Die Europäische Union muss den Finanzkapitalismus zähmen

Die Konturen der pazifischen Epoche lassen sich bereits erahnen, denn das Schwergewicht der Weltwirtschaft wandert Richtung Osten. Das hat auch für Europa und die USA Auswirkungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind nicht nur eine atlantische, sondern auch eine pazifische Macht. Thomas Seifert erläutert: „Die Westküste – bereits heute der Motor wirtschaftlicher Dynamik und Innovation in den USA – wird noch weiter an Bedeutung gewinnen.“ Ebenso könnten der Südosten und Osten Europas eines Tages von einer Landverbindung nach China profitieren, auch logistische Knotenpunkte könnten dort entstehen. Thomas Seifert fordert, das die Europäische Union (EU) eine eigenständigere Außenpolitik verfolgen muss, denn die USA und Europa haben in verschiedenen Regionen jeweils ihre eigenen Interessen. Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur und Leiter der Außenpolitik bei der Wiener Zeitung.

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Europa und die USA dominieren seit 1820 die Welt

Die atlantische Epoche begann am 12. Oktober 1492 mit der Landung von Christoph Kolumbus auf den Bahamas. Thomas Seifert erläutert: „Europas Imperien fanden mit Amerika ein riesiges Hinterland, das sie unterwerfen und ausplündern konnten.“ Am 4. Juli 1776 erklärten die Kolonien des Empire in Neuengland ihre Unabhängigkeit, und damit trat die atlantische Epoche in einen neue Phase ein. Nun begann die industrielle Revolution, und die Vereinigten Staaten von Amerika entstanden als unabhängiger Staat. Diese beiden atlantischen Mächte, die Nationalstaaten Europas und später die USA, würden bald den gesamten Erdball dominieren. Der Erfolg Westeuropas gründete sich auf den „drei R“: Renaissance, Reformation und industrielle Revolution. Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur und Leiter der Außenpolitik bei der Wiener Zeitung.

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Durch den Ersten Weltkrieg zerfielen vier große Reiche

In der Geschichte des europäischen 20. Jahrhunderts wird dem Ersten Weltkrieg der Charakter einer Epochenschneide zugemessen. Und die Gründe, warum er als einer der tiefsten Einschnitte in der neueren Geschichte des Kontinents angesehen wird, sind für Ulrich Herbert schwerwiegend: Erst hier sei das 19. Jahrhundert wirklich zu Ende gegangen: „Mit dem Fall des Deutschen Kaiserreiches stürzte auch die Habsburger Doppelmonarchie; ein Jahr zuvor war bereits die Herrschaft des russischen Zaren durch die Oktoberrevolution beendet worden, und auch das Reich der Osmanen stand vor dem Untergang.“ Die vier großen Reiche, gekennzeichnet durch die Vorherrschaft vormoderner Kräfte, durch die herausgehobene Position des Militärs und durch die Unterdrückung der nationalen Minderheiten, brachen zusammen. Ulrich Herbert zählt zu den renommiertesten Zeithistorikern der Gegenwart. Er lehrt als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

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Die Wirkmacht der Europäischen Aufklärung ist bis heute spürbar

Das „Handbuch Europäische Aufklärung“ ist das erste deutschsprachige Werk, das dieser Epoche gewidmet ist. Die überwiegend deutschen Autoren der einzelnen Artikel, durchwegs Spezialisten für ihren Gegenstand, haben immer ihr Augenmerk auf die drei Hauptländer England, Frankreich und Deutschland gelegt, um von vornherein auf die europäische Dimension der Aufklärung aufmerksam zu machen. In ihren Beiträgen prüfen sie ferner die Hypothese von der Fähigkeit der Aufklärung zu ihrer Selbstaufklärung sowie den Funktionswandel ihrer Themen und Zukunftsvorstellungen. In der Regel bleibt die Wirkmacht einer Epoche spürbar, die vor rund 350 Jahren eine neue soziale, politische und geistige Formation großen Anspruchs ins Werk setzte. Den Abschluss der einzelnen Beiträge bilden jeweils Bibliographien zu den Quellen und zur Forschung. Diese sind mit der Argumentation der Darlegung verknüpft. Prof. Dr. Heinz Thoma war bis zu seiner Emeritierung im Jahre 2010 lehrte an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg französische und italienische Literaturwissenschaft.

