Der Bürger muss dem Staat vertrauen können

Dass Staaten stark von ökonomischen Interessen dominiert werden, ist kein neues Phänomen. Im England des späten 18. Jahrhunderts bis tief ins 19. Jahrhundert war dies nicht anders. Richard David Precht stellt fest: „Neu ist allerdings, dass die mit Abstand mächtigsten Großunternehmen keine nationalen Unternehmen mehr sind.“ In einer solchen Lage stellt sich die Frage nach dem Staat und den Bürgern anders als in den vergangenen Jahrzehnten. Was halten sie in Zukunft zusammen? Wie achtet der Bürger den Staat? Und wie schützt der Staat den Bürger? Die Fragen bedingen einander, denn das entscheidende Wort heißt „Vertrauen“. Vertrauen die Menschen dem Staat, dass er sie vor skrupellosen Geschäftsinteressen schützt?“ Der Philosoph, Publizist und Autor Richard David Precht zählt zu den profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

Die Bindung an den Staat ist geringer geworden

Und vertrauen die Bürger dem Staat zugleich, dass er sie nicht selbst über den notwendigen Staatsschutz hinaus ausspioniert? Richard David Precht erläutert: „Nur wenn wir dem Staat in beiden Hinsichten vertrauen können, werden wir ihn auch entsprechend respektieren.“ In den letzten Jahrzehnten ist die Bindung an den Staat stets geringer geworden. Insbesondere trifft das auf die Parteien zu, welche die staatsbürgerliche Willensentscheidung mit verantworten sollen.

Stattdessen übertragen viele Menschen die gleiche Haltung, die sie als Konsumenten haben, an den Staat. Sie fragen: „Was bringt mir das?“ Oder: „Welchen Vorteil habe ich davon?“ Und was die großen Fragen der Zeit anbelangt, so erwarten sie, ganz im Geiste der Technik, Lösungen. So soll beispielsweise der Staat das Flüchtlingsproblem lösen. Am besten dadurch, dass man, ganz mathematisch, eine Zahl als Obergrenze definiert. Das Gleiche gilt für das Umweltproblem und das Gerechtigkeitsproblem.

Viele Menschen träumen von einer smarten Stadt

Wer von der Politik in erster Linie Lebenskomfort und Lösungen für Probleme erwartet, hat sich aus dem politischen Denken weitgehend verabschiedet. Und genau hier liegt für Richard David Precht die Einflugschneise für sozialtechnische Lösungen. Zu verhindern, dass Menschen kriminell werden, ist ein schwieriger und langwieriger Prozess. Die Idee der smarten Stadt verführt viele zum Träumen. Die Vernetzung der Menschen und der Dinge soll die Wirtschaft effektiver machen. Zudem soll sie tausend neue Geschäftsideen aus dem Boden sprießen lassen.

Ein anderer Weg besteht darin, sich von der Europäischen Union (EU) fördern zu lassen und beispielsweise mit Universitäten zusammenzuarbeiten, etwa in Berlin, Wien oder Barcelona. Die zentrale Frage bei solchen Projekten ist allerdings immer: Wer bestimmt eigentlich darüber, wie smart eine Stadt werden soll und in welchen Bereichen? Nicht Politiker oder Technologieunternehmen, sondern die Menschen selbst sollten in ihren jeweiligen Stadtquartieren darüber entscheiden können, wie die technische Infrastruktur ihres Viertels aussehen soll. Quelle: „Jäger, Hirten, Kritiker“ von Richard David Precht

Von Hans Klumbies