Die Menschheit kann die Zivilisation nicht mehr aufrechterhalten

Das Hyperwachstum auf der Erde stößt an die Grenzen der endlichen Biosphäre. Die Regenerationsfähigkeit des Planeten hält nicht mehr mit dem Bedarf Schritt. Serge Latouche kritisiert: „Der Mensch verwandelt die Ressourcen schneller in Abfall, als die Natur diesen Abfall wieder in neue Ressourcen umwandeln kann.“ Die Fläche des Planeten Erde ist begrenzt. Sie umfasst rund 51 Milliarden Hektar beziehungsweise 510 Millionen Quadratkilometer. Die für die Reproduktion der Menschen nutzbare Fläche macht lediglich einen Bruchteil dessen aus, nämlich etwa 17 Milliarden Hektar. Das ergibt nach dem heutigen Stand der Weltbevölkerung circa 1,6 Hektar pro Kopf. Serge Latouche ist ein französischer Ökonom und Philosoph, Professor a.D. der Universität Paris-XI und gilt als einer der Vertreter des Konzepts der Rücknahme des Wirtschaftswachstums.

Ein Deutscher verbraucht 80 Tonnen Rohstoffe pro Jahr

Berücksichtigt man auch den Bedarf an Material und Energie und die für die Aufnahme von Abfällen und Nebenprodukten von Herstellung und Konsum notwendigen Flächen und fügt man dem noch die Fläche für die Unterkunft der Menschen und die Infrastruktur hinzu, beträgt laut Forschern des kalifornischen Instituts Redifinding Progress und des World Wide Fund for Nature (WWF) der aktuelle durchschnittliche Flächenbedarf 2,7 Hektar pro Kopf. Serge Latouche zieht daraus folgenden Schluss: „Damit hat die Menschheit bereits den Punkt überschritten, bis zu dem die Zivilisation in ihrer jetzigen Form aufrechterhalten werden kann.

Die Menschheit lebt ohne Zweifel schon heute auf Kredit. Außerdem verbergen sich in dem Durchschnittswert enorme Unterschiede. Ein Bürger der USA beansprucht knapp 10 Hektar, ein Franzose 5,3 und ein Italiener 3,8 Hektar. Allein daraus folgt, dass die Menschheit sehr weit von einer gerechten Verteilung der bioproduktiven Fläche entfernt ist. Jeder Amerikaner verbraucht pro Jahr etwa 90 Tonnen verschiedene Rohstoffe, ein Deutscher 80, ein Italiener 50. Serge Latouche fasst dies mit anderen Worten zusammen: „Die Nutzung der Biosphäre durch den Menschen übersteigt deren Regenerationsfähigkeit bereits um fast 30 Prozent.“

Die Menschheit verprasst ihr Erbe

Wenn die ganze Welt leben würde wie die Europäer, benötigte die Menschheit drei Planeten – würden alle dem american way of life folgen, sogar sechs. Zwei Phänomene sind laut Serge Latouche dafür verantwortlich. Zum einen begnügt sich die Menschheit nicht damit, von ihrem Einkommen zu leben, sondern sie verprasst ihr Erbe: „Wir verbrennen in Jahrzehnten, was der Planet im Lauf von Millionen Jahren akkumuliert hat. Unser jährlicher Kohle- und Ölverbrauch verschlingt eine unter der Erdkruste angehäufte Biomasse, die sich im Lauf von 100.000 Jahren durch Photosynthese gebildet hat.“

Zum anderen erhalten die Menschen im Norden massive Hilfe von den Ländern des Südens. In den meisten Ländern Afrikas nutzen die Menschen weniger als 0,2 Hektar bioproduktiver Fläche, also ein Zehntel dessen, was auf dem übrigen Planeten üblich ist, versorgen den Norden aber dennoch mit Futter für das Vieh. So muss beispielsweise ein Hektar Wald gerodet werden, um eine Tonne gepresstes Sojafutter für Rinder herzustellen. Wenn die Menschheit bis 2050 nicht eine andere Richtung einschlägt, werden die ökologischen Schulden, das heißt die Summe der Defizite, 34 Jahren biologischer Produktivität des gesamten Planeten entsprechen. Quelle: „Es reicht!“ von Serge Latouche

Von Hans Klumbies