Intelligenz war vor dem Homo sapiens auf der Welt

Intelligenz kam nicht erst mit dem Homo sapiens auf die Welt. In der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts stießen Paläontologen zum ersten Mal auf Fossilien von Homininen, also menschenartigen Wesen. Diese waren älter als eine Million Jahre und besaßen kleine Gehirne. Damit verwischte sich die bis dahin scharfe Grenze zwischen Mensch und Tier. Stefan Klein erläutert: „Man versuchte sie neu zu definieren, indem man erklärte, Menschen zeichneten sich durch ihre Gabe aus, Werkzeuge zu benutzen.“ Um diese Behauptung zu prüfen, beauftragte der Fossilienjäger Louis Leakey eine junge Frau in den Urwald zu gehen, um Tiere zu beobachten. Jane Goodall erwies sich als überragende Verhaltensforscherin. Stefan Klein zählt zu den erfolgreichsten Wissenschaftsautoren der deutschen Sprache. Er studierte Physik und analytische Philosophie in München, Grenoble und Freiburg.

Viele Tiere benutzen Werkzeuge

Schon 1964 filmte Jane Goodall in Tansania, wie Schimpansen Stöcke einsetzen, um Termiten zu jagen. Als sie Louis Leakey aufgeregt von ihrer Entdeckung telegrafierte, antwortete dieser: „Wir müssen nun neu festlegen, was ein Mensch ist … oder Schimpansen als Menschen akzeptieren.“ Heute sind viele Beispiele für den Werkzeuggebrauch bei Tieren bekannt. Gorillas verwenden beispielsweise Stöcke als Krücken, wenn sie Flüsse durchqueren. Orang-Utans gebrauchen Blätter als Handschuhe auf der Suche nach Früchten in Dornengestrüpp.

Kapuzineraffen graben mit flachen Steinen nach essbaren Wurzeln. Elefanten klemmen sich belaubte Zweige in den Rüssel und vertreiben so Fliegen. Delfine stülpen sich Schwämme über die Schnauze, um sich beim Stöbern auf steinigem Grund vor Verletzungen zu schützen. Und selbst weniger hoch entwickelten Tiere behelfen sich mit Instrumenten. Krokodile balancieren zum Beispiel Zweige auf der Schnauze, um Vögel zu schnappen, die nach Nistmaterial suchen. Oktopusse legen sich Muscheln als Verstecke zurecht.

Kreativität sorgt für überraschende Lösungen

Stefan Klein ergänzt: „Eine der schönsten Beobachtungen dieser Art stammt ebenfalls von Jane Goodall. Sie beschreibt den rasanten Aufstieg eines jungen Schimpansen, den sie Mike nannte, zum Anführer der Horde.“ Bemerkenswert erschien Mikes Karriere, weil normalerweise viel ältere Männchen die Alpha-Rolle einnehmen. Noch erstaunlicher war, wie Mike seinen Weg gemacht hatte. Er errang seine Position ohne einen einzigen Kampf, sondern dank eines brillanten Einfalls.

Mike hatte zwei leere Benzinkanister entdeckt, sich ihrer bemächtigt und gelernt, die Blechbehälter mit solchem Karacho gegeneinanderzuschlagen, dass jeder Gegner Reißaus nahm. Stefan Klein weiß: „Kreativität nennt man die Fähigkeit, neue, überraschende und wertvolle Lösungen zu finden. Jedes einzelne der gerade genannten Verhalten entspricht dieser weithin anerkannten Definition: Kreativität ist kein Alleinstellungsmerkmal von Menschen.“ Auch Tiere sind kreativ. Und dabei müssen sie nicht einmal über ein im Verhältnis zu ihrem Körper großes Gehirn verfügen.“ Quelle: „Wie wir die Welt verändern“ von Stefan Klein

Von Hans Klumbies