd sein

Viele Menschen kennen nicht eine einzige Person, die sie als wirklich weise bezeichnen würden. Offensichtlich ist ein nicht so einfach, Weisheit zu entwickeln. Und ohne Zweifel gibt es auch wesentlich weniger steinige Wege zu einem recht glücklichen und zufriedenen Leben. Wenn man sich selbst nicht so hinterfragt, sich nicht zu intensiv mit den Problemen anderer Menschen und der Menschheit im Allgemeinen befasst, lebt es sich leichter und angenehmer, als wenn man auf dem Weg zur Weisheit immer alles in Frage stellen muss. Judith Glück ergänzt: „Und wenn wir diesen mühseligen Weg dennoch einzuschlagen suchen, könnte es sein, dass wir nicht allzu weit kommen, ehe wir wieder abbiegen. Aber schon ein paar Schritte können sehr interessant und bereichernd sein.“ Judith Glück ist seit 2007 Professorin für Entwicklungspsychologie an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

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Selbstkompetenz ist wichtiger als Medienkompetenz

In seinem Buch „Digitale Hysterie“ hat Georg Milzner darauf hingewiesen, dass Selbstkompetenz heute wichtiger sein muss als Medienkompetenz. Die Angleichung an den Rhythmus der Maschinen setzt seiner Meinung nach fundamentale menschliche Prozesse außer Kraft oder blockiert, stört oder verhindert die Herausbildung dessen, was man ein „reifes Selbst“ nennt. Doch wer meint, das Fehlen von Selbstaufmerksamkeit und Selbstkompetenz lasse sich ausschließlich mit Smartphone und Co. erklären, verkennt, dass das Problem in seinen Wurzeln viel älter ist. Der Kunsthistoriker Jonathan Crary verortet den Ursprung der Probleme mit der Aufmerksamkeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: „Einerseits versprach das Maschinenzeitalter neuartige Chancen der Selbstpräsentation und des schnellen Geldmachens, andererseits schuf die ständig anwachsende Summe an Möglichkeiten ein neuartige Atmosphäre der Überreizung.“ Georg Milzner ist Diplompsychologe und arbeitet in eigener Praxis als Psychotherapeut.

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Weise Menschen übernehmen die Verantwortung für ihre Fehler

Das Nachdenken über Erfahrungen fällt den meisten Menschen vor allem dann schwer, wenn ihr Handeln nicht zu einem erfreulichen Ergebnis geführt hat, sondern negative Folgen hatte. Judith Glück ergänzt: „Aus vielen Studien und jeder Menge Alltagserfahrung wissen wir, dass die meisten Menschen eher dazu neigen, ihre eigene Verantwortung für das, was nicht so gut gelaufen ist, möglichst weit wegzuschieben.“ Das Wegschieben der eigenen Schuld im Kleinen wie im Großen ist so häufig und allgegenwärtig, dass es einem völlig den Wind aus den Segeln nehmen kann, wenn sich jemand für sein Fehlverhalten einfach nur entschuldigt. Weise Menschen können das, sie haben die Größe, ihre eigenen Handlungen kritisch zu hinterfragen, die Verantwortung für Fehler zu übernehmen und aus ihnen zu lernen. Judith Glück ist seit 2007 Professorin für Entwicklungspsychologie an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

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Jede Erinnerung ist mit Emotionen verknüpft

Jede bewusste Erinnerung ist mit Emotionen verbunden. Ist ein Mensch traurig, hat er unangenehme Erinnerungen, ist er glücklich, angenehme. Christian Schüle erläutert: „Empfindungen von Trauer oder Freude sind emotionale Wertungen. Je stärker die Emotion bei einem Ereignis im Spiel ist, desto deutlicher und besser ist die Erinnerung an dasselbe.“ Im menschlichen Gehirn gibt es einen autonomen Bereich, in dem explizite Erinnerungen an emotionale Erlebnisse verknüpft werden und auf implizite emotionale Erinnerungen treffen. Es handelt sich dabei um das Arbeitsgedächtnis mit dem von ihm erzeugten unmittelbaren bewussten Erlebnis. Wenn Erinnern Wiedererleben und Wiedererleben nichts anders als neuronales Wiederkennen ist, dann ist Erinnerung auch Erkenntnis. Christian Schüle ist freier Autor und Publizist. Seit dem Sommersemester 2015 lehrt er Kulturwissenschaft an der Universität der Künste in Berlin.