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Die Deutsche Literaturgeschichte beginnt im frühen Mittelalter

Das Lexikon „Deutsche Literaturgeschichte, das in der 8. Auflage im Verlag J. B. Metzler erschienen ist, stellt die nahezu 14 Jahrhunderte umfassende Geschichte der deutschsprachigen Literatur dar. Die ausgezeichneten Texte sind mit 555 Bildern illustriert. Eingeteilt ist das Werk in 15 Kapitel, beginnend bei der Literatur des Mittelalters, endend bei den Tendenzen in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur seit 1989. Neben den literarischen werden auch die gesellschaftlichen Zusammenhänge der einzelnen Epochen analysiert. Die achte Auflage enthält ein neuverfasstes Kapitel zum Literaturbetrieb und Ergänzungen im Schlusskapitel um die die Entwicklungen der letzten Jahre. Zu Beginn ihrer Ausführungen weist das Autorenteam darauf hin, dass die ersten bekannten Texterzeugnisse auf germanischem Boden nur in ganz wenigen Beispielen, zudem in Überlieferungen späterer Zeit, erhalten sind.

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Europa muss Nationalismus und Kleinstaaterei über Bord werfen

Thomas Seifert stellt in seinem neunen Buch „Die pazifische Epoche“ fest, dass Europa und die USA noch die global dominanten Wirtschaftsblöcke sind. Doch die Volkswirtschaften Asiens entwickeln sich in einem rasanten Tempo. Dort ist eine breite Mittelschicht herangewachsen, die so große wirtschaftliche Chancen hat, wie keine Generation zuvor. Zu den größten Metropolen der Welt zählen inzwischen Shanghai, Jakarta, Beijing, Seoul, Delhi und Mumbai. Das Wachstum dieser Megastädte ist bei weitem noch nicht abgeschlossen. Längst begnügen sich die aufstrebenden Nationen in Asien nicht mehr mit Auftragsproduktionen für westliche Firmen, sondern entwickeln eigenes Know-how, speziell in den Branchen Biotech, Software und Design. Thomas Seifert beschreibt in seinem Buch die atemberaubenden gesellschaftlichen Entwicklungen in Asien und wie die Weltmacht Europa, die das aktuell noch ist, diesem Wandel in Asien begegnen kann. Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur und Leiter der Außenpolitik bei der Wiener Zeitung.

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Ohne Otto von Bismarck hätte es kein Deutsches Reich gegeben

Die große Biographie von Ernst Engelberg über Otto von Bismarck wird von vielen Historikern und Politikwissenschaftlern als ein Meisterwerk deutscher Geschichtsschreibung bezeichnet. Ernst Engelberg, einer der bedeutendsten Historiker des 20. Jahrhunderts, schuf darin das faszinierende Bild einer einzigartigen Persönlichkeit und einer herausragenden politisches Werkes, das zuletzt allerdings Züge von Tragik annahm. Zum 200. Geburtstag Otto von Bismarcks liegt der Klassiker nun in einer aktualisierten und gekürzten Neuausgabe im Siedler Verlag vor. In seiner Biographie über Otto von Bismarck breitet Ernst Engelberg gleichzeitig vor seinen Lesern das breite Panorama einer Epoche und ihrer widerstreitenden Kräfte aus. Er beschreibt den Lebensweg Otto von Bismarcks, der mit der Schaffung des Deutschen Reiches letztlich jenes Altpreußen aufhob, dem er mit allen Wurzeln anhing und dem seine ganze Liebe gehörte.

