Laut Hannah Arendt zählt die Wahrhaftigkeit niemals zu den politischen Tugenden, denn die Lüge gilt immer als erlaubtes Mittel in der Politik. Nicht alle haben dies so offen ausgesprochen wie Niccolò Machiavelli, der die Lüge für legitim hielt, wenn sie dem Machterhalt – das ist die böse Variante – oder dem Wohl des Volkes – das ist die gute Variante – diente. Konrad Paul Liessmann stellt fest: „Dass mit der Wahrheit in der Politik, in der es um Machtansprüche, um den Kampf zwischen Meinungen und Ideologien geht, wenig zu erreichen ist, mag ein Gemeinplatz sein. Dennoch überrascht es stets aufs Neue, mit welcher Verve ausgerechnet in diesem Feld Ehrlichkeit eingefordert und die Lüge als der große Sündenfall gebrandmarkt wird.“ Konrad Paul Liessmann ist Professor emeritus für Philosophie an der Universität Wien, Essayist, Literaturkritiker und Kulturpublizist.