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Unverbindlicher Sex scheint kein Vorrecht der Männer zu sein

Die evolutionspsychologische These, dass Männer beim Flirten und beim Sex forscher agieren als Frauen, wurde von den Massenmedien dankbar aufgegriffen. Als dann noch eine beeindruckende Zahl von Studien erschien, die in dieselbe Richtung wiesen, verwandelte sich die Vermutung in Gewissheit. Thomas Junker ergänzt: „Dass das traditionelle Klischee vom sexsüchtigen Mann und der keuschen Frau nun auch wissenschaftlich belegt schien, wurde teils wohlwollend, teils kritisch kommentiert.“ Die Popularität dieser Idee ist natürlich kein Beweis dafür, dass sie richtig ist. Sie muss deshalb aber auch nicht falsch sein. Vielleicht trägt der Hinweis, dass es in der Evolutionspsychologie in den letzten Jahren zu einem Umdenken gekommen ist, zur Beruhigung der Gemüter bei. Thomas Junker ist Professor für Biologiegeschichte an der Universität Tübingen.

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Verliebtsein ähnelt einem Drogentrip

Die meisten Menschen haben das in ihrem Leben schon einmal, oder auch öfters, erlebt: Der Herzschlag ist ständig leicht erhöht. Man fühlt sich leicht fiebrig und braucht wenig Schlaf. Die Welt wirkt über alle Maßen plastisch und greifbar. Man ist leicht konfus, aber auch wieder sehr konzentriert. Matthias Horx löst das Rätsel: „Verliebtsein ähnelt einem Drogentrip. Und genau das ist es auch. Die Droge heißt Dopamin.“ Schon der griechische Philosoph Platon formulierte: „Die Liebe erzeugt eine ähnliche Dringlichkeit wie Durst und Hunger.“ In seinem Buch „Resonanz“ schreibt der Soziologe Hartmut Rosa: „Wer verliebt ist, ist auf eine andere, verwandelte, neue Weise in die Welt gestellt, denn er oder sie verfügt nun übern den „vibrierenden Draht“ zur Welt – in Form des oder der Geliebten, das entscheidende Kriterium einer resonanten Weltbeziehung.“ Matthias Horx ist der profilierteste Zukunftsdenker im deutschsprachigen Raum.

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Die Kraft der Literatur verändert die Persönlichkeit

Die literarische Bildung lebt von der Fiktion, dass es Bücher gibt, deren Lektüre einen Menschen verändern kann, und dass dies nicht nur an einem selbst, der persönlichen Disposition und Situation liegt, sondern auch genau an diesen Büchern. Konrad Paul Liessmann schreibt: „Nur solch ein Denken legitimiert einen Kanon, und nur ein Kanon, wie umstritten und … Weiterlesen

Selbstkontrolle macht einen Menschen handlungsfähig

Selbststeuerung ist möglich, wenn ein Mensch seine Denkprozesse automatisch leitet. Wenn er Situationen erlebt, interpretiert und Schlüsse zieht, versucht sein Bewusstsein, die Übersicht zu behalten und alles zu durchleuchten, was im Inneren auftaucht. Allan Guggenbühl fügt hinzu: „Wie wir unser inneres Geschehen wie auch Außenwahrnehmung gewichten und ordnen, hängt von unseren Erfahrungen und unserem Persönlichkeitstyp ab.“ Doch unabhängig davon, ob man sich als Denk-, Empfindungs-, Gefühls- oder intuitiven Typ versteht, diszipliniert man als Individuum den inneren Zirkus. Der Mensch spult nicht einfach ein genetisches Programm ab oder wird durch neurologische Prozesse bestimmt, sondern das Kommando hat das Ich. Allan Guggenbühl ist seit 2002 Professor an der Pädagogischen Hochschule Zürich tätig. Außerdem fungiert er als Direktor des Instituts für Konfliktmanagement in Zürich.