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Technische Revolutionen können die Menschheit retten

Die meisten Menschen haben vage Ahnungen von der Zukunft und doch besteht immer die Möglichkeit, dass ein schreckliches Ereignis alles hinwegfegt. Schon in den 1980er Jahren erkannte Shoshana Zuboff, dass die Einführung der Computer in Unternehmen dazu führen würde, dass die Hierarchien flacher werden. Daniel Goleman ergänzt: „Während Wissen früher Macht war und die Mächtigsten ihre Informationen horteten, eröffneten die neuen technischen Systeme für jedermann den Zugang zu den Daten. In der Gegenwart und sicherlich auch in der Zukunft fließen die Informationen immer freizügiger, und das nicht nur innerhalb einer Organisation, sondern auf der ganzen Welt. Das Zeitalter des Anthropozän, das mit der industriellen Revolution begann, ist die erste geologische Epoche, in der die Tätigkeit einer Spezies – der Menschen – unausweichlich die wenigen globalen Systeme zerrüttet, die das Leben auf der Erde ermöglichen.

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Die neuen Möglichkeiten in der Medizin waren sensationell

Nie zuvor und nie mehr danach hat sich ein wissenschaftliches Weltbild in so kurzer Zeit und so stark und mit solchen Auswirkungen verändert wie in den 30 Jahren vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Ulrich Herbert konkretisiert: „Neben der explosionsartigen Ausdehnung der Industrie war es vor allem die systematische Verbindung von Wissenschaft und Technik, die diese Epoche kennzeichnete.“ Im Bereich der Chemie standen zum Beispiel die großen Synthesen im Vordergrund wie die Indigosynthese von 1880 und die Synthese des Kautschuks von 1909, des Ammoniaks aus Luftstickstoff und Wasserstoff durch Katalysatoren im Jahr 1908. Auf dieser Grundlage wurden die Kunststoffe entwickelt, die in der Industrie und im Alltagsleben nun ihren unaufhaltsamen Siegeszug antraten. Ulrich Herbert zählt zu den renommiertesten Zeithistorikern der Gegenwart. Er lehrt als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

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Risiken spiegeln menschliche Handlungen und Unterlassungen

Die Risikogesellschaft ist für den renommierten Soziologen Ulrich Beck im Gegensatz zu allen früheren Epochen wesentlich durch einen Mangel gekennzeichnet: nämlich der Unmöglichkeit externer Zurechenbarkeit von Gefahrenlagen. Die Gesellschaft von heute ist im Umgang mit Gefahren mit sich selbst konfrontiert. Ulrich Beck schreibt: „Risiken sind historisches Produkt, das Spiegelbild menschlicher Handlungen und Unterlassungen, Ausdruck hochentwickelter Produktivkräfte.“ Wo Risiken die Menschen beunruhigen, liegt der Ursprung der Gefahren nicht mehr im Äußeren, sondern in der historisch gewonnenen Fähigkeit der Menschen zur Selbstvernichtung der Reproduktionsbedingungen allen Lebens auf dieser Erde. Die Quellen der Gefahren sind nicht länger Nichtwissen, sondern Wissen. Ulrich Beck war bis 2009 Professor für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Seither ist er Gastprofessor für Soziologie an der London School of Economics and Political Science.

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Die Geschichte Deutschlands ist im 20. Jahrhundert zweigeteilt

In Deutschland ist das 20. Jahrhundert von zwei Weltkriegen, einer gescheiterten Demokratie, der Hitler-Diktatur und dem Holocaust geprägt. Und vierzig Jahre war Deutschland ein geteiltes Land. Wer dagegen heute von Deutschland spricht, denkt unter anderem an den Sozialstaat, Wohlstand, Liberalisierung, Globalisierung, eine erfolgreiche Demokratie und die längste Friedensperiode in der europäischen Geschichte. Das Projekt Europa ist für Deutschland der einzige gangbare Weg der Gegenwart, aber die deutsche Geschichte bleibt dennoch im Nationalen verwurzelt. Ulrich Herbert erklärt, warum das so ist. Das hat seinen guten Grund, denn persönliche Erfahrungen und gesellschaftliche Traditionen beziehen sich in allen europäischen Ländern, wenn auch in unterschiedlicher Intensität, nach wie vor zuerst auf das Land, aus dem man kommt und in dem man lebt. Ulrich Herbert zählt zu den renommiertesten Zeithistorikern der Gegenwart. Er lehrt als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

