Es würde die Marktwirtschaft wie die Demokratie beschädigen, starrköpfig die derzeitige Umwelt- und Klimapolitik der Selbsttäuschung fortzuführen. Die Erderwärmung zu drosseln, erfordere „beispiellose Veränderungen in sämtlichen Bereichen der Gesellschaft“, einen Wandel auch „in menschlichem Verhalten und Lebensstilen“ so die wachrüttelnde Botschaft des Weltklimarats Intergovernmental Panel on Climate Chance (IPCC). Roger de Weck betont: „Demokratie ist die einzige Staatsform, in der sich Bürgerinnen und Bürger letztlich selbst Gebote und Verbote auferlegen können. Und diese neue Herausforderung spricht nicht etwa für weniger, sondern für mehr Demokratie.“ Nicht selten dient China als Beispiel dafür, wie rasch eine Diktatur Maßnahmen zum Schutz der Umwelt treffen könne. Aber: Nur in einer diktatorischen Volksrepublik konnte das Regime die Umweltzerstörung zuvor dermaßen auf die Spitze treiben. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom.
In China ist 20 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche verseucht
Laut dem World Wide Fund For Nature (WWF) sind in China „60 bis 80 Prozent des Grundwassers stark verschmutzt und nicht trinkbar, ein Drittel der vielen Flüsse und Seen ist so schmutzig, dass sie für Menschen nicht mehr nutzbar sind“. Roger de Weck ergänzt: „Ein Fünftel der landwirtschaftlichen Nutzfläche ist verseucht. Das Abfallwesen ist desaströs. Namentlich in nördlichen Regionen ist viel dicke Luft, die Verschmutzung übersteigt die Grenzwerte der Weltgesundheitsorganisation WHO um ein Vielfaches.“
China setzt nach wie vor auf den Ausbau der Atomenergie. Und manche Region beachtet nur dann die mittlerweile strengen Umweltgesetze, wenn Beijing wieder einmal droht. Roger de Weck stellt fest: „Die Kommunistische Partei (KP) handelte erst, als die Spitzen der Nomenklatura in ihrer Lebensqualität litten. Nicht uneigennützig griffen sie zuallererst in der Hauptstadt durch, die zur Kapitale des Smogs geworden war. So konnte es nicht weitergehen: Die Schnellmaßnahmen kamen langsam.“
Gewaltherrscher denken nur an sich
Die Politik kennt viele wohlgesinnte Demokraten, aber keine wohlmeinenden Diktatoren. Roger de Weck erklärt: „Gewaltherrscher denken an sich und die Sicherung ihrer Macht, danach erst an alles andere einschließlich der Umwelt.“ Eine Ökodiktatur wäre mehr Diktatur als öko. Ökokratie ist eine Illusion. Hinter den Schwächen der Demokratie liegen oft auch Stärken. In den Weltkriegen des 20. Jahrhunderts haben ihre Gegner das zu ihrer Überraschung erfahren.
Eine gute Demokratie wirkt nämlich als brummende Kompromissmaschine, deren größere Zahnräder das Parlament, die Regierung und die Justiz sind. Roger de Weck fügt hinzu: „Dank des Föderalismus greifen die kleineren Zahnräder in Bundesländern und Gemeinden. Die Bürgerinnen und Bürger sind die Triebfeder. Bei den Wahlen updaten sie die Chips, die diese Mechanik steuern.“ Sozialpartnerschaft und Mitbestimmung speisen Öl ins Getriebe. Medien sichern die Betriebstemperatur, ihre Sensoren schlagen schnell Alarm. Der Rechtstaat ist das Gehäuse. Quelle: „Die Kraft der Demokratie“ von Roger de Weck
Von Hans Klumbies