Der Konflikt hat einen Doppelcharakter

Einigkeit macht starr. Für Reinhard K. Sprenger kommt der magische Doppelcharakter des Konflikts in dieser Formulierung gut zum Ausdruck: „Konflikt ist lästig und listig, stört und hilft gleichzeitig, ist unvermeidbar und unterhaltsam. Er ärgert und erfrischt, schreckt ab wie ein Minenfeld, zieht an wie ein Magnet.“ Die Lust auf Veränderung sitzt ebenso tief wie die Furcht davor. Die Urangst vor dem Verlassenwerden hält sich die Waage mit dem bösen Vergnügen an der Zerstörung. Ein Konflikt ist also zunächst weder gut noch schlecht. Er ist. Auch wenn man den Doppelcharakter des Konflikts grundsätzlich anerkennt – überwiegt nun das Störende oder das Helfende? „Well, it depends!“, würde ein kluger Manager sagen. Reinhard K. Sprenger zählt zu den profiliertesten Managementberatern und wichtigsten Vordenkern der Wirtschaft in Deutschland.

Der Konflikt ist der soziales Kitt eines Unternehmens

Aber unter den Vorzeichen sich rapide verändernder Unternehmensumwelten sollte laut Reinhard K. Sprenger die chancenreiche Seite betont werden. Ein Konflikt hilft. Seine Erfahrung als Referent und Berater belegt jedoch nahezu tätlich das Gegenteil. Man bucht gerne einen Vortrag, der den internen Status Quo bestätigt. Kritisches Infragestellen ist selten erwünscht. Man wolle die Leute nicht irritieren. Im Grunde erklärt man damit die eigenen Mitarbeiter für blöd. Wichtiger noch: Man immunisiert sie gegen Entwicklung.

Und das sollte in Unternehmen doch bei Strafe verboten sein! Nicht der Konsens, sondern der Dissens beweist die Vernunft einer Diskussion. Reinhard K. Sprenger erläutert: „Diese Diskussion muss uns Gründe abverlangen, warum wir es anders sehen.“ Der Konflikt als soziales Kitt des Unternehmens – das ist noch kaum verstanden worden. Dass aufrichtig und zivilisiert streiten ein Bindemittel ist. Ein Zeichen gegenseitiger Anerkennung. Man streitet sich ja nur mit demjenigen, den man als ebenbürtig und gleichwertig anerkennt.

Ein konstruktiver Streit ist eine Chance

Der Soziologe Georg Simmel beschrieb schon 1908 den konstruktiven Streit als Chance, das Miteinander auszuhalten, ohne fliehen oder den anderen beseitigen zu müssen. Das wird selten zugestanden. Derart viel wird unter den berühmten Teppich gekehrt, dass man kaum noch darauf laufen kann. Vor allem auch in Familienunternehmen hält man sich gerne wechselseitig die Hand vor Augen. Amerikaner kennen das schöne Sprachbild „walking on eggshells“.

Reinhard K. Sprenger fasst zusammen: „Aus all dem folgt: Es ist einerlei, ob sie viele oder wenige Konflikte in ihrem Leben haben. Es kommt darauf an, was sie daraus machen.“ Seiner Meinung nach geht es vor allem darum, Konflikte im Unternehmen zu aristokratisieren. Die meisten Menschen haben für ihr Leben das innere Bild eines möglichst langen, ruhigen Flusses, in dem Turbulenzen die Ausnahme sind. Dem Konflikt kommt in dieser Vorstellung der Charakter des Besonderen zu. Er ist eine Stromschnelle, die möglichst zu umschiffen ist. Quelle: „Magie des Konflikts“ von Reinhard K. Sprenger

Von Hans Klumbies