Nur Sklaven suchen ihren Lebenssinn in der Arbeit

Das neue Philosophie Magazin 06/2015 beschäftigt sich im Titelthema mit der Frage: „Macht meine Arbeit noch Sinn?“ Diese Frage scheint heut für viele drängender denn je zu sein, obwohl sie historisch gesehen relativ neu ist. Fragen nach dem Sinn der Arbeit tauchen allerdings erst dann auf, wenn die Fragen der Würde geklärt sind. Für Sigmund Freud ist nicht nur der soziale Wert ausschlaggebend für ein befriedigendes Arbeiten, sondern auch die Übersetzbarkeit bestehender und mitunter höchst selbstbezogener Triebregungen in die jeweilige Tätigkeit. Das heißt, nicht jeder Mensch findet sein Glück als humanitäre Kraft, auf welchem Gebiet auch immer. Vielmehr gibt es auch solche Menschen, die Konkurrenzdruck und einen ständigen Kampf um Macht brauchen, um in der Arbeit aufzugehen. Der Philosoph und Kulturkritiker Byung-Chul Han behauptet dagegen: „Wer seinen Lebenssinn in der Arbeit sucht, gibt sich damit bereits als Sklave unseres Zeitalters zu erkennen.“

Einige Menschen optimieren sich zu Tode

Byung-Chul Han sagt: „In der heutigen Arbeits- und Leistungsgesellschaft, die Züge einer Zwangsgesellschaft aufweist, führt jeder ein Lager, ein Arbeitslager mit sich. Die Besonderheit dieses Arbeitslagers ist, dass man zugleich Insasse und Aufseher, Opfer und Täter, Herr und Knecht ist. Wir beuten uns selber aus.“ Letzteres geschieht in dem Glauben der Selbstverwirklichung. Dabei optimieren sich allerdings einige zu Tode. Die heutige Generation lebt in einer Phase, in der selbst die Freiheit Zwänge hervorruft.

In der Rubrik „Horizonte“ führen Valérie Toranian und Marin de Viry ein Gespräch über die Angst in einer sinnlosen Welt mit dem französischen Starautor Michel Houellebecq. Der Schriftsteller sagt: „Die Welt kann nichts für dich tun, du nicht für die Welt.“ Frauen haben in den Romanen von Michel Houellebecq einen starken Willen, sie entscheiden über alles: wann eine Beziehung beginnt, wann sie endet, ob sie ein Kind haben wollen oder nicht. Der Mann ist dabei seltsam unbeteiligt. Es gibt eine Art Ohnmacht aus männlicher Sicht, die Michel Houellebecq verwirrend findet.

Der Liebeswahn wird stets durch die Sprache gelebt

Für den Philosophen Luciano Floridi ist es nur die Spitze des Eisbergs, dass Facebook seine Benutzerdaten für wissenschaftliche Experimente gebraucht. Im Kern geht es seiner Meinung darum, dass Unternehmen wie Google, Apple, Facebook oder Amazon die alltägliche Erfahrung von Hunderten Millionen Menschen kontrollieren können. Sie haben damit auch die Macht, wesentliche Entscheidungsprozesse ihrer Nutzer zu beeinflussen. Das Gespräch mit Luciano Floridi führten Chefredakteur Wolfram Eilenberger und Frederike Kaltheuner.

In der Rubrik „Klassiker“ geht es diesmal um den Philosophen Roland Barthes und seine Sprache der Liebe. Lieben ist für ihn die einzigartigste und innigste Erfahrung, die Menschen in ihrem Leben machen dürfen. Jeder Liebende glaubt, dass niemand vor ihm Ähnliches empfunden hat. Laut Roland Barthes ist das eine einzige Illusion. Denn von der ersten Begegnung bis zur Liebeserklärung durchläuft jede Liebesbeziehung zwangsläufig bestimmten Figuren, mit denen die Leidenschaft erzählt, erklärt und hinterfragt wird. Der Liebeswahn wird stets durch die Sprache gelebt.

Von Hans Klumbies