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Menschen lernen durch Beobachtung

Lernen ist die Veränderung von Wissen, Gewohnheiten, Vorlieben et cetera aufgrund von Erfahrungen. Allgemein bekannt und überaus bedeutsam ist das Lernen am Modell: Man lernt Verhaltensweisen, die man anderen abschaut. Hans-Peter Nolting stellt fest: „Leider beobachten manche Menschen in ihrer Umwelt sehr viele aggressive Modelle: Eltern machen vor, dass man sich bei einer Meinungsverschiedenheit heftig beschimpft, Mitschüler zeigen, wie man andere lächerlich macht, und in Filmen sind mitunter extreme Gewalthandlungen zu sehen.“ Selbstverständlich folgt auf die Beobachtung nicht automatisch eine Nachahmung. Zum einen beobachtet jeder Mensch zugleich ganz andersartige, darunter sehr friedfertige und konstruktive Verhaltensweisen, zum anderen ist längst nicht jeder Beobachter motiviert, das beobachtete Verhalten zu imitieren. Dr. Hans-Peter Nolting beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Themenkreis Aggression und Gewalt, viele Jahre davon als Dozent für Psychologie an der Universität Göttingen.

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Für Kinder sind Anregungen in der Vorschulzeit besonders bedeutsam

Der von der heutigen Arbeitswelt ausgehende tief greifende Wandel der Gesellschaft hat auch die Voraussetzungen für die Erziehung von Kindern und Jugendlichen enorm verändert. Joachim Bauer stellt fest: „Das Ausmaß dieser Veränderungen und die Auswirkungen, die sie auf unsere Kinder und Jugendlichen haben, sind im Bewusstsein unserer Gesellschaft noch nicht angekommen.“ Selbstkontrolle, Selbststeuerung, Autonomie und die Fähigkeit, einen freien Willen zu bilden, setzen eine ungestörte Entwicklung des Gehirns voraus, die ihrerseits nur stattfindet, wenn Kinder angeleitet werden. Unter dem Einfluss der Beziehungserfahrungen, die Kinder und Jugendliche in ihrem unmittelbaren Umfeld machen, verändert ihr Gehirn seine Strukturen. Die Einflüsse der Umwelt spielen für die neurobiologische und psychische Entwicklung von Kindern eine quantitativ weit bedeutendere Rolle als Effekte von genetischen Varianten. Der Neurobiologe, Arzt und Psychotherapeut Joachim Bauer lehrt an der Universität Freiburg.

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Freude lässt sich durch zahlreiche Anreize erzeugen

Der große Universalgelehrte des 18. Jahrhunderts Jeremy Bentham beginnt sein einflussreichstes Werk mit den Worten. „Die Natur hat die Menschheit dem Regiment zweier oberster Gebieter unterstellt: Leid und Freude. Sie alleine legen uns nahe, was wir tun sollen, und sie alleine bestimmen, was wir dann wirklich tun. An ihrem Thron sind die Normen für Recht und Unrecht ebenso festgemacht wie die Kette von Ursachen und Wirkungen. Sie beherrschen in umfassender Weise unser Tun, unsere Reden, unser Denken.“ Tali Sharot nimmt sich die Freiheit zu vermuten, dass Jeremy Bentham die Begriffe „Freud“ und „Leid“ im weitesten Sinne benutzt hat, um gute und schlechte Gefühle zu beschreiben. Tali Sharot wurde an der New York University in Psychologie und Neurowissenschaften promoviert und ist Professorin am Institut für experimentelle Psychologie der University of London.

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Die protestantische Ethik enthält das Gebot des Sparens

Das Gebot des Sparens war früher Bestandteil eines größeren kulturellen Rahmens: der von Max Weber beschriebenen protestantischen Ethik. Die Mehrung von Wohlstand war demnach nicht wichtig, weil man ihn genießen konnte, sondern weil er ein Zeichen für gute Lebensführung war. Matthew B. Crawford erklärt: „Gott hatte die Welt so eingerichtet, dass der Zustand der Seele an der Geldbörse erkennbar war: Reichtum war also ein Beweis dafür, dass ein Mensch auserwählt war.“ Im Frühkapitalismus gab es generell eine vollkommene Geringschätzung für den Verschwender. Benjamin Franklin forderte: „Sei sparsam und frei.“ Der republikanische Bürger war stolz auf seine Freiheit und fürchtete sich vor Schulden, die sie beeinträchtigen konnten. Denn der Schuldner kann dem Mann, dem er Geld schuldet, nicht offen seine Meinung sagen. Matthew B. Crawford ist promovierter Philosoph und gelernter Motorradmechaniker.

