Die Entdeckung einer Affäre ist eine Katastrophe

Gäbe es eine Richterskala für emotionale Erdbeben, würde die Entdeckung einer Affäre am obersten Ende der Skala rangieren. Manche Menschen erholen sich schnell, doch die Mehrheit fühlt sich, als wären sie an einem vermeintlich erdbebensicheren Ort von einer seismischen Katastrophe überrascht worden. Shirley P. Glass betont: „Sie sind in keinster Weise auf die Erschütterung vorbereitet, die ihnen den Boden unter den Füßen wegzieht und ihr häusliches Leben zerstört. In den ersten Minuten und Stunden nach der Enthüllung eines Betrugs sind die Gefühle außer Kontrolle.“ In den unmittelbar folgenden Tagen und Wochen werden sowohl der betrogene als auch der untreue Partner und der oder die Geliebte von Gefühlen enormen Verlusts überwältigt. Dr. phil. Shirley P. Glass war niedergelassene Psychologin und Familientherapeutin. Sie starb im Jahr 2003 im Alter von 67 Jahren an einer Krebserkrankung.

Der betrogene Partner ist traumatisiert

Der verletzte Partner hat das positive Bild seines oder ihres Lebenspartners und die Gewissheit einer sicheren, festen Beziehung verloren. Der beteiligte Partner hat sein oder ihr gemeines Liebesnest verloren und läuft Gefahr, darüber hinaus möglicherweise auch noch Ehe und Familie zu verlieren. Der oder die Geliebte hat den romantischen Kokon verloren und in der Regel damit auch den Traum, mit dem oder der Liebsten für immer zusammenzuleben. Allen dreien geht es in unterschiedlicher Weise sehr schlecht.

Da aber hintergangen worden zu sein nicht dasselbe ist wie zu hintergehen, ist der betrogene Partner derjenige, der traumatisiert ist und sich nicht vorstellen kann, wie er oder sie sich jemals davon erholen soll. Selbst wenn man der Meinung ist, für schlechte Neuigkeiten gerüstet zu sein, löst das Hören des Schlimmsten einen Adrenalinschub aus, der eine körperliche Stressreaktion zur Folge hat. Shirley P. Glass ergänzt: „Sämtliche körperliche Systeme sind aufgerüttelt und bleiben es auch über eine ziemlich lange Zeitspanne hinweg.“

Tötungsphantasien richten sich in der Regel gegen den Liebhaber

Die Haut prickelt, die Muskeln spannen sich an und alles ist in höchster Alarmbereitschaft. Der Körper reagiert, als ob jede gedämpfte Stimme oder jedes Telefonklingeln Gefahr verhieße, und versetzt die Betrogenen in die Bereitschaft zu flüchten oder zu kämpfen, als ob ihr Leben davon abhinge. In einer klinischen Studie von Shirley P. Glass waren 24 Prozent der betrogenen Partner, die von der Untreue erfahren hatten, zutiefst verängstigt. Bei weiteren 18 Prozent grenzte die Angst sogar an Panik. 30 Prozent der Betrogenen wiesen Symptome einer klinischen Depression auf.

Etwas an die Wand zu werfen oder die Fäuste zu ballen, ist nach der Entdeckung einer Affäre nicht ungewöhnlich. Wütende Gesten können eine Möglichkeit sein, die Wut auszudrücken, ohne körperlich ausfallend zu werden. Jede Art von Gewaltandrohung muss man aber ernst nehmen. Wer körperliche Angriffe befürchtet oder ihnen ausgesetzt ist, braucht einen Notfallplan oder muss die Polizei einschalten. Tötungsphantasien des betrogenen Partners richten sich dabei in der Regel eher gegen den Liebhaber als gegen den untreuen Partner. Quelle: „Die Psychologie der Untreue“ von Shirley P. Glass

Von Hans Klumbies

Schreibe einen Kommentar