Der große deutsche Schriftsteller Siegfried Lenz, der am 7. Oktober 2014 im Alter von 88 Jahren gestorben ist, hatte sich die Haltung des französischen Existentialisten, Philosophen und Literaturnobelpreisträgers Albert Camus (1913 – 1960) zu eigen gemacht: „Du musst dein Leben rechtfertigen.“ Verpflichtung und Antrieb für Siegfried Lenz waren, wie der bekannte, auch Schuldgefühle, nämlich den Zweiten Weltkrieg überlebt zu haben, während viele Altersgenossen auf den Schlachtfeldern bestialisch getötet wurden. Neben den Literaturnobelpreisträgern Günter Grass und Heinrich Böll zählte Siegfried Lenz zu den prägenden Schriftstellern der Nachkriegszeit. Die eigenen Erlebnisse im Dritten Reich und das als Marinesoldat erlebte Leid blieben ihm Zeit seines Lebens ein Quell seiner schriftstellerischen Arbeit und für sein politisches Zeugnis. Zu den Herzensanliegen des gebürtigen Ostpreußen gehörten die Versöhnung mit Israel und Polen.
Ein Schriftsteller kann seinen Lesern nur Angebote machen
In Deutschland ging es Siegfried Lenz in erster Linie um Demokratiefähigkeit, um Toleranz und die Fähigkeit der Menschen, zu einem eigenen Urteil zu gelangen, wobei er der Literatur nur eine begrenzte Bedeutung zumaß. Siegfried Lenz meinte: „Der Schriftsteller ist eine Ein-Mann-Partei, der dem Leser nur Angebote machen kann.“ Siegfried Lenz kam im Alter von 17 Jahren, gleich nach dem Notabitur, zur Kriegsmarine. Er war, wie er später berichtete, anfangs noch begeistert. Erst das Attentat auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944 lässt bei ihm Zweifel aufkommen.
Das menschliche Leid, das er als Marinesoldat erlebte, veränderte Siegfried Lenz: „Ich musste die Tode anerkennen, die Verzweiflung der Flüchtlingstrecks, die Schiffstragödien.“ In den letzten Kriegswochen kommt Siegfried Lenz nach Dänemark. Nach einer Hinrichtung desertiert er mit zwei Kameraden und überlebt den Krieg mit der Hilfe dänischer Bauern in den Wäldern. Nach englischer Kriegsgefangenschaft, beginnt Siegfried Lenz ein Lehrerstudium, das er allerdings 1948 abbricht, um Journalist zu werden.
Der Roman „Deutschstunde“ wird ein Welterfolg
Ab dem Jahr 1951 arbeitet Siegfried Lenz als freier Schriftsteller in Hamburg. Einen Welterfolg hatte er dann im Jahr 1968 mit dem Roman „Deutschstunde“. Darin geht es um einen Konflikt zwischen Vater und Sohn, stellvertretend für die Kriegsgeneration und die rebellierende Folgegeneration – sowie um die fatalen Folgen eines unkritischen Pflichtbewusstseins. Generell war die Auseinandersetzung mit dem Pflichtbegriff eines der zentralen Themen im Werk von Siegfried Lenz, so beispielsweise auch in der Erzählung „Ein Kriegsende“.
Kritik, thematisch zu eingeschränkt zu sein, begegnete der Schriftsteller folgendermaßen: „Jeder Autor hat einen begrenzten Konflikthaushalt, und es ist erforderlich, dass man ihn darstellt und ihm die Treue hält ein Leben lang.“ Noch im Jahr 2008 gelang Siegfried Lenz mit der Liebesnovelle „Schweigeminute“ ein vielfach übersetzter Bestseller. Insgesamt verkaufte er 25 Millionen Bücher, die in über 20 Sprachen übersetzt wurden. Sein persönliches Archiv wird im Literaturarchiv Marbach ausgewertet. Quelle: Passauer Neue Presse
Von Hans Klumbies