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Arthur Schopenhauer verfügte über eine enorme Originalität

Arthur Schopenhauer (1788 – 1860) ist für Vittorio Hösle einer der größten Stilisten unter den deutschen Philosophen. Wo Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770 – 1831) nur sprachgewaltig ist, ist Arthur Schopenhauer zugleich unübertrefflich klar und elegant. Vittorio Hösle rät jedem, der deutsch zu schreiben wagt, seinen Essay „Über Schriftstellerei und Stil“ zu lesen. Vittorio Hösle fügt hinzu: „Sein phänomenologischer Blick ist durchdringend, die Fülle seiner Interessen ähnlich enzyklopädisch wie bei Hegel, sein architektonisches Talent beim Systembaubeachtlich.“ Die Originalität Arthur Schopenhauers ist enorm. Er ist es, der die seit den Griechen bestehende Logosphilosophie radikal herausgefordert hat, ohne auf die flache und ebenfalls seit der Antike vertraute Alternative des Materialismus zu verfallen. Vittorio Hösle ist Paul Kimball Professor of Arts and Letters an der University of Notre Dame (USA).

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Die Geschichte nimmt oft völlig unvorhersehbare Wendungen

Der Welthandel, die Weltreiche und die Weltreligionen haben den Menschen irgendwann in fast jeden Winkel der Erde in der globalisierten Welt von heute geführt. Der Weg war zwar beschwerlich und voller Hürden, doch auf lange Sicht war der Übergang von vielen kleinen auf wenige große Kulturen und schließlich zu einer Weltkultur vorprogrammiert. Was laut Yuval Noah Harari allerdings nicht heißen soll, dass die globalisierte Gesellschaft in ihrer heutigen Form unvermeidlich war. Seiner Meinung nach wären andere Varianten genauso möglich gewesen. Um den Verlauf und das vorläufige Endergebnis der Weltgeschichte besser zu verstehen, rät Yuval Noah Harari sich entscheidende Eigenschaften der Geschichte näher anzusehen. Yuval Noah Harari ist Professor für Geschichte an der Hebrew University in Jerusalem.

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Ulrich Greiner: „Wir leben in einer Zeit des Schamverlustes“

Wann und warum sich Menschen schämen, ist davon abhängig, in welcher Kultur und in welcher Epoche sie leben. Wie sich mit den Normvorstellungen für das Gebotene und Erlaubte auch das Schamempfinden verändert hat, zeigt Ulrich Greiner in seinem Buch „Schamverlust. Vom Wandel der Gefühlskultur“ anhand zahlreicher literarischer Werke von Heinrich von Kleist bis Botho Strauß. Denn die Scham ist eine der stärksten Antriebskräfte von Literatur. Wenn sich jemand schämt, begegnet er sich selbst. Und eine Selbstbegegnung ist eine der Voraussetzungen für Literatur. Ulrich Greiner behauptet: „Wir leben in einer Zeit des Schamverlustes und der Peinlichkeitsfurcht.“ Ulrich Greiner war zehn Jahre lang der Feuilletonchef der ZEIT. Als Gastprofessor lehrte er in Hamburg, Essen, Göttingen und St. Louis. Außerdem ist er Präsident der Freien Akademie der Künste in Hamburg.

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Die Moderne ist von einer sträfliche Selbstbezogenheit geprägt

Das Titelthema des neuen Philosophie Magazins 04/2014 heißt „Das Ich Syndrom. Bin ich der wichtigste Mensch in meinem Leben?“. Über 2.000 Jahre predigten die Philosophen und Weisen unserer Kultur, dass sich ein gutes Leben dadurch auszeichnet, möglichst wenig an sich selbst zu denken. Heute dagegen wird die ständige Sorge um das eigene Selbst zur Basis einer wahrhaft ethischen Existenz erklärt. Das Motto dabei lautet: „Ich zuerst!“. Laut Chefredakteur Wolfram Eilenberger leben die modernen Gesellschaften des Westens in einem Ich-Zeitalter, in einer Epoche , die das Ego zum Zentrum und Fundament aller Welterfahrung erklärte und dieses Ich darüber hinaus entschieden anspornte, sich zu erkunden, zu entwickeln und sich in seinen Sehnsüchten ernst zu nehmen. Schon seit dem Beginn der Neuzeit streiten Philosophen heftig ums „Ich“. Sollte es sich lieben oder doch eher verachten?