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Ohne Grenzen wird die Freiheit zum Zufall oder zum Chaos

Viele Menschen suchen stets nach einer Instanz, der sie die Verantwortung für das eigene Tun aufbürden können. Früher machte man vor allem Gott, die Vorsehung, dann – die Politik verantwortlich. Reinhard K. Sprenger ergänzt: „Heute scheinen einige Naturwissenschaftler die Rolle übernehmen zu wollen und kommen damit einem gesellschaftlichen Bedürfnis nach faktischer naturwissenschaftlicher Sicherheit nach.“ Sie unterscheiden zunächst zwischen Handlungsfreiheit und Willensfreiheit. Die Handlungsfreiheit besteht in der Wahl der Mittel und Wege zu bestimmten Zielen. Die Handlungsfreiheit sagt: „Wir können tun, was wir wollen.“ Die Willensfreiheit ist davon zu scheiden. Sie besteht darin, sich ohne fremdes Diktat eigene Ziele zu setzen. Hier lautet die Frage: „Können wir auch wollen, was wir wollen?“ Reinhard K. Sprenger ist promovierter Philosoph und gilt als einer der profiliertesten Managementberater und Führungsexperte Deutschlands.

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Gedanken sind in Wahrnehmungen oder Ideen verankert

„Denken“ wird nur selten als Fachterminus oder philosophischer Begriff benutzt. Intuitiv hat er laut David Gelernter aber eine klare Bedeutung: „Wir meinen damit die bewusste, absichtliche Handhabung mentaler Zustände, mit der wir, von den gegebenen Rohmaterialien ausgehend, ein Ziel erreichen wollen. Das Musterbeispiel ist die Vernunft.“ Man geht von bestimmten Voraussetzungen aus und hat ein Ziel. Darauf begibt man sich auf einen logischen Weg, der einen von den Voraussetzungen zum Ziel führt; es ist ein mentaler Weg, ein Gedankenweg. Damit dieser Gedankengang in eine Handlung umgesetzt wird, ist unter Umständen eine weitere Runde des vernünftigen Denkens notwendig. Das it mentale Manipulation, mentales Tun, die Anwendung des Geistes auf die Realität. David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University.

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Literarische Bildung war immer schon umstritten

Literarische Bildung, die einst im Zentrum der Curricula der höheren Schulen stand, ist – und leider nicht nur dort – zu einem Fremdwort geworden. Dass aber nahezu jede Form vor allem ästhetischer, literarischer oder sprachlich-historischer Kenntnisse gerne als bildungsbürgerlich denunziert wird, gilt nicht nur der Kritik an einem sozialen Habitus, sondern auch einer bestimmten Idee von Bildung. Konrad Paul Liessmann fügt hinzu: „Die schöne Literatur, wie avanciert auch immer, führt nur noch ein Schattendasein in den Curricula, in den Bildungsdiskursen, in denen es von Kompetenzen nur so wimmelt, spielt sie keine Rolle mehr.“ Allerdings bestreitet fast niemand, dass die Literatur für denjenigen, der in ihr eine Inspiration zu sehen vermag, eine beglückende Erfahrung sein kann. Konrad Paul Liessmann ist Professor am Institut für Philosophie der Universität Wien.

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Der bewusste Geist gliedert sich in Denken und Fühlen

Der Geist schützt einen Menschen vor dem beängstigenden Inhalt von Träumen mit dem einzigen Mittel, das ihm zur Verfügung steht: Er lässt ihn vergessen. Etwas anderes kann er nicht tun. David Gelernter fügt hinzu: „Andererseits kann der Geist aber die Zeit zurückdrehen, die Unwirklichkeit ungeschehen machen und unter enggefassten, aber wichtigen Voraussetzungen die Zukunft vorhersagen.“ Insgesamt folgt der Geist seiner Meinung nach einer großen Gezeitenbewegung. An seinem höchsten logischen Punkt sind Realität und Selbst zwei getrennte Dinge. Das reflexive Selbst ist etwas anderes als die Realität, über die es reflektiert. Aber desto mehr man sich dem Schlaf und dem Traum nähert, verschwimmen die Grenzen immer stärker. Am Ende ist das reale Selbst in der Realität des Traums aufgegangen. David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University.

