Serge Latouche fordert den Ausstieg aus der Arbeitsgesellschaft

Eine drastische Senkung der Arbeitszeit ist für Serge Latouche der beste Schutz vor Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit. Das Recht auf Arbeit muss dabei nicht nur erhalten bleiben, sondern sogar gestärkt werden. Es kann die unerlässliche Rücknahme des Wachstums zur erleichtern. Serge Latouche ergänzt: „Mindestlöhne in vernünftiger Höhe sind vonnöten, um die falsche Theorie mancher Ökonomen von der freiwilligen Arbeitslosigkeit auszuhebeln.“ Zudem ist es dringend geboten, der Arbeit ihren Charakter als Ware zu nehmen. Der derzeitige Trend zum „Sozialdumping“ ist ebenso inakzeptabel wie der zum „Ökologiedumping“. Die meisten Angestellten erleben keineswegs das Ende der Arbeit, wie es die sinkenden Wochenarbeitszeiten vermuten lassen sollte. Serge Latouche ist ein französischer Ökonom und Philosoph, Professor a.D. der Universität Paris-XI und gilt als einer der Vertreter des Konzepts der Rücknahme des Wirtschaftswachstums.

Den Menschen muss mehr freie Zeit gelassen werden

Ganz im Gegenteil: Viele Menschen erleben vielmehr Arbeit ohne Ende, Arbeitslosigkeit, Isolation, Stress, Angst und die Gewissheit, ihren Arbeitsplatz über kurz oder lang zu verlieren. Die Reduktion der Arbeitszeit und die Veränderung ihres Inhalts sind vor allem Entscheidungen der Gesellschaft und im Rahmen einer durch die Rücknahme des Wachstums eingeleiteten kulturellen Revolution zu sehen. Den Menschen mehr freie Zeit zu lassen und es ihnen zu ermöglichen, sich in der Politik, im Privatleben, in der Kunst oder auch beim Spiel und Kontemplation zu entfalten, ist die Voraussetzung für eine neue Art des Reichtums.

Serge Latouche erklärt: „Die entscheidende Frage ist also nicht die genaue Zahl der nötigen Arbeitsstunden, sondern die Bedeutung der Arbeit als „Wert“ in unserer Gesellschaft. Zu einer Gesellschaft, die das Wachstum zurücknimmt gehört sowohl eine quantitative als auch eine qualitative Veränderung der Arbeit. Weniger und anders arbeiten kann bedeuten, wieder Freude am Müßiggang zu finden oder den verloren gegangenen Überfluss der Jäger und Sammler wiederzufinden.

Die Freizeit ist vom Warencharakter geprägt

Zu den drei Funktionen des Müßiggangs zählen Entspannung, Abwechslung und die Entwicklung der Persönlichkeit. Dabei muss man von der Vorstellung eines autonomen Subjekts ausgehen. Wenn es nicht gelingt dem Leben seinen Zauber zurückzugeben, dann ist auch die Rücknahme des Wachstums zum Scheitern verursacht. Solange sich der Charakter der Lohnarbeit nicht ändert, wird die arbeitende Klasse nicht die Fähigkeit zum Müßiggang besitzen, das heißt, die objektiven und subjektiven Möglichkeiten, die Freizeit mit autonomen Aktivitäten zu füllen.

Unter den gegenwärtigen Bedingungen bleibt auch die Freizeit der Ökonomie unterworfen. Serge Latouche kritisiert: „Die Menschen verwenden den größten Teil ihrer Freizeit nicht dazu, sich ihr eigenes Leben zurückzuerobern oder aus dem herrschenden Konsummodell auszubrechen.“ Vielmehr gehen sie Aktivitäten nach, die selbst wiederum vom Warencharakter geprägt sind und es dem Konsumenten nicht ermöglichen, sich auf den Weg der Eigenproduktion zu machen. Auch der Freizeitbereich professionalisiert und industrialisiert sich immer mehr. Quelle: „Es reicht!“ von Serge Latouche

Von Hans Klumbies