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Henri Lefebvre begibt sich auf eine Zeitreise durch die Modernität

Lange schon steht das „Moderne“ dem „Alten“ als Gegensatz gegenüber. Henri Lefebvre legt zur Frage „Was ist Modernität?“ eine Studie zur Geschichte der Bedeutungen des Begriffs „modern“ vor. Im Mittelalter hießen die gewählten und kooptierten Ratsmitglieder sowohl in den Städten mit Schöffenamt als auch in denen mit Konsuln die „Modernen“. Zur Unterscheidung nannten sich die, deren Mandat verfiel, die „Alten“. Im Begriff „Moderne“ waren laut Henri Lefebvre zwei Vorstellungen verschmolzen: die einer Erneuerung sowie die einer Regularität in der Erneuerung. Diese Vorstellung einer kreisläufigen Regelmäßigkeit im Wandel und einer Norm des Wandels tritt seiner Meinung nach jedoch bald in den Hintergrund. Der Terminus taucht nun in den verschiedensten Bereichen des gesellschaftlichen und politischen Lebens auf, vorab in der Kultur, allerdings durchweg mit einem polemischen Sinn behaftet.

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Die Menschen leben heute in einem Zeitalter des Konformismus

Die Gegenwart ist von einem Widerspruch geprägt: Auf der einen Seite gibt es einen zunehmenden Egoismus, gepaart mit dem Gedanken der Selbstverwirklichung. Auf der anderen Seite scheinen sich die Individualität und Einzigartigkeit der Menschen immer mehr aufzulösen. Dabei entwickelt sich die Teamfähigkeit zu einer immer bedeutenderen Kompetenz. Und wer nicht gut vernetzt ist, wird schnell als Außenseiter abgestempelt. Das 17. Philosophicum Lech beschäftigte sich unter anderem mit der Frage, wie sich Menschen in dieser widersprüchlichen Welt erleben und wie sie sich auf ihr Ich auswirkt. Daneben wurden auf folgende Fragen Antworten gesucht: Wie gestalten sich Beziehungen in virtuellen Netzen, was bedeutet es, wenn die virtuellen Netze enger, die realen sozialen Netze aber immer durchlässiger werden? Diesen Entwicklungen, ihren Vorgeschichten und Konsequenzen sind Soziologen, Philosophen sowie Kultur- und Naturwissenschaftler im Wintersportort Lech am Arlberg nachgegangen.

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Friedrich Nietzsche war der Terrorist unter den Philosophen

Friedrich Nietzsche (1844 – 1900) ist kein normaler Philosoph. Denn es gibt keinen anderen Denker, der sich weniger um Konsistenz in seinen Aussagen gekümmert, ja, mehr in Widersprüchen verstrickt hat. Mit seinem Werk kann man nahezu alles belegen. Aber nicht nur war Logik nicht seine Stärke, auch das Studium der Tradition, das Vittorio Hösle jedem Philosophen dringend empfiehlt, war bei Friedrich Nietzsche hauptsächlich durch die Sekundärliteratur seiner Zeit vermittelt. Vittorio Hösle erklärt: „Nietzsche ist als Philosoph und als Philosophiehistoriker gleichermaßen ein Dilettant, auch wen sein erst 1878 gefundener einzigartiger Stil von verführerischer Schönheit den Mangel an Argumenten und Evidenzen meist verdeckt.“ Seine Philosophie nicht besser durch den Größenwahn, mit dem er seinen Selbsthass zunehmend kompensierte. Vittorio Hösle ist Paul Kimball Professor of Arts and Letters an der University of Notre Dame (USA).