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Der Gebildete scheint aus der Zeit gefallen zu sein

Alle reden von Bildung. Nur mit ihr lässt sich in rohstoffarmen Ländern wie Deutschland und Österreich der Wohlstand von heute auch in Zukunft erhalten. Während das Schlagwort Bildung jeden Tag in vielen Medien an vorderster Stelle steht, ist der Gebildete, das eigentliche Ziel aller Bildungsanstrengungen, nicht nur aus dem Wortschatz verschwunden. Es scheint sogar so, als hätte sich jeder ernsthafte Bildungsanspruch zu einem Ärgernis entwickelt. Die Gründe dafür nennt Konrad Paul Liessmann in seinem neuen Buch „Bildung als Provokation“. Um zu fundierten Ergebnissen zu gelangen, hat er die Parteienlandschaft und soziale Netzwerke untersucht. Außerdem geht er der Frage nach, warum es für viele Menschen so unangenehm ist, gebildeten Personen zu begegnen. Konrad Paul Liessmann ist Professor am Institut für Philosophie der Universität Wien.

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Das Kurzzeitgedächtnis kann Informationen 30 Sekunden behalten

Frühe Erinnerungen an die Kindheit sind physiologisch gesehen sehr anfällig für Verzerrungen. Wenn Wissenschaftler über die Reifung des Gedächtnisses sprechen, also über die Veränderung des Gedächtnisses im Laufe des Älterwerdens, sprechen sie typischerweise getrennt über die Veränderungen im Kurzzeitgedächtnis und im Langzeitgedächtnis. Julia Shaw erklärt: „Das Kurzzeitgedächtnis ist ein System im Gehirn, das kleine Informationsmengen für kurze Zeit behalten kann. Sehr kurze Zeit – nur ungefähr 30 Sekunden.“ Wenn man sich beispielsweise eine Telefonnummer merken will und sie im Stillen so lange vor sich hersagt, bis man sie wählt – sie also in der sogenannten phonologischen Schleife speichert – dann benutzt man sein Kurzzeitgedächtnis. Dieses System kann nicht viel Gedächtnisinhalt aufnehmen. Die Rechtspsychologin Julia Shaw lehrt und forscht an der London South Bank University.

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Sigmund Freud unterscheidet zwischen Sexualtrieb und Todestrieb

In der Philosophie der Gegenwart wurden verschiedene Modelle entwickelt, um in der Struktur dessen, was Sigmund Freud „das Ich“ nennt, die menschliche Rationalität auszumachen. Der amerikanische Philosoph Robert Brandom spricht hier vom „Spiel des Gebens und Verlangens von Gründen“ und er hat auch dafür plädiert, das Ich gleichsam als den allgemeinen Namen für Mitspieler an diesem Spiel aufzufassen. Markus Gabriel erklärt: „Ein Ich zu sein heißt, für die Beschreibungsebene zugänglich zu sein, auf der wir unsere Einstellungen zu uns selbst und zu anderen durch Gründe stützen und rechtfertigen.“ Sigmund Freud selber neigt leider häufig dazu, das Ich wie einen Homunculus zu behandeln, der seines Erachtens dadurch auf die Bühne tritt, das Wahrnehmungen im Menschen durch Reizungen entstehen. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Die eigenen Handlungen wirken sich direkt auf die Welt aus

Rituale beantworten einem Menschen die Frage, „Was soll ich als nächstes tun?“ und nehmen ihm damit die Bürde der Entscheidung und Überlegung ab. In einem früheren Buch mit em Titel „Ich schraube, also bin ich“ hat sich Matthew B. Crawford mit dem Verlust von Fähigkeiten im Alltagsleben beschäftigt. Das zentrale Thema das Buchs ist die individuelle Handlungsmacht – die Erfahrung, dass sich die eigenen Handlungen direkt auf die Welt auswirken, und das Wissen, dass diese Handlungen tatsächlich einem selbst gehören. Matthew B. Crawfords These lautete, dass echte Handlungsmacht nicht einfach auf freien Entscheidungen beruht, sondern paradoxerweise auf der Unterwerfung unter Dinge, die ihr eigens, unergründliches Wesen haben, ob dieses Ding nun ein Musikinstrument, ein Garten oder eine Brücke ist. Matthew B. Crawford ist promovierter Philosoph und gelernter Motorradmechaniker.

