Das Genie und die Lebenswut der Sylvia Plath

Schon zwei Jahre nach dem Tod von Sylvia Plath waren ihr Leben und ihre Dichtung zu einem schwer entschlüsselbaren Mythos verwoben. Nur eines ist klar, die Wut ist ein fester Bestandteil ihres Lebens, wie sie selbst in ihren Tagebüchern zugibt: „Eines kann ich sagen; Ja, ich will gelobt werden von der Welt und will Geld und Liebe und bin wütend auf alle, die weiter sind als ich, vor allem, wenn ich sie kenne und wenn sie ähnliche Erfahrungen gemacht haben wie ich.“ Keine vier Jahre später nachdem sie diese Sätze geschrieben hat, wird die inzwischen zweifache Mutter, die mit ihren Kindern allein in London lebt, in ihrer Küche den Gashahn aufdrehen und den Kopf in den Backofen stecken, um zu sterben.

Ein Dichterleben zwischen Anpassung und Eigensinn

Literaturkritiker bezeichnen die späte Lyrik der Sylvia Plath als schroff und großartig. Sie ist frei in der Behandlung von Rhythmus und Reim, aber behutsam emporgehoben aus ihrer soliden literarischen Bildung. Schon in Alter von nur zwanzig Jahren ist die Dichterin eine preisgekrönte Hoffnung, die ihre Kurzgeschichte „Sonntag bei den Mintons“ in der Zeitschrift „Mademoiselle“ veröffentlicht. Sie erhält ein Fulbright-Stipendium in Großbritannien. Sie arbeitet sehr viel, verfeinert ihren Schreibstil, entwirft Romane und schreibt Gedichte, die sie an verschiedene Zeitschriften schickt.

Die Werke von Sylvia Plath zeichnen sich durch eine durchdringende Beschreibung von Menschen und Atmosphären aus, verquickt mit der hohen Fähigkeit, für die Empfindungen und Wahrnehmungen der Menschen, neue oft spektakuläre Bilder zu entwerfen. Ihre Lyrik erscheint manchmal sonderbar, wenn sie das Gesuchte nur streift und ist das Ergebnis einer Entwicklung, die immer zwischen Anpassung und Eigensinn hin und her pendelt. Sie ist eine Getriebene, die sich zwar durchaus ihrer schriftstellerischen Genialität bewusst ist, aber sich durch hemmungslose Selbstkritik das Leben zur Hölle macht.

Das Gedicht „Rand“

Neben der Wut war der Neid ein weiteres zerstörerisches Element im Leben von Sylvia Plath. Sie beneidete die Männer um die Freiheit, die diese unbekümmert auslebten, die sie sich nicht nehmen konnte. Die Frauen beneidete sie um all das, was sie nicht war. Sylvia Plath schreibt: „Ich bin ich selbst, das ist nicht genug.“ Sie konnte ihre eigene Unvollkommenheit und die ihrer Umwelt nicht ertragen.

Kurz vor ihrem Tod schrieb sie eines ihrer besten Gedichte, das den Titel „Rand“ trägt. Es lautet:

„Die Frau ist vollendet.
Ihr toter
Körper trägt das Lächeln des Erreichten.
Der Anschein einer griechischen Notwendigkeit
Fließt in den Schnörkeln ihrer Toga.
Ihre bloßen
Füße scheinen zu sagen: Wir kamen bis
Hierher, es ist vorbei.
Jedes tote Kind eingerollt, eine weiße Schlange,
Eines um jeden kleinen
Milchkrug, nun leer.
Sie hat sie gefaltet
Zurück in ihren Körper, wie Blätter einer
Rose sich schließen wenn der Garten
Erstarrt und Düfte bluten
Aus den süßen tiefen Schlünden der Nachtblume.
Der Mond starrt aus seiner Knochenkapuze.

Er hat keinen Grund zur Trauer.
Er ist dergleichen gewohnt.
Seine schwarzen Hüllen knistern und schlurfen.“

Kurzbiographie: Sylvia Plath

Sylvia Plath wurde am 27. Oktober 1932 in Jamaica Plain, Massachusetts, geboren. 1950 begann sie ihr Studium mit einem Stipendium für Begabte am Smith College in Northampton, Massachusetts. Zwei Jahre später veröffentlichte Sylvia Plath ihre erste Erzählung. Im August 1953 versuchte sie zum ersten Mal sich das Leben zu nehmen. Drei Jahre später heiratet sie den Lyriker Ted Hughes.

Ab 1958 arbeitet Sylvia Plath als freie Schriftstellerin. Im Oktober 1960 erscheint ihr Gedichtsband „The Colossus“. Im Januar 1963 veröffentlich sie ihren Roman „Die Glasglocke“ unter dem Pseudonym Victoria Lucas. Zu ihren bekanntesten Werken zählen außerdem die Erzählungen „Die Bibel der Träume“, „Die Tagebücher“ sowie „Briefe nach Hause. 1950 – 1963. Am 11. Februar 1963 begeht Sylvia Plath in Primrose Hill, London, Selbstmord.

Von Hans Klumbies