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Das Weltbild des Humanismus prägt die Zeit der Renaissance

Die geschichtliche Epoche der Renaissance wird in der Regel im 15. und 16. Jahrhundert angesiedelt. Aber diese Abgrenzung ist nicht ganz genau. Denn schon nach der Jahrtausendwende künden sich überall im Abendland Tendenzen der Erneuerung an, die im 13. Jahrhundert dann bestimmter werden. Historiker denken hier in erster Linie an die Blüte der provenzalischen und italienischen Dichtung, an die Entstehung der Formensprache der Gotik in Frankreich, an die Bewegung, die vom heiligen Franz von Assisi geprägt wurde und an dem nach der Art der Antike gestaltenden Charakter des Kaisertums Friedrichs II. Vorläufer des neuen Geistes der Renaissance finden sich in der italienischen Literatur des 14. Jahrhunderts, in den Werken eines Dantes, Petrarca oder Boccaccio, in den Bildwerken der Pisani und in der Malerei Giottos.

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Ludwig XIV. vertritt politisch die Idee der absoluten Monarchie

Wenn Historiker das 17. Jahrhundert als das Zeitalter Ludwig XIV. bezeichnen, bedeutet das nicht, dass andere Herrscher, die zu seinen Lebzeiten regierten, ein nur geringes Format besaßen. Es genügt schon, einzig und allein auf die außergewöhnliche Bedeutung hinzuweisen, die Frankreich und sein König während jener Epoche hatten. In Frankreich nennt man das 17. Jahrhundert auch gerne „Das große Jahrhundert“, weil die Handlungen des Sonnenkönigs und alles, was er politisch und zivilisatorisch in die Tat umsetzte, das Kennzeichen eines unbestreitbaren Willens zur Größe aufweist, der jedoch nicht nur ihn allein als individuelle Ausnahme beherrscht, sondern sich im europäischen Denken jener Zeit häufig wiederfindet. Diese Größe offenbart sich in der Politik der Gesellschaftsordnung, selbst in Handlungen des Alltags, in den Entwürfen der Gelehrten und Wissenschaftlern, der Philosophen und der Poeten sowie in den Schöpfungen der Architektur, der bildenden Kunst und der Musik.

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Günter Grass hat seinen Roman „Hundejahre“ neu illustriert

Vor fünfzig Jahren ist der Roman „Hundejahre“ des Literaturnobelpreisträgers Günter Grass erschienen. Jetzt hat der weltberühmte Autor davon eine Jubiläumsausgabe mit neuen bildnerischen Arbeiten dazu herausgebracht. Von seinen drei ersten Prosabüchern „Die Blechtrommel“, „Katz und Maus“ und „Hundejahre“ sind die „Hundejahre“ für Günter Grass das Buch, das ihm in seinem fragmentarischen Charakter am längsten beschäftigt und zeichnerisch immer wieder interessiert hat. Das hat vor allem damit zu tun, dass es ein sehr bildhafter Roman ist. Günter Grass fügt hinzu: „Als ich „Grimms Wörter“ fertig hatte – ich wechsle ja immer wieder das Handwerkszeug, wenn ich nach ein paar Jahren ein Prosabuch beendet habe –, war für mich der Zeitpunkt gekommen: Jetzt will ich die „Hundejahre“ illustrieren.“ Danach stellte sich für ihn nur noch die Frage der Technik.