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Es gibt vier Wege zu dauerhafter Macht

Eine erste Quelle dauerhafter Macht ist für Dacher Keltner die Konzentration darauf, was andere Menschen fühlen: Zu diesem Akt praktizierter Empathie gehört, die reiche Sprache emotionaler Ausdrücke im sozialen Leben einzusetzen. So durchläuft man die Interaktionen im Alltagsleben mit größerem Feingefühl und steuert letztlich auf das Ziel zu, das Gemeinwohl zu fördern. Eine zweite Quelle für den dauerhaften Erhalt der Macht ist, anderen Menschen etwas zu geben und mit ihnen zu teilen. Es gibt viele Möglichkeiten, andere zu belohnen. Eine der ältesten besteht in aufmunternden Gesten. Andere reichen vom Greifbaren wie Essen bis zum Symbolischen wie Geld oder Sozialen wie Respekt. Dacher Keltner ist Professor für Psychologie an der University of California in Berkeley und Fakultätsdirektor des UC Berkeley Greater Good Science Center.

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Die Klugheit sprengt die Fesseln der Unmündigkeit

Denken bedeutet, im mentalen Innenraum zu experimentieren. Menschen bedienen sich ihres immensen Erinnerungsschatzes, den sie über ihre Erziehung, Kultur und Bildung erworben haben, und erleben ihre Gedanken als persönliche Kreationen. Meistens merken sie nicht, dass sie der Erfahrung eines Mitmenschen nachplappern oder durch ein unbewusstes Motiv beeinflusst werden. Denn das Denken ist immer beeinflusst vom Milieu und der Geschichte eines Menschen. Allan Guggenbühl rät: „Um aus dieser Falle herauszukommen, müssen wir es wagen, unseren Irritationen zu folgen, das Außergewöhnliche anzudenken. Klugheit bedeutet, sich immer wieder aus der selbst auferlegten Unmündigkeit zu befreien, Nischen zu entdecken und Rituale zu entwickeln, in denen die Vorgaben des politisch korrekten Denkens und persönlicher Prägungen abgelegt werden.“ Allan Guggenbühl ist seit 2002 Professor an der Pädagogischen Hochschule Zürich tätig. Außerdem fungiert er als Direktor des Instituts für Konfliktmanagement in Zürich.

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Judith Glück lehrt den guten Umgang mit Gefühlen

Weise Menschen ignorieren oder verdrängen ihre Gefühle nicht. Sie nehmen sie wahr, messen ihnen Bedeutung bei und wissen eben deshalb mit ihnen auch so umzugehen, wie es die Situation erfordert. Intuitiv weiß fast jeder Mensch, was mit einem Gefühl wie Angst, Freude oder Zorn gemeint ist, aber das wissenschaftlich zu definieren, ist gar nicht leicht. Eines steht allerdings fest: Gefühle haben eindeutig eine körperliche Komponente. Judith Glück erklärt: „Emotionen entstehen offenbar in einer Wechselwirkung zwischen körperlichen Reaktionen und Denken.“ Bei einem Menschen reicht zum Beispiel bereits ein Satz, den jemand sagt, oder eine Zeile in einer Zeitung, um eine möglicherweise intensive körperliche Reaktion hervorzurufen. Das körperliche Gefühl, das mit einer Emotion einhergeht, ist zudem relativ unspezifisch, zunächst nur ein allgemeiner, unangenehmer Erregungszustand. Judith Glück ist seit 2007 Professorin für Entwicklungspsychologie an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

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Sicherheit ist ein fundamentales menschliches Bedürfnis

Wenn man in den allgemeinen Unsicherheiten eine vielversprechende Möglichkeit erkennt, seinen Bedürfnissen und Überzeugungen nachzugehen, dann sieht man sich im besten Sinne herausgefordert, fühlt sich wohl, ganz mit sich einverstanden und manchmal auch euphorisch. Erst-Dieter Lantermann ergänzt: „Unsere Selbstachtung und unser Selbstwertgefühl wachsen an diesen Herausforderungen, da wir uns selbst und anderen beweisen, dass wir aus eigener Kraft auch in dieser unsicheren Welt unser Schicksal selbst in die Hand nehmen.“ Erlebt man die Unsicherheiten der eigenen Lebensverhältnisse hingegen als eine Gefährdung der eigenen Bedürfnisse, Werte und Überzeugungen, nimmt man diese Unsicherheit als einen bedrohlichen Angriff auf seine Selbstwertschätzung und Selbstwertgefühl wahr und wird alles unternehmen, um sich gegen diesen Angriff zu wehren. Ernst-Dieter Lantermann war von 1979 bis 2013 Professor für Persönlichkeits- und Sozialpsychologie an der Universität Kassel.

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