Werte verleihen einem Menschen Sicherheit

Zu den sensibelsten Bereichen eines Menschen gehören seine Werte, besonders der Selbstwert. Werte sind die als erstrebenswert oder moralisch gut betrachteten Eigenschaften von Menschen, Verhaltensweisen, Handlungsmuster und Charaktereigenschaften, aber auch von Ideen, Sachverhalten und Gegenständen. Reinhard Haller fügt hinzu: „Aus solchen Wertvorstellungen bilden wir unsere Wertesysteme und darauf aufbauend können wir Wertentscheidungen treffen.“ Werte sind ein wichtiges Element einer jeglichen Gesellschaft und Kultur. Sie werden durch ebendiese Kultur und Gesellschaft weitergegeben. Werte geben metaphysisch-religiöse Orientierung, prägen die soziale Ausrichtung und sind zentraler Bestandteil des humanistischen Denkens. Die Wertphilosophie, die ihre Höhepunkte in der Güterethik des Aristoteles und in der „Idee des Guten“ von Platon hatte, wurde später von der Moraltheologie aufgegriffen. Reinhard Haller ist Chefarzt einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Klinik mit dem Schwerpunkt Abhängigkeitserkrankungen.

Werte sind besonders anfällig für Kränkungen

Eine der besten Definitionen stammt von Rudolf Hermann Lotze, der den Begriff im Sinne eines „von den Menschen gefühlsmäßig als übergeordnet Anerkanntes, zu dem man sich anschauend, anerkennend, verehrend, strebend verhalten kann“ beschreibt. In der Psychologie werden Werte als Bezugspunkte gesehen, die auf Lebewesen anziehend oder abstoßend wirken. Sie gelten als Richtlinien bei der Planung des Verhaltens. In motivationalen Konzepten haben sie die Funktion als Zielentwurf oder „Korrektiv zur Gestaltung der Welt“ und gelten als „umfassende Sinnmöglichkeiten“.

Werte verleihen einem Menschen Sicherheit und geben seinem Streben ein Ziel. Auf langen Traditionen beruhend und individuell hart erarbeitet, sind sie wegen ihrer enormen Bedeutung besonders anfällig für Kränkungen. In der Psychologie ist der wichtigste Wert das Ego, konkret die Bewertung, die man von sich selbst hat. Reinhard Haller nennt dies Selbstwertgefühl, Selbstbewusstsein, Selbstachtung oder Selbstwert. Der Selbstwert, der wahrscheinlich durch genetische Komponenten beeinflusst, im Wesentliche aber im Laufe der Entwicklung erlernt oder erworben wird, ist keine fixe Größe.

Angriffe auf den Selbstwert verunsichern die Psyche

Die Selbstwertschätzung unterliegt während des Lebens zahlreichen Umbrüchen. So in der Pubertät, die durch die innere Heimatlosigkeit – der Welt des Kindes entwachsen, in jener der Erwachsenen noch nicht zu Hause – und durch die schwierige Suche nach Identität häufig zu Selbstzweifeln führt. Der Selbstwert bildet die Basis des Selbstbewusstseins und des Selbstvertrauens. Im Kampf um ein gesundes Selbstbewusstsein bewegen sich die Menschen zwischen einem neurotischem Minderwertigkeitsgefühl und einem krankhaft übersteigertem Eigenwert, dem pathologischen Narzissmus.

Reinhard Haller weiß: „Ein positives Selbstwertgefühl ist die wichtigste Voraussetzung für psychische Gesundheit.“ Es gibt kaum eine psychische Störung, die nicht auf den Selbstwert trifft und zu einer negativen Veränderung des Selbstwertgefühls führt. Auf Angriffe auf den Selbstwert reagiert die menschliche Psyche mit Verunsicherung, Zweifeln an sich selbst, Niedergeschlagenheit, Depressivität, Scham und Kränkung. Schon aus dieser Logik heraus müsste die Aufarbeitung von Kränkungen das zentrale Ziel einer jeden Psychotherapie sein. Denn nur so ist die Wiederherstellung eines stabilen Selbstwertgefühls möglich. Quelle: „Die Macht der Kränkung“ von Reinhard Haller

Von Hans Klumbies