Der destruktive Umgang mit Konflikt resultiert aus der insgeheimen Übereinkunft, dass es nur eine einzige Rationalität gibt. Nämlich die eigene. Reinhard K. Sprenger stellt fest: „Wenn ich nur einen Grund nennen müsste, warum Konflikte eskalieren, dann genau deshalb. Darum: Anerkennen Sie, dass Rationalität keine absolute Größe ist. Dass es mehrerlei Vernunft gibt.“ Es gibt auch scheinbar unvernünftige Ordnungen, die allerdings erfahrungsgesättigt sind und deshalb Geltung beanspruchen dürfen. Man sollte jedoch die Spielräume nutzen, die jede noch so rigide Dogmatik zulässt. Wie der Volksmund sagt: „Etwas geht immer.“ Es gibt beispielsweise Felder, auf denen sich ökologische und wirtschaftliche Logik nicht widersprechen. Wichtig ist zudem, dass man einen soliden Selbstzweifel an der Einzigrichtigkeit seiner Erkenntnisfähigkeit nie verlieren sollte. Reinhard K. Sprenger zählt zu den profiliertesten Managementberatern und wichtigsten Vordenkern der Wirtschaft in Deutschland.
Kommunikation ist das Mitteilen einer Differenz
Konflikte sind jedoch noch viel tiefer in die menschliche Existenz eingewoben. Sie beginnen schon auf der Ebene der Sprache, die um die Idee des Verstehens herum gebaut ist. Reinhard K. Sprenger weiß: „Am Anfang war das Wort, gleich danach kam das Missverständnis.“ Weil jeder Mensch nun mal ein Unikat ist, weil er anders ist und andere Erfahrungen gemacht hat. Weil er auf andere Weise erfolgreich geworden ist und andere Interessen hat.
Es ist das unentrinnbare Nichtverstehen, das den Konflikt provoziert. Denn was ein Mensch erkennt, was überhaupt erkennbar ist, ist eine Differenz. Daher, erstens: Alle Kommunikation ist das Mitteilen einer Differenz. Wenn das Kommunizierte keinen Unterschied machte, würde man es gar nicht wahrnehmen. Interessant wird es erst, wenn man die Differenz im bereichernden Sinne bemerkt: „Hm, das ist ja ein ganz neuer Aspekt!“ oder „So habe ich es noch nie betrachtet.“
Denken ist der Verlust von Gewissheit
Zweitens: Voraussetzung aller Mitteilung ist die Teilung. Diese erst macht Kommunikation möglich. Ohne Teilung, ohne Differenz, ohne persönliche, räumliche, zeitliche Distanz braucht es keine Kommunikation. Entferntsein ist ihre Grundbedingung. Wenn man dieses Entferntsein voneinander überbrückt, dann wird Zusammenhang gestiftet, gleichzeitig wird aber auch diese Distanz bestätigt. Drittens also schafft Kommunikation Nähe unter vorausgesetzter Distanz.
Viertens: Kommunikation kann auch zum Widerspruch einladen. Das Lernen, das vielbeschworene Lernen – was ist das anderes als die berühmte „kognitive Dissonanz“? Alle Erkenntnis ist eine Verlustgeschichte. Das hat der Philosoph Hans-Georg Gadamer gezeigt: „Denken ist der Verlust von Gewissheit.“ Um eine Erfahrung reicher sein, heißt: um eine Gewissheit ärmer sein. Und da man nichts verlieren kann, ohne etwas anderes zu gewinnen, gilt für Reinhard K. Sprenger: „Konflikt ist nicht das Ende des Denkens, sondern dessen Anfang.“ Quelle: „Magie des Konflikts“ von Reinhard K. Sprenger
Von Hans Klumbies