Der Rausch beschäftigt die Philosophie, auch die Theologie, die Physiologie und die Psychiatrie gleichermaßen. Reinhard Haller fügt hinzu: „In manchen Religionen ist er die Brücke zum Himmlischen.“ Für Friedrich Nietzsche war der Rausch ein Mittel, soziale und religiöse Fesseln zu sprengen: „In zwei Zuständen nämlich erreicht der Mensch das Wonnegefühl des Daseins, im Traum und im Rausch“, schreibt er in der „Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik“. Und an anderer Stelle, in den „Streifzügen eines Unzeitgemäßen“, seinen kreativen Effekt betonend: „Damit es Kunst gibt, damit es irgendein ästhetisches Thun und Schauen gibt, dazu ist eine physiologische Vorbedingung unumgänglich: der Rausch.“ Abgeleitet aus dem Mittelhochdeutschen, haben die Begriffe „rüsch, riuschen“ mit ungestümen Bewegungen, Anstürmen, zu tun. Reinhard Haller ist Chefarzt einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Klinik mit dem Schwerpunkt Abhängigkeitserkrankungen.
Die Ekstase ist ein Rausch der Sinne
Im Drogenjargon nennt man den Rausch einen Trip, eine Reise, und betont damit das Abenteuerliche, das auf einen zukommende Unbekannte, auch die Neugier und Sehnsucht, jedenfalls das Außergewöhnliche, das Entrücken, die Ekstase. Reinhard Haller erläutert: „Ekstase ist an sich ein Rausch, ein „Rausch der Sinne“, ein besonders intensiver, trance-ähnlicher psychischer Ausnahme-Zustand, eine dramatische Veränderung des Bewusstseins, welches von den Betroffenen als „erweitert“ oder „erhöht“ erlebt wird.“
Der Historiker Peter Dinzelbacher beschreibt Ekstase als „Heraustreten der Seele aus dem Körper bei gleichzeitiger Suspendierung der Sinneswahrnehmungen“ und einen „rauschartigen Erregungszustand mit gemindertem Bewusstsein“. Die Geschichte beziehungsweise die dokumentierte Historie des Rausches ist uralt: Kürzlich wurden die Überreste der ältesten Brauerei in Israel, in der Höhle von Rakefet südlich von Haifa, gefunden und auf das Jahr 13000 v. Chr. datiert. Rund 9000 v. Chr. waren Fliegenpilz, Psilocybin und Met bekannt, 7000 v. Chr. Cannabis und Stechäpfel, diese galten in alttestamentarischen Zeiten als Quell der Fröhlichkeit und des Übels.
Der Rausch hatte in der Antike mystischen Charakter
In der Antike wurden ritualisierte Saufgelage gepflegt, diese gibt es nicht erst seit dem Ballermann. Die Griechen und die Römer tranken Wein, der mit Wasser vermischt wurde. Wer puren Wein trank, galt als Säufer. Während Trunkenheit im Alltag verpönt war, war sie bei den Trinkgelagen nahezu Pflicht. Der Rausch hatte mystischen Charakter. Man strebte ihn ebenso wie in Ägypten als Zustand an, der den Kontakt zu einer höheren Welt ermöglichte. Aber auch schon damals kam es manchmal zum Sturz in die Hölle.
Bei den Germanen, die den auch von den Göttern getrunkenen Met bevorzugten, war der Rausch Teil des sozialen Lebens, bei wichtigen Anlässen herrschte angeblich ein kollektiver Trinkzwang. Im Mittelalter sah man den Rausch als etwas völlig Normales an, ab dem 17. Jahrhundert wurde er geächtet, im 19. Jahrhundert den krankhaften Störungen, den exogenen Psychosen zugeordnet. Im 20. Jahrhundert wurde er in der psychoanalytischen Therapie als Psychotherapeutikum wiederentdeckt. Aber auch in diesem psychotherapeutischen Kontext kam es zu höllischen Abstürzen. Quelle: „Vom Himmel des Rausches zur Hölle der Sucht“ von Reinhard Haller in „Die Hölle“ des Philosophicums Lech
Von Hans Klumbies