Es gibt nur eine Vernunft

Das hat bestimmt schon jeder einmal erlebt, dass trotz intensiven Austauschs der Argumente keine Einigung zu erzielen war. Reinhard K. Sprenger will auf einen Aspekt aufmerksam machen, den man in seiner Bedeutung für Konflikte noch gar nicht richtig begriffen hat. Die Menschen, die heute leben, sind aufgewachsen in einem gesellschaftlichen Klima, das Vernunft sehr groß schrieb. Die zudem überzeugt sind, dass es im Grunde nur eine Vernunft gäbe. Reinhard K. Sprenger weiß: „Das Hintergrundprogramm, gleichsam die Software dafür, hat der imperiale deutsche Philosoph Jürgen Habermas in den 1960er Jahren geschrieben.“ Dieses Programm geht davon aus, dass alle Menschen eine gemeinsame Sachlichkeit beanspruchen, innerhalb deren Argument und Gründe gelten. Reinhard K. Sprenger zählt zu den profiliertesten Managementberatern und wichtigsten Vordenkern der Wirtschaft in Deutschland.

Konflikte entstehen zwischen den Ordnungen

Dabei kommt es idealerweise zu einer „herrschaftsfreien“ Situation. In der kann jeder alles sagen und nur die Argumente liegen im „Wider-Streit“. Letztlich gibt der „zwanglose Zwang“ des besseren Arguments den Ausschlag. Dem unterwerfen sich dann alle – „vernünftigerweise“.“ Unter Umständen braucht es dafür einen Schiedsrichter. Er sagt nicht, was richtig oder wahr ist – er sagt, was gilt. Diese Sichtweise ist gleichsam die unhinterfragte Rationalität von „Konflikte lösen“.

Nun gibt es in der Welt seit vielen Jahren eine Situation, die man Globalisierung nennt. Es kommen und arbeiten Menschen zusammen aus den unterschiedlichsten Kulturen, mit den unterschiedlichsten Prägungen und Moralvorstellungen. Diese Menschen beziehen sich nicht auf einen gemeinsamen Erfahrungshintergrund, sondern auf je unterschiedliche. Deshalb teilen sie auch nicht eine gemeinsame Ordnung, innerhalb deren Konflikte gelöst werden können. Der Konflikt entsteht vielmehr zwischen den Ordnungen. Es prallen auch nicht Geltungsansprüche aufeinander, sondern Erfahrungsansprüche.

Die Globalisierung verschärft soziale Konflikte

In den jeweiligen kulturgeprägten Erfahrungswelten nämlich gibt es Dinge, über die man nicht streiten kann. Weil sie nicht widerstreiten, sondern, viel grundsätzlicher, der jeweiligen Vernunft widersprechen. Etwa, wenn jemand dogmatisch die Familienehre hochhält. So verschärft die Globalisierung soziale Konflikte, die in international aufgestellten Unternehmen oft kulturelle Konflikte sind. Manche scheinen kaum überbrückbar, weil die Menschen völlig anders ticken.

Reinhard K. Sprenger erläutert: „Sie halten ihr Verhalten für ganz und gar selbstverständlich und zeigen im Konfliktfall keinerlei Bewusstsein für Mitverantwortung.“ Als Beispiel dafür kann man das Thema „Vereinbarungen halten“ nehmen. Weltweit gibt es im Grunde darüber keinerlei Moralkonsens. Asiaten sehen das beispielsweise völlig anders als Europäer. Selbst innerhalb Europas gibt es Unterschiede. Oder das Gleichgewicht von Geben und Nehmen als sozialen Basiskonsens. Dafür haben gewisse Kulturen kein Gefühl. Will heißen: Solange man über eine Vernunft, über einen gemeinsamen Maßstab verfügt, kann man sich einigen. Quelle: „Magie des Konflikts“ von Reinhard K. Sprenger

Von Hans Klumbies