Viele Menschen meiden Anstrengungen

Das menschliche Leben ist nicht auf Abkürzungen programmiert. Wer Umwege geht, so heißt es, sieht mehr von der Landschaft. Und „das Schicksal erkennt man“, wie der österreichische Dichter Radek Knapp so schön sagt, „an seiner Undurchschaubarkeit“. Richard David Precht stellt fest: „Mag sein, dass viele Menschen oft den bequemsten Weg suchen. Doch andere besteigen in ihrer Freizeit Berge, kämpfen sich durch den Regenwald oder bestreiten Marathonläufe.“ Und sicher, häufig sucht man das, was einem ein schnelles Vergnügen bereitet, und meidet das, was Anstrengungen und Mühe kostet. Doch Wert und Sinn misst ein Mensch oft genau den Tätigkeiten und Erfahrungen bei, die gerade nicht mühelos waren. Der Philosoph, Publizist und Bestsellerautor Richard David Precht zählt zu den profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

Die Unübersichtlichkeit weckt Entdeckerfreude

Dass der beste Weg nicht zwingend der kürzeste oder effektivste ist, ist eine wichtige Maxime. Sie bewahrt einen Menschen im digitalen Zeitalter vor schlechten Erfahrungen. Denn die Gesellschaft und die Wirtschaft werden durch all die technischen Möglichkeiten gleichsam bombardiert mit neuen Abkürzungen. Sie versprechen die maximale Steigerung der Effizienz, die beste Selbstkontrolle und die smarteste Lösung für alle Probleme. Dabei ist es gerade die Unübersichtlichkeit, die Entdeckerfreude weckt.

Und einem Menschen etwas abzukaufen ist definitiv nicht das Gleiche wie einem Roboter. Nicht alles, was perfektionierbar ist, muss perfektioniert werden. Und manches technisch Verbesserbare wird durch die technische Verbesserung lebensqualitativ nicht besser, sondern schlechter. Einige Dinge, wie etwa der Fußball, leben sogar von einer Artistik des Misslingens. In den allermeisten Fällen gelingt ein Angriff nicht, sondern wird rechtzeitig unterbunden oder führt zu einem schlechten Abschluss. Wäre jeder Schuss ein Treffer, wäre das Spiel reizlos.

Fußball ist eine der schönsten Metaphern des Lebens

Gerade das macht den Fußball zu einer der schönsten Metaphern des Lebens. Denn dort sind die Erfolge, die Höhepunkte, das Spektakuläre und Außergewöhnliche die Ausnahme und nicht die Regel. Auf einen solchen Normalzustand sind Menschen seit Hunderttausenden von Jahren offensichtlich ausgerichtet. Wer daran grundsätzlich etwas ändern will, muss nicht nur die Lebensumstände ändern, sondern auch den Menschen – mit äußerst ungewissen Folgen.

Richard David Precht weiß: „Experimente mit Drogen und Medikamenten, die die biochemische Werkseinstellung des Menschen aufmischen, sprechen hier eine deutliche Sprache. Nichts davon schafft eine neue innere Balance, sondern stets nur eine zeitweilige Verschiebung mit Gegenreaktionen oder Abhängigkeit.“ Nicht alles, was vorgibt, mit digitalen Mitteln ein Problem zu lösen, löst überhaupt ein Problem. Deshalb ist es nicht uninteressant, echte Probleme von unechten zu unterscheiden. Zu den besonders ungeeigneten Feldern der Steigerung von Effizienz gehört dazu sicherlich die Kunst. Quelle: „Jäger, Hirten, Kritiker“ von Richard David Precht

Von Hans Klumbies