Eine Wiedergeburt der Menschlichkeit ist auch heutzutage möglich

Richard David Precht skizziert in seinem neunen Buch „Jäger, Hirten, Kritiker“ das Bild einer wünschenswerten Zukunft im digitalen Zeitalter und stellt die Frage, ob das Ende der Arbeit, wie sie bis heute die Regel war, überhaupt einen Verlust darstellt. Der Autor entwirft dabei eine humane Zukunft, in deren Mittelpunkt nicht die Technik steht, sondern der Mensch. Richard David Precht schreibt: „Wir stehen heute, im Jahr 2018, vor einem Epochenumbruch. Die „Automation“, lang ersehnt, könnte nun zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit ein erfülltes Leben ohne Lohnarbeit für sehr viele ermöglichen.“ Was lockt, ist ein Leben in selbstbestimmten Tun ohne Entfremdung, ohne Konditionierung und Eintönigkeit. Der Philosoph, Publizist und Bestsellerautor Richard David Precht zählt zu den profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

Politik und Utopie scheinen heute unvereinbar

Leider erscheint diese Vorstellung einer solch lebenswerten Zukunft für viele Menschen in Europa, insbesondere in Deutschland, als bizarr. Utopie und Resignation, Menschheitsversprechen und Menschheitsversagen liegen für Richard David Precht heute wieder so nahe beieinander wie im späten Mittelalter. Und gerade diese Gleichzeitigkeit war, wie man heute weiß, der Anfang eines Neuen, einer Wiedergeburt der Menschlichkeit, der Renaissance. Heute befindet sich die Menschheit wieder an einem solchen Wendepunkt.

Das Verhängnis abwenden kann aber nur, wer an die Chance dazu glaubt; wenn man ausbricht aus der vermeintlichen Logik von Sachzwängen und Alternativlosigkeit, aus dem Kleinmut und dem verheerenden Wunsch, von allen gemocht zu werden. Politik und Utopie scheinen heute laut Richard David Precht so unvereinbar, als gehörten sie nicht zusammen: „Doch nur zu wissen, was man nicht will, führt im Leben nicht weiter und die Gesellschaft ins Verderben.“ Mit seinem Buch möchte der Autor auch einen Beitrag dazu leisten, aus dem Fatalismus des unweigerlichen Werdens aus- und zu einem Optimismus des Wollens und Gestaltens aufzubrechen.

Pessimismus ist keine Lösung!

Außerdem möchte Richard David Precht zeigen, dass das Heil niemals in der Technik selbst liegt, wie viele Geeks im Silicon Valley glauben, sondern in der Art und Weise, wie man mit ihr umgeht, ihre Möglichkeiten nutzt und ihre Gefahren rechtzeitig in die Schranken weist. Ökonomie ohne Kultur ist inhuman. Dabei definiert sich Kultur eine Frage von Orientierungen über das, was das Leben lebenswert macht. Die digitale Zukunft wird nur dann segensreich sein, wenn sie das Dasein auf der Erde für so viele Menschen wie möglich tatsächlich erfüllter und befriedigender macht.

Wenn eine Gesellschaft der Jäger, Hirten und Kritiker der Zukunft nicht ihre letzte Ahnung von der Natur verliert, wenn sie mit der List ihrer Technologien die Natur nicht zerstört, sondern bewahrt, wenn die Technik ihr gar hilft, die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen zu verringern, und mehr Zeit dafür schafft, sie zu schützen – dann hätte sie dem Menschen ihren größten Dienst getan. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass das gelingt, nicht sehr groß ist, hat Richard David Precht seinen Optimismus nicht verloren und schließt sein Buch mit folgenden Sätzen ab: „Ein Optimist jedoch, dessen Erwartungen sich nicht erfüllen, hat allemal ein sinnvolleres Leben geführt als ein Pessimist, der sich bestätigt sieht. Pessimismus ist keine Lösung!“

Jäger, Hirten, Kritiker
Richard David Precht
Verlag: Goldmann
Gebundene Ausgabe: 282 Seiten, Auflage: 2018
ISBN: 978-3-442-31501-7, 20,00 Euro

Von Hans Klumbies