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Rebekka Reinhard wirft einen philosophischen Blick auf die Mode

Seit David Beckham auf die merkwürdige Idee kam, mit einer übergroßen Wollmütze – in Fachkreisen auch Beanie genannt – herumzulaufen, ist in der Mode nichts mehr wie es war. Die Wollmütze ist für Rebekka Reinhard ein gutes Beispiel dafür, worum es heute in der Mode geht: „Oberstes Prinzip ist nicht mehr, wie zu Zeiten des Sonnenkönigs, die Eleganz, sondern die Neuheit.“ Eleganz und Kleidsamkeit haben ihre Bedeutung für das Modischen verloren. Nach gut dreihundertvierzig Jahren ist die Haute Couture fast ausgestorben. Der Mode geht es nicht mehr darum, dem Körper zu schmeicheln, indem sie aus einer Frau eine Dame und aus einem Mann einen Herren macht. Dr. Rebekka Reinhard studierte Philosophie, Amerikanistik und Italianistik und promovierte über amerikanische und französische Gegenwartsphilosophie. Zu ihren erfolgreichen Büchern zählen „Die Sinn-Diät“, „Odysseus oder Die Kunst des Irrens“ und „Würde Platon Prada tragen?“

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Es gibt Parallelen zwischen der Juli-Krise 1914 und der Gegenwart

Die Juli-Krise des Jahres 1914 jährt sich bald zum hundertsten Male. Es lohnt sich laut Dominik Geppert sie näher zu betrachten, auch wenn die Staaten der Gegenwart kaum noch etwas mit jener Welt der halbautokratischen Monarchien und Großmachtrivalitäten verbindet, die damals gleichsam unaufhaltsam dem Ersten Weltkrieg entgegentaumelten. Die Staaten Europas haben inzwischen dem Wettlauf der Aufrüstung ihrer Flotten und Heere abgeschworen. Der Glaube an den Krieg als ultimativer Test für die Standortbestimmung von Nationen in der internationalen Politik ist den europäischen Gesellschaften fremd geworden. Dominik Geppert fügt hinzu: „In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, so könnte man sagen, existierten die europäischen Staaten durch den Krieg und für den Krieg. In der zweiten Jahrhunderthälfte wurden sie durch und durch für den Frieden umgebildet.“ Dominik Geppert ist seit 2010 ordentlicher Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn.  

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In gewissen Epochen häufen sich die Chancen auf ein neues Leben

Jede Epoche hatte dies kostbarste aller Güter: das Bild des erhofften, begehrten, möglichen „Neuen Lebens“. Henri Lefebvre schreibt: „Für das Neue Leben war man imstande zu sterben, folglich auch zu töten.“ Gekennzeichnet ist die Suche nach einem Neuen Leben durch eine mehr oder minder radikale Kritik des Bestehenden sowie die gründliche Zurückweisung der bestehenden Ordnung. Denn das Neue Leben ist bereits da, in der Nähe, ist möglich, fast gegenwärtig, allerdings noch unterdrückt im Abseits und harrt dort des Augenblicks der Befreiung. Das innovative Dasein, das etwas zum Vorschein bringen soll, ist indes nur scheinbar neu. Es ist absolut, außerhalb der Zeit – ebenso alt wie neu. Es ist mit den Worten Henri Lefebvres gesprochen Wiederholung, Wiedergeburt, Rückkehr zum Verlorenen, Wiederherstellung des Unverstümmelten sowie Auferstehung.

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Für den Maler Théodore Géricault ist das Leben ein ewiger Kampf

Der französische Maler und Romantiker Théodore Géricault, der von 1991 bis 1824 lebte, hat eines der bedeutendsten Schlüsselbilder des 19. Jahrhundert gemalt: „Das Floß der Medusa“. Das Werk wird zu den größten Kunstwerken Frankreichs gezählt und gehört ohne Zweifel auch zu den meistbewunderten Gemälden der französischen Kunst. Es beeindruckt den Betrachter durch seine visionäre Malerei, die ins Kosmische und Endzeitliche vorzudringen scheint und durch den dramatischen Furor, mit dem im Bild Hoffnung und Verzweiflung aufeinanderprallen. Nicht nur in diesem berühmten Bild ist für den Maler Théodore Géricault das Leben ein ewiger Kampf, sondern generell eine einzige physische wie psychische Bedrohung. Körper, Geist und Psyche sind immer von Angriffen bedroht, von Schlägen des Schicksals, die schwere Traumata hinterlassen, ja zu langem Leiden oder zum plötzlichen Tode